Spotlight

Bundesliga | Kommentar: Manuel Neuer stellt sich selbst ins Abseits

5. Februar 2023 | Trending | BY Victor Catalina

Spotlight | Kurz vor dem 19. Bundesliga-Spieltag und dem Champions-League-Achtelfinalhinspiel in Paris entschied sich Neuer zu einem Interview, mit dem er weder sich selbst, noch der Mannschaft half. 

Interview wirft ein schlechtes Licht auf Neuer

Nach dem überzeugenden 4:0 in Mainz und dem damit verbundenen Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals sollte eigentlich wieder Ruhe an der Säbener Straße einkehren. Drei Remis zum Jahreseinstand haben bereits für viel Diskussionsstoff gesorgt. Nun bemühte sich Manuel Neuer, mit seinem Interview in der SZ und bei The Athletic, nur bedingt, das Feuer zu ersticken.

Da wäre zum einen der Zeitpunkt. Gute zehn Tage vor dem Champions-League-Achtelfinalhinspiel in Paris entschied sich Neuer, sich in einer für ihn ungewohnt deutlichen Art und Weise zu äußern, wohl wissend, welche Sprengkraft dieses Interview haben würde. Die Entlassung von Neuer-Intimus und Torwarttrainer Toni Tapalović war auch ein Schlag gegen Neuer selbst. Zur Saison 2011/12 schlossen sich beide dem Rekordmeister an. Es ist ungewöhnlich genug, dass ein Torhüter seinen eigenen Trainer mitbringen darf. Neuer zahlte dieses Vertrauen allerdings über mehr als ein Jahrzehnt mit teilweise historischen Leistungen zurück. Seinen Platz als bester seiner Zunft kann ihm auch dieses Interview nicht streitig machen.

 



 

Dennoch wirft es ein schlechtes Licht auf Bayerns Kapitän. Im Jahr 2009 entschied sich mit Philipp Lahm ein weiterer Spielführer des Rekordmeisters zu einem polarisierenden Interview, das ihn seinerzeit 50.000 Euro Strafe kostete. Lahm aber kritisierte die Sache, bemängelte mit klaren Worten Bayerns Transferpolitik und verhalf dem Klub letztlich zum Besseren.

Bei den Worten, mit denen Neuer Tapalović verteidigt, kommt man nicht umhin zu erkennen, dass es ihm in diesem Fall eher um persönliche Befindlichkeiten geht. Er berichtet von Tränen, die geflossen seien und bezeichnete die Entlassung als „Schlag, als ich bereits am Boden lag“ sowie „das Krasseste, das ich jemals erlebt habe“. Ausschlaggebend für die Entlassung soll die Beziehung zu Julian Nagelsmann gewesen sein. Unter Hansi Flick stieg Tapalović vom Torwart- zum Co-Trainer auf. Dadurch gewann auch die Neuer-Seite noch mehr an Einfluss. Nagelsmann hingegen brachte seinen eigenen Staff mit. Als angeblich Interna aus der Trainerkabine zur Mannschaft gelangt sein sollen, war die Beziehung nicht mehr zu retten. Neuers Verletzung brachte das Fass zum Überlaufen.

Mehr News und Stories rund um die Bundesliga

Eine starke Aussage mit viel Interpretationsspielraum

Ohne ihn könnte die Vereinsführung den idealen Zeitpunkt gesehen haben, ein weiteres klares Statement pro Nagelsmann zu setzen und sich von Tapalović zu trennen. Zumal die Beziehung mit Alexander Nübel ebenfalls belastet war. Kürzlich betonte er im Sportstudio, Bayerns Nummer Eins werden zu wollen, sei noch immer sein Ziel.

Der Vorstand reagierte auf den unerwarteten Schlag mit aller Professionalität, insbesondere Oliver Kahn, der seine eigene Zeit nach dem Abgang von Sepp Maier in der Nationalmannschaft als Gegenbeispiel anführte. Man ist bemüht, die Sache intern zu klären. Dass diese Aussagen ein Nachspiel für Neuer haben werden, davon darf man mit ziemlicher Sicherheit ausgehen. Vonseiten des Vorstands – aber auch der Mannschaft selbst.

Bundesliga VfL Wolfsburg FC Bayern Neuer

Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Bereits zum zweiten Mal binnen weniger Wochen handelte Neuer nicht im Stile eines Kapitäns. Er spielte den Ausflug, der ihn die Saison kostete, mit dem Gang zum Bäcker herunter, schlug sich auf die Seite des vielkritisierten Oliver Bierhoff und betonte im nächsten Atemzug, der ehemalige DFB-Direktor wollte das Beste für sein Team, es gäbe aber auch „andere, die das Beste für sich selbst“ wollten. Eine starke Aussage, die sehr viel Interpretationsspielraum lässt. Zu viel, um als einfache Floskel daherzukommen und zu sehr in einem anderen Kontext platziert, als dass sie nicht hellhörig machen würde. Besonders, einhergehend mit der Frage, mit welchen Akteuren – außerhalb des Bayern-Kosmos – Neuer genug Zeit verbringt, um zu wissen, oder glauben zu wissen, dass sie das Beste für sich selbst wollen würden.

Ein Gedankenspiel mit viel „hätte“, „wäre“ und „könnte“. Sollte sich der Verdacht aus dieser und anderen Aussagen jedoch erhärten, wird Neuer seine Kreditlinie innerhalb des Klubs weit ausreizen. Man weiß nicht, wann und in welcher Verfassung Neuer zurückkehren wird, inwieweit er nochmal zu seiner Topform findet. Mit Yann Sommer und Nübel stehen kurz-, sowie langfristige Nachfolger bereit. Letztlich hat Neuer mit diesem Interview niemandem einen Gefallen getan. Nicht der Mannschaft – und auch nicht sich selbst.

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


Ähnliche Artikel