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Bundesliga | Ratlose Bayern, Hoffnungsvoller BVB und Leverkusener Überflieger – Die Brennpunkte des 29. Spieltags

24. April 2023 | Spotlight | BY Victor Catalina

Spotlight | Nach dem 29. Bundesliga-Spieltag darf Borussia Dortmund vom Titel träumen, in München weiß man nicht, warum – und für Bayer Leverkusen läuft es weiterhin „überragend“. Die Brennpunkte. 

1. „Weiß ich nicht“ – Bayerns Krise ohne Ausweg

Es waren zwei Worte, die nach dem 1:3 in Mainz über dem FC Bayern hingen. „Keine Ahnung“. Und drei weitere: „Weiß ich nicht“. „Ich hatte bis zum Ausgleich nicht das Gefühl, dass eine besondere Energie entsteht, dass Mainz … dass irgendwie … keine Ahnung“, so Thomas Tuchel. Und weiter: „Offensichtlich fehlt uns im Moment die Energie, uns dagegen aufzulehnen, mit Rückschlägen umzugehen. Ähm … weiß ich jetzt nicht, weshalb.“

Der Rekordmeister steckt momentan in der Einöde seiner eigenen Krise und hat weder eine Karte noch genug Empfang auf dem Smartphone, um den Ausweg zu finden. „Offensichtlich“ – und das ist eine weitere Vokabel, die die Interviews nach Abpfiff dominierte – weil die Mannschaft nicht in der Lage ist, auf Rückschläge angemessen zu reagieren. Abermals ging man in Führung. Diesmal traf mit Sadio Mané zur Abwechslung ein Angreifer. Wie bereits in Leverkusen (1:2) und im Pokalduell gegen den SC Freiburg (1:2) drehte Mainz jedoch die Partie. Zum dritten Mal innerhalb von etwas mehr als einem Monat gaben die Münchener eine eigene Führung komplett her. Noch Mitte des vergangenen Jahrzehnts lagen 1.562 Tage zwischen dem 2:3 in Köln im Februar 2011, als Milivoje Novakovič doppelt traf und einem 1:2 in Freiburg im Mai 2015.

Bundesliga FC Bayern München Mainz 05

Photo by DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images

Der FC Bayern wirkt in den entscheidenden Situationen mental ausgelaugt und führungslos. Yann Sommer legte Ludovic Ajorque den Ausgleich auf, Dayot Upamecano patzte gegen Manchester City mehrmals schwer. Joshua Kimmich und Leon Goretzka geben dem Mittelfeld momentan viel, aber keine Stabilität. Thomas Müller gelingt es kaum noch, Räume zu deuten. Gleich zweimal übersah er am Samstag – untypisch für ihn – links den besser postierten João Cancelo. Citys Leihgabe ist, zusammen mit Jamal Musiala oder Mathys Tel (sofern dieser Minuten bekommt) noch einer der stabilsten bei den Münchenern und legte Mané mit einer gekonnten Flanke die Führung auf.

Zu den Fehlern auf dem Platz kommen auch solche außerhalb: Thomas Tuchel weiß nicht, was der Mannschaft fehlt, weil Thomas Tuchel es noch gar nicht wissen kann. Dazu ist Thomas Tuchel noch nicht lang genug in München. Womit man wieder beim Zeitpunkt des Trainerwechsels wäre. Darüber hinaus war der erste Reflex des Vorstands nach dem Spiel, gnadenlos verbal auf die Mannschaft einzudreschen, was leistungstechnisch sicherlich nicht unverdient ist. Aber eben auch nicht zur inneren Geschlossenheit und Stärke beiträgt, die der Klub über Jahrzehnte ausstrahlte und – gerade in dieser Phase – mehr als dringend bräuchte.

Momentan frisst sich jeder in einer verantwortlichen Position gegenseitig auf mit den Vorhaben bis Saisonende. Oliver Kahn nahm Tuchel aus der Verantwortung, die dieser kurz darauf doch übernahm. Nachdem Kahn betonte, man habe in den vergangenen Wochen genug Gespräche geführt und wolle nun Leistung zeigen, kündigte Hasan Salihamidžić weitere Gespräche an. Und irgendwo dazwischen stehen eine Menge talentierter Youngster, auf die viel mehr zurückfällt, als es eigentlich sollte. Daher verwundert es nicht, dass selbst Thomas Müller, einer der größten Optimisten im Team, nicht garantieren kann, „dass wir bereit sind, wenn es wieder so kommt.“

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2. BVB legt vor – und darf vom Titel träumen

Vor Wochenfrist kamen die Münchener, dank der irrwitzigen Performance des VfB Stuttgart, als Tabellenführer davon. Eintracht Frankfurt, das noch tiefer in der Formkrise steckt als der Rekordmeister, vermochte jedoch keine Schützenhilfe zu geben. Zwar zeigte sich der Noch-Europa-League-Sieger bemüht und kam zu einigen durchaus vielversprechenden Abschlussgelegenheiten. Problem der Eintracht: Dortmund machte aus seinen das absolute Maximum. Nach Treffern von Jude Bellingham (19′), Donyell Malen (24′) sowie Mats Hummels (41′) stand es zur Pause bereits 3:0. Malen (66′) erzielte kurz nach der Stundenmarke den Endstand.

Bundesliga Borussia Dortmund Eintracht Frankfurt

Photo by Lars Baron/Getty Images

Dadurch steht der BVB, fünf Spieltage vor Schluss, urplötzlich an der Tabellenspitze und darf von der ersten Meisterschaft seit 2012 träumen. Man kann nicht sagen, dass sie hochverdient wäre, was für den FC Bayern genauso gilt. Wer auch immer den Titel gewinnt, ist dieses Jahr die weniger ungeschickte Mannschaft von beiden.

Für die Dortmunder spricht, dass sie drei Heimspiele haben, ausgerechnet gegen die schwierigeren Gegner aus Wolfsburg, Mönchengladbach sowie Mainz. Bochum und Augsburg auswärts könnten noch potentielle Stolperfallen darstellen. Der FC Bayern muss seinerseits alle fünf Spiele gewinnen und trifft noch auf beide Aufsteiger, allerdings auch auf RB Leipzig und den notorisch unangenehm zu bespielenden 1. FC Köln.

3. Bayer Leverkusen als großer Nutznießer im Kampf um die Champions League?

2:0 bezwang Bayer Leverkusen am Wochenende RB Leipzig und festigte dadurch Platz 6. Adam Hložek (40′) und Nadiem Amiri vom Punkt (86′) erzielten die Treffer. Xabi Alonso und die Seinen machten dadurch einen weiteren großen Schritt Richtung Champions League. Sechs Punkte sind es noch bis zum SC Freiburg auf Platz 4. Die Konstellation bis Saisonende kommt den Leverkusenern maximal entgegen: Sie selbst können kommendes Wochenende mit Union Berlin einen weiteren direkten Konkurrenten einfangen, während Freiburg noch RB Leipzig und die Köpenicker vor der Brust hat und die Leipziger das Auswärtsspiel in München.

Bundesliga Bayer Leverkusen RB Leipzig

Photo by Lars Baron/Getty Images

Gegen Leipzig entschloss sich Xabi Alonso das Spiel, ob des hohen Pensums der Vorwochen, eher defensiv anzugehen. Obwohl mit Edmond Tapsoba ein Schlüsselspieler fehlte, ließ man nicht viel zu. „Es läuft überragend gerade bei uns“, so ein stolzer Abwehrchef Jonathan Tah. „Das war kein einfaches Spiel heute, vor allem in der ersten Halbzeit. Wir haben nicht so viel aufs Tor zugelassen, haben einfach wie Löwen als Mannschaft verteidigt und das hat Spaß gemacht.“

Auch Xabi Alonso wollte sich für den Saisonendspurt keine Grenzen setzen und meinte, „alles kann passieren. Wir haben gekämpft, wir haben zusammen verteidigt, wir hatten den Spirit. Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft. Wenn man nicht gut spielt, muss man bereit sein zu kämpfen und zu leiden. Die Mannschaft war bereit dafür. Es war vielleicht nicht unser bestes Spiel, aber die drei Punkte sind das Wichtigste für uns. Jetzt haben wir etwas Zeit, um uns zu erholen.“

Photo by Matthias Hangst/Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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