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Bundesliga | Bayern arbeitet sich aus der Verunsicherung, Glasner explodiert, Schalker Nervenstärke: Die Brennpunkte des 31. Spieltags

8. Mai 2023 | Trending | BY Victor Catalina

Spotlight | 2:1 gewann der FC Bayern am 31. Bundesliga-Spieltag in Bremen und machte damit nicht nur einen weiteren Schritt zur Meisterschaft. Außerdem: Oliver Glasner, dem die Schwierigkeiten seines Teams anzusehen sind und Schalker, die ihre Mentalität zurückgefunden haben. Die Brennpunkte. 

1. Bayerns Arbeitssieg als nächster Schritt zurück zum eigenen Selbstverständnis?

Die neue Normalität beim FC Bayern ist, dass eben nichts normal ist. Das aktuelle Selbstverständnis, dass eben nichts selbstverständlich ist. Der Sieg in Bremen könnte dafür kaum sinnbildlicher stehen. „Die Freude in der Kabine ist riesig, wir haben richtig doll gejubelt“, gab Serge Gnabry nach der Partie zu. Auch der Schlusspfiff wurde vonseiten des Rekordmeisters ausgiebig gefeiert.

Es hatte etwas von den alten Zeiten, vor 20 Jahren, als bei Werder noch Ivan Klasnić, Johan Micoud oder Aílton spielten, trainiert von Thomas Schaaf. Dieses Werder, aus dem Mai 2023, konnte jedoch nur eines seiner letzten neun Bundesligaspiele gewinnen, 4:2 in Berlin. In jeder der neun Partien gab es mindestens zwei Gegentore.

 

 

Dennoch tat sich der Rekordmeister vor allem in der ersten Hälfte äußerst schwer, zu Chancen zu kommen. Wiederholt wurde das Tempo in den Aktionen durch zusätzliche, unnötige Ballkontakte verschleppt, sodass sich die Bremer formieren konnten und auch nicht die allergrößte Mühe hatten, das, was der FC Bayern offensiv bot, wegzuverteidigen.

Erst nach der Pause wurden die Münchener konkreter und gingen in Minute 61 durch Serge Gnabry verdient in Führung. Der Nationalspieler ist momentan einer der wenigen Lichtblicke beim Rekordmeister. Wie gegen Hertha BSC erzielte Gnabry auch in Bremen den Führungstreffer. Es war sein 11. Saisontor, das ihn mit Jamal Musiala als teaminternen Toptorschützen gleichziehen ließ. Durch seine Vorlage wurde Musiala allerdings zum ersten Münchener mit einer zweistelligen Anzahl an Treffern und Assists.

Zehn Minuten später spielte es der Rekordmeister Bayern-like. Noussair Mazraoui steckte fein für Leroy Sané durch, der gekonnt mit dem ersten Kontakt flach ins lange Eck vollendete. Überraschungsmoment, Kreativität, Tempo und das nötige Selbstbewusstsein im Abschluss. In dieser Szene spielte es der FC Bayern im Stile der Spitzenmannschaft, die sie sind.

Bundesliga Werder Bremen FC Bayern München

Photo by Oliver Hardt/Getty Images

Allein, ihnen fehlt noch das letzte Bisschen Selbstvertrauen, um den Sieg endgültig souverän zu gestalten. Vier Minuten vor Schluss hätte Sané frei auf Jiří Pavlenka zulaufen können. Stattdessen entschied er sich für das Zuspiel nach links, das ins Seitenaus ging. Im direkten Gegenzug suchte Niklas Schmidt – aus wesentlich aussichtsloserer Position – den Abschluss und hing die Kugel in den rechten Winkel.

Wirklich in Gefahr geriet der Erfolg nicht mehr. Dennoch zeigt die Erleichterung und der Jubel, wie sehr die Münchener diese Selbstvertrauensschübe nach den schwierigen letzten Wochen momentan brauchen. Auch Thomas Tuchel, der in der Vergangenheit nach schwächeren Auftritten einzige Defizite sah, ist durchweg darum bemüht, seine Mannschaft in Schutz zu nehmen und Positivität zu verbreiten.

Kommendes Wochenende empfängt der Rekordmeister den FC Schalke 04, bevor die Saison gegen RB Leipzig und in Köln endet. Bis dahin muss der FC Bayern wieder zurück zur eigenen Selbstverständlichkeit und zur eigenen Normalität finden.

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2. Wie geht es für die Eintracht und „Good Cop, bad Cop Glasner“ weiter?

Den besten Einfall des Spieltags hatte einer der anwesenden Journalisten auf der Pressekonferenz nach Hoffenheims Sieg über Eintracht Frankfurt: „Ich nehm vorsichtshalber den anderen Trainer, der hat heute vielleicht bessere Laune.“ Oliver Glasner schaute währenddessen, als könnte er jeden Moment ein weiteres Dutzend Blitze um sich schleudern.

Was Eintrachts Trainer derart erzürnte, war die Frage, ob sich seine Mannschaft die Steilvorlagen aus Leverkusen (1:2 gegen den 1. FC Köln) und Mainz (2:3 gegen Schalke) nicht zu einfach habe entgehen lassen, die Lage nicht realisiert habe. Daraufhin ließ Glasner einen Rant vom Stapel, erklärte, wie Makoto Hasebe mit 39 Jahren, trotz Blut im Urin, jede Woche spiele und das Team, mit zwei Finals in zwei Jahren, für die Eintracht durchs Feuer gehen würde. „Hört mir mit diesem Müll auf“, polterte Glasner.

 

 

Dabei war er es selbst, der noch vergangene Woche nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg meinte: „Wenn man die Leistung heute sieht, muss man sagen, haben wir es nicht begriffen.“ Im Anschluss an das 0:2 bei Union Berlin attackierte er sein Team höchstselbst: „Das ist eine Frage der Qualität und ich weiß nicht, wie man Qualität trainieren kann.“

Nun die 180-Grad-Wende, nachdem die Eintracht in der Rückrundentabelle auf den Relegationsplatz abstürzte. Dass sich Glasner vor sein Team stellt, ist prinzipiell richtig. Mehrmals pro Woche zehn oder mehr Kilometer abzuspulen, erfordert ein grundlegendes Maß an Einsatz.

Wie ist aber zu erklären, dass die Leistungen der Frankfurter in den Pokalwettbewerben denen in der Bundesliga dermaßen gegenüberstehen? In der ersten Viertelstunde nach der Pause überrollte die SGE den VfB Stuttgart geradezu und machte aus einem 0:1 verdientermaßen ein 3:1. Das war die Pokal-Eintracht, die Champions-League-Eintracht, die einen von Olympique Marseille leichtsinnig verteidigten Tottenham-Konter davon entfernt war, Gruppensieger zu werden. Sobald allerdings keine Wettbewerbshymne vor dem Spiel läuft, wirken die Frankfurter in den Werkszustand zurückversetzt.

Bundesliga TSG Hoffenheim Eintracht Frankfurt

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Antworten darauf haben weder die Mannschaft noch Glasner gefunden. Man merkt dem Österreicher mit seinem „Good Cop, Bad Cop“-Spiel an, wie sehr er unter Druck steht. Dass er Emotionen zeigt, ist lobenswert, allerdings auch ein Zeichen dafür, dass sich die Beziehung zwischen Trainer und Vorstand abzunutzen droht. Einen Monat nachdem Julian Nagelsmann Tobias Welz und sein Team als „weichgespültes Pack“ bezeichnete, war er Geschichte beim FC Bayern. Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann meinte am Sonntag: „Sind wir in einer Form in der Bundesliga, die zukunftsweisend ist? In diesem Sinne sollten wir die nächsten Tage und Wochen ins Land gehen lassen und dann schauen, wie wir damit umgehen.“

Passend dazu berichtete die Bild, dass Sport-Vorstand Markus Krösche das Gespräch mit Glasner suchen wolle und eine einvernehmliche Trennung im Sommer denkbar wäre. Als potentiellen Nachfolger habe die Eintracht Ex-Spieler Dino Toppmöller auf dem Zettel, zuletzt Nagelsmanns Co-Trainer beim FC Bayern.

An den letzten drei Spieltagen geht es für die Eintracht gegen Mainz, zu Schalke und gegen den SC Freiburg, bevor man RB Leipzig von der Titelverteidigung des DFB-Pokals abhalten will. Genau jetzt gilt es für Glasner und die Seinen, auch in der Bundesliga die Attribute zu zeigen, die das Team bereits in den Pokalwettbewerben stark gemacht haben, um vielleicht doch noch eine gemeinsame Zukunft zu sichern.

3. Schalke 04: Mit Reis und Rekord-Bülter zum Klassenerhalt?

Kommenden Samstag geht es für den FC Schalke 04 nach München. Allein die Ausgangssituation vor beiden Vergleichen zeigt, wie weit Thomas Reis den Verein gebracht hat. Sein Debüt als Schalker Trainer verlor er 0:2 gegen den SC Freiburg. Auch in Bremen gab es ein 1:2. Der erste Erfolg über Mainz 05 war daher überlebenswichtig, um den Anschluss zu halten. Nach einem 0:2 gegen den Rekordmeister am letzten Spieltag vor der WM betrug Schalkes Rückstand dennoch fünf Zähler. Angesichts des Restprogramms mit Teams wie Eintracht Frankfurt, RB Leipzig oder dem 1. FC Köln schien Schalkes Schicksal besiegelt.

Ein gutes halbes Jahr später wirkt die Mannschaft, vor allem mental, wie ausgewechselt. Trotz der Niederlagen in Sinsheim (0:2) und Freiburg (0:4) behielt Schalke die Nerven – buchstäblich. Die letzten beiden Partien gegen Werder Bremen (2:1) und in Mainz (3:2) gewann Königsblau in der Nachspielzeit. Mit seinem verwandelten Elfmeter bei 90’+12 löste Marius Bülter Lewis Holtby als spätesten Torschützen der Bundesligageschichte seit detaillierter Datenerfassung ab, der am 2. Spieltag 2017/18 beim 3:1 des Hamburger SV in Köln in Minute 90’+10 traf. Die Mannschaft glaubt an sich selbst, an den Klassenerhalt und den unter Thomas Reis eingeschlagenen Weg. Und sie hat in Marius Bülter einen game changer, einen Spieler, auf den sie sich – auch in den großen und wichtigen Momenten verlassen können.

Bundesliga Mainz 05 Schalke 04

Photo by Alex Grimm/Getty Images

So kommt auch Platz Acht in der Rückrundentabelle zustande. Eine Platzierung, die verdeutlicht, welches Potential in der Mannschaft und im Verein steckt. In Abstiegssorgen ist Schalke überhaupt erst geraten, weil sie nach der Vizemeisterschaft 2017/18 den fünften Schritt vor dem ersten machen wollten. „Wir wollen Dortmund auf Dauer überholen“, titelte der Kicker ein Zitat von Clemens Tönnies im November 2017. Im Anschluss ließ Schalke zu viele Eigengewächse, wie Leon Goretzka oder Sead Kolašinac, ablösefrei ziehen. Das Geld, das sie beispielsweise für Leroy Sané bekamen, wurde in Transfers investiert, die nicht aufgingen.

Nun hat Schalke unter Thomas Reis, vorausgesetzt sie halten die Klasse, eine große Chance, wieder langfristig etwas aufzubauen. Reis verkörpert die nötige Arbeitermentalität und hat darüber hinaus das taktische Wissen, um aus seinem Team das Optimum herauszuholen. Dazu würde es auch der Mannschaft einen mentalen Schub geben, zu wissen, dass sie eine nahezu aussichtslose Situation noch zu ihren Gunsten biegen konnten. Davor allerdings stehen noch die Aufgaben in München, gegen Eintracht Frankfurt sowie in Leipzig. Aufgaben, die sie voller Selbstvertrauen angehen können.

Photo by Oliver Hardt/Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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