Bundesliga | Bayerns Führungsproblem, Dortmunds Meisterprüfung und der Hertha-Abstieg – Die Brennpunkte des 33. Spieltags

22. Mai 2023 | Trending | BY Victor Catalina

Spotlight | Der 33. Bundesliga-Spieltag hielt gleich zwei Themen bereit: Zum einen das Titelrennen – aber auch Herthas Abstieg. Die Brennpunkte. 

1. Bayern und die Frage nach der Führung

Das Zauberwort beim FC Bayern dieser Tage lautet: Führung. Beim 1:3 gegen RB Leipzig hat man eine solche einmal mehr hergegeben. 19 verspielte Punkte nach eigener Führung werden lediglich von Werder Bremen (22) und dem FC Augsburg (23) getoppt. Außerdem verloren die Münchener, erstmals seit einem 1:2 gegen den HSV am 31. Spieltag der Saison 2006/2007, wieder ein Heimspiel trotz Pausenführung. Rafael van der Vaart und Paolo Guerrero drehten den Treffer von Claudio Pizarro.

Aber nicht nur auf, sondern vor allem abseits des Feldes hat der Rekordmeister ein Führungsproblem, vor allem in puncto Menschenführung. Dem Vorstand, vor allem Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn, gelingt es kaum, langfristig für Ruhe und Stabilität zu sorgen. Immer wieder verzettelt man sich in Nebenkriegsschauplätzen. Salihamidzic legte sich über mehrere Monate mit Hansi Flick an, unter anderem darüber, wer der perfekte Rechtsverteidiger-Backup ist.

Julian Nagelsmann soll am Thema Menschenführung gescheitert sein, obwohl ihm mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Matthijs de Ligt mehrere Führungsspieler zur Seite sprangen und das Gegenteil betonten. Nach Nagelsmanns Entlassung wurde wochenlang über den Zeitpunkt und die Art und Weise diskutiert. Als Oliver Kahn diese, vor dem 4:2 gegen Borussia Dortmund erklären sollte, reichte ein Satz von Lothar Matthäus aus, „Oliver, ich mache hier keinen Privatkrieg gegen dich, du kannst mich jederzeit anrufen“, damit Kahn das Thema von „Warum wurde Nagelsmann entlassen?“ zu „Was ist Mia San Mia?“ wechselt.

 

 

Wenn die Brandherde nicht da sind, kreiert man sie selbst. Toni Tapalovic war im Klub der engste Vertraute des langjährigen Kapitäns. Mit seinem Aus wurde die teaminterne Hierarchie mehr erschüttert, als man es zu diesem Zeitpunkt ahnte. Man hätte Michael Rechner dennoch verpflichten und Tapalovic zu Manuel Neuers persönlichem Torwarttrainer machen können.

Diese Stabilität, diese Einheit von oben nach unten, die jahrelang unter Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge vorgelebt wurde, ist momentan nicht vorhanden, was sich vom Vorstand auf die Mannschaft überträgt. Deshalb wäre es zu kurz gedacht, einzig die Spieler in die Verantwortung zu nehmen. Jede Mannschaft kann nur so gut sein, wie die Umgebung, in der sie sich befindet. Wenn von oben eine hektische Atmosphäre erzeugt wird, wenn zwei, fachlich tadellose Trainer, die beide auf ihre Art und Weise die Werte des Vereins leben, nicht adäquat ins Projekt integriert werden, kann auch innerhalb des Teams keine gesunde Hierarchie entstehen.

Der Mannschaft selbst merkt man die Verunsicherung an. Natürlich übernehmen Spieler wie Thomas Müller, Kimmich oder de Ligt Verantwortung, weil es zu ihrem Spiel, zu ihrem Naturell gehört. Hinter ihnen allerdings ist die Rangordnung kaum geklärt, sodass ein (zu) großer Teil bei jungen Spielern landet, wie Jamal Musiala oder wie Mathys Tel, die eigentlich Ruhe und die Unterstützung ihrer Mitspieler bräuchten, um sich zu entwickeln.

Bundesliga FC Bayern München RB Leipzig

Photo by Matthias Hangst/Getty Images

Dadurch wird die gesamte Mannschaft schlechter, als ihre Einzelteile. Es braucht, innerhalb des Teams, nicht den großen Umbruch mit 15 Abgängen und 17 Neuzugängen. Es braucht zwei bis drei Verstärkungen auf Top-Niveau: Einen Stürmer, der in der Lage ist, Spiele auch im Alleingang zu gewinnen und einen Sechser, einen defensiven Mittelfeldspieler, der vor der Abwehr absichert und Joshua Kimmich und/oder Leon Goretzka die Räume gibt, die sie für ihr Offensivspiel brauchen.

Die Szene vor dem 1:1 ist beispielhaft dafür. Der FC Bayern führt, in einem meisterschaftsentscheidenden Spiel, 1:0 und bekommt einen Eckball. Diesen sicherte lediglich João Cancelo ab. Natürlich war der Chip-Versuch von Kingsley Coman hanebüchen. Dabei stand er allerdings gegen drei Leipziger, genauso wie auch Jamal Musiala. Dabei muss man auch das Trainerteam in die Verantwortung nehmen, Thomas Tuchel und Co-Trainer Anthony Barry, dessen Fokus auf Standards liegen soll. Als er mit Chelsea in Dortmund zu Gast war, ließ er zu einem ähnlichen Zeitpunkt im Spiel, einen Eckball einzig von Enzo Fernández absichern, den Karim Adeyemi mit seinem Tempo locker ausspielte.

Gegen RB Leipzig fehlte dem Rekordmeister im Anschluss erneut der Punch, um nach dem Ausgleich zurückzuschlagen. Weil innerhalb der Mannschaft die Führungsverhältnisse bedingt geklärt sind und innerhalb des Klubs noch weniger.

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2. Borussia Dortmund: Meisterprüfung bestanden?

Davon profitierte am Sonntag Borussia Dortmund. Es ist nicht, als wäre der Meistertitel für sie hochverdient. Wer auch immer ihn nächste Woche gewinnt, ist nicht die geschicktere von beiden Mannschaften, sondern die weniger ungeschicktere.

Bundesliga FC Augsburg Borussia Dortmund

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Die Partie in Augsburg ließ sich über weite Teile wie das typische BVB-Auswärtsspiel an: offen. Zwar dominierten die Dortmunder. Dem FCA gelang es jedoch, vor allem nach der Pause, trotz Unterzahl, das Spiel ereignislos zu gestalten. Es brauchte einen individuellen Aussetzer Maxi Bauers, der Sébastien Haller unfreiwillig die Kugel vorlegte. Auch danach war die Partie nicht entschieden. In Minute 63 hob Niklas Dorsch den Ball fein in den Lauf des gerade erst eingewechselten Irvin Cardona, der an Gregor Kobel scheiterte. Erst sechs Minuten vor Schluss machte Haller mit seinem zweiten Treffer alles klar.

Damit startet der BVB auf der Pole Position in den finalen Spieltag. Die Verhältnisse für beide Teams sind ausgeglichen: Weder für Mainz noch den 1. FC Köln steht in dieser Saison noch etwas auf dem Spiel. Man darf gespannt sein, ob der 34. Spieltag noch eine finale Pointe bereithält.

3. Union Berlin setzt um, was Hertha BSC vorhat

Eine Entscheidung gab es an diesem Spieltag bereits: Durch das 1:1 gegen den VfL Bochum und Schalkes 2:2 gegen Eintracht Frankfurt ist Hertha BSC, erstmals seit 2012, abgestiegen. Wie bereits bei Königsblau 2021 endet der Versuch, zu schnell zum Topteam der Liga werden zu wollen in der Zweitklassigkeit. Es ist eine Entwicklung, die sich bereits in den vergangenen Jahren angedeutet hat. Spieler, die für viel Geld verpflichtet wurden, haben kaum performt. Es war lange Zeit nicht klar, für welchen Spielstil man stehen will, mit welchem Trainer. Dazu gab es Streitereien auf allen Ebenen, vor allem mit dem ehemaligen Investor Lars Windhorst.

Bundesliga Hertha BSC VfL Bochum

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Es ist die genau entgegengesetzte Entwicklung zu Union Berlin, die sich in ihrer vierten Bundesligasaison erstmals für die Champions League qualifizieren könnten. Von Beginn an wurde an der alten Försterei ruhig, bedacht und mit klarem Plan gearbeitet. Auch wenn es zwischenzeitlich schlechter lief, stand Urs Fischer nie auch nur ansatzweise zur Disposition. Dadurch hat man sich stückweise gesteigert und ist inzwischen ein Topteam der Bundesliga.

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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