Bundesliga | Spannung in der Liga, Leipzig in der Zwickmühle, Bremen obenauf – Die Brennpunkte des Spieltags
5. September 2022 | Spotlight | BY Victor Catalina
Spotlight | Fünf Bundesliga-Spieltage sind inzwischen durch. Zeit, um auf die Brennpunkte des Wochenende zu schauen.
1. Neue Spannung in der Bundesliga?
Noch vor Wochenfrist schien es, als würde der FC Bayern sich wieder früh einen komfortablen Vorsprung an der Tabellenspitze erarbeiten. Es brauchte eine nahezu übermenschliche Torhüterleistung Yann Sommers, um Gladbach den Punkt in München zu retten. Am 5. Spieltag ergibt sich jedoch ein anderes Bild: Der SC Freiburg führt aufgrund des 3:2-Sieges in Leverkusen die Tabelle an – zum zweiten Mal in seiner Bundesligahistorie, nach dem 1. Spieltag 2000/01, gefolgt von Borussia Dortmund. Der Rekordmeister reiht sich vorerst auf Platz 3 ein.
Vergangenen Samstag war das erste Mal in dieser Saison, dass die Münchener nicht nur an der Chancenverwertung scheiterten, sondern selbst beim Kreieren selbiger Probleme hatten. Sechs Schüsse gaben sie auf das Tor von Frederik Rønnow ab. Gegen Gladbach waren es noch deren 20. Trotz lediglich 25 Prozent Ballbesitz ist es schwer zu verargumentieren, der Punkt für Union sei unverdient. Wer behauptet, ein Spiel auf Augenhöhe gesehen zu haben, hat damit auch nicht Unrecht. Die Mannschaft von Urs Fischer spielte extrem kompakt und rückte auch in der Offensivbewegung konsequent mit dem gesamten Block nach vorne, sodass die Münchener kaum dazu kamen, sich mit ihrem Tempo in den Rücken der Abwehr zu kombinieren.
Natürlich war das auch zum Teil selbstverschuldet, weil sie es – wie in der ersten Hälfte gegen Borussia Mönchengladbach – an der Präzision im letzten Drittel mangeln ließen. Union hatte allerdings auch seinen Anteil daran, mit Morten Thorsby, Rani Khedira sowie András Schäfer das Mittelfeld extrem eng gemacht und so Bayerns Angreifer bei ihren Tiefenläufen weitestgehend vom Netz genommen zu haben. Auch die Leistung der defensiven Außen, Christopher Trimmel und Julian Ryerson gegen Kingsley Coman, Leroy Sané sowie Alphonso Davies muss explizit herausgehoben werden.
Davon profitieren die Dortmunder, die sich mit dem 1:0-Sieg gegen Hoffenheim, dem dritten aus den ersten fünf Partien, vor die Münchener schieben. Es war von Beginn an klar, dass es für Edin Terzic in seiner zweiten Amtszeit, ohne Erling Haaland und Jadon Sancho, wesentlich schwieriger wird, die Offensive zu strukturieren. Für die meisten Gegner in der Bundesliga wird dieser minimalistische Spielstil reichen. Dennoch wird sich gerade in den nächsten Wochen zeigen, wie stabil die Borussia wirklich ist. Kopenhagen (H) zum Champions-League-Start ist ein must-win. Danach allerdings warten RB Leipzig (A), Manchester City (A), Schalke 04 (H), der 1. FC Köln (A), der Sevilla FC (A), der FC Bayern (H), erneut Sevilla (H) sowie Union Berlin (A). Viele Gegner, auch schwere bis sehr schwere Gegner in kurzer Abfolge hintereinander. All diese Partien minimalistisch anzugehen, wird nicht funktionieren, selbst wenn die Defensive einen stabileren Eindruck macht.
Fürs Erste ist die Bundesliga-Tabelle eine – aus neutraler Sicht – schöne Momentaufnahme. In den kommenden Wochen wird man sehen, wie viele weitere Gegner den FC Bayern noch herausfordern können und inwiefern Dortmund sein Tempo halten kann.
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2. Quo vadis RB? – Leipzig nach Debakel in Frankfurt in der Zwickmühle
Kaum ins Tempo kommt bislang RB Leipzig – nicht auf dem Platz und noch weniger in der Tabelle. Ein Sieg, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen stehen nach fünf Partien auf der Habenseite. Macht unterm Strich Platz 11. Mittlerweile kommt es vor, als hätte jemand die CD der Vorsaison in die Hülle mit der Aufschrift „Bundesliga 2022/23“ gepackt. Damals stand man mit einem Sieg, einem Remis sowie drei Niederlagen auf Platz 12.
Auch die Auftritte an sich haben eine gewisse Ähnlichkeit: Platz für die Gegner im Mittelfeld, kaum Durchschlagskraft nach vorne und bisweilen eine Anfälligkeit für das Pressing, das sie normalerweise selbst auszeichnet. All diese Schwächen legte bereits Union Berlin vor zwei Wochen offen, Eintracht Frankfurt nutzte sie genüsslich aus. Besonders Randal Kolo Muani, respektive seine Spielübersicht bekamen die Leipziger zu keinem Zeitpunkt in den Griff. Selbiges gilt auch für Mario Götze und Daichi Kamada. So geht das 0:4 auch in dieser Höhe absolut in Ordnung und Leipzig muss sich mal wieder fragen, wo es in den nächsten Wochen hingehen soll.
Sechs Zähler beträgt ihr Rückstand auf das viertplatzierte Union momentan. Das ist aus RB-Sicht noch nichts, was sich nicht mit der fraglos vorhandenen individuellen Qualität in Tateinheit mit einer Siegesserie beheben lässt. Viel mehr sollte allerdings nicht dazukommen, da gerade Vereine wie Union oder Freiburg diese Saison eine noch höhere Konstanz aufzuweisen scheinen, als in den Vorjahren.
In solchen Situationen kommt man natürlich nicht umhin, auch den Trainer infrage zu stellen. Wie auf Schalke zu sehen war, hat Domenico Tedesco tatsächlich ein Stück weit ein Second Season Syndrome. 2017/18 führte er Königsblau überraschend zur Vizemeisterschaft und in die Champions League. Ein Jahr später fand sich der Verein im unteren Tabellendrittel wieder und Huub Stevens musste retten.
Aber auch der Verein muss in diesem Fall in die Pflicht genommen werden. Die Neuzugänge lesen sich nicht schlecht, sehr gut sogar und es ist lobenswert, dass man Christopher Nkunku sowie Konrad Laimer halten konnte. Allerdings hat man nicht das Gefühl, dass jene Neuzugänge bislang den Unterschied fürs Kollektiv machen. David Raum wirkt außer Form, Timo Werner traf in der Bundesliga bislang lediglich gegen den 1. FC Köln und strahlte auch in Frankfurt kaum Gefahr aus. Xaver Schlager spielt noch überhaupt keine Rolle, obwohl er dem Mittelfeld genau jene Stabilität geben könnte, die am Samstag gebraucht wurde. Es fehlt das Bindeglied, zwischen Mannschaft, Trainer und Vereinsspitze: Ein Sportdirektor/Sportvorstand.
Laut Sky-Informationen ist der Deal mit Max Eberl so gut wie durch. Aber auch das birgt noch ein gewisses Stolperpotential, da Eberl laut dem Bericht erst zum 1. Dezember einsteigen soll. Wartet man so lange und verschlimmbessert gegebenenfalls die Lage oder zieht man bereits jetzt Konsequenzen, welcher Art auch immer, bevor der Rückstand auf die Champions-League-Plätze zu groß wird? RB steckt in der Zwickmühle und viel Zeit, um sich zu befreien, haben sie nicht.
3. Bremens großer Schritt in Bochum
Drei Punkte vor RB Leipzig steht Werder Bremen. Acht Zähler nach fünf Spieltagen sind eine mehr als solide Ausbeute für einen Aufsteiger. Lediglich Eintracht Frankfurt (3:4) musste man sich bislang geschlagen geben. Wirklich chancenlos war man aber in keiner der fünf Partien. Ganz im Gegenteil: Wenn der Gegner zum Spektakel einlud, ließ man sich dankend darauf ein und bewies selbst erstaunliche Durchschlagskraft – auch von der Bank. Zwei Tore in Wolfsburg, zwei gegen Stuttgart, drei in Dortmund und drei gegen Eintracht Frankfurt. Dazu hat man sich mit den eigenen Last-Minute-Fähigkeiten eine Identität innerhalb der Liga erarbeitet.
In Bochum kam die mit dem Doppelpack von Niclas Füllkrug (86′, 90’+2) wieder einmal zum Tragen. Es zeigt aber auch, dass Bremen die Pflichtsiege für den Klassenerhalt beherrscht. Enge Spiele unspektakulär gewinnen, die Punkte holen, gerade, wenn es erwartet wird. Der Sieg in Dortmund hat die Mannschaft darin bestärkt, dass sie in der Bundesliga konkurrenzfähig sind, auch gegen die großen Teams. Dieser Erfolg in einer umkämpften Partie gegen einen direkten Konkurrenten und wider der bislang gezeigten, spektakulären Natur ist für die Stabilität der Gruppe sogar noch ein Stück wichtiger. Kommendes Wochenende können sie nachlegen, im Heimspiel gegen den FC Augsburg.
Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images
Victor Catalina
Victor Catalina
Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.