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Der FC Bayern und die offenen Fragen vor dem Pokalspiel in Berlin

5. Februar 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Es war Ende September, als der FC Bayern in dieser Saison in Berlin spielte, nach dem 1. Patzer der Hinrunde. Man verlor mit 0:2 und offenbarte in dieser Phase der Saison erstmals größere Probleme. Morgen spielt der Rekordmeister wieder in Berlin – und wieder hat man kurz vorher erstmals gepatzt.

Es treten Probleme auf – Parallelen zur Hinrunde

Schon über weite Strecken der Hinrunde erweckte der FC Bayern in der Bundesliga nicht mehr den starken Eindruck, den man in den Spielzeiten zuvor hinterließ. Phasenweise wirkte der Rekordmeister nur noch wie eine gute Bundesligamannschaft, die einen Gegner zwar auch einmal vermöbeln kann, in der Regel aber verwundbar ist. Und der FC Bayern wirkte wie eine Mannschaft, gegen die sich ein mutiges Auftreten lohnt, gegen die Konterangriffe, die mit voller Überzeugung gespielt werden, einen entsprechenden Ertrag mit sich bringen können.

Mannschaften wie Augsburg, Hertha, Gladbach, Dortmund, oder aber auch Düsseldorf und Freiburg legten den Finger in die Wunde. Der FC Bayern war zu selten souverän, fand zu selten Lösungen, entwickelte sich nicht signifikant weiter, sodass Niko Kovac zwischenzeitlich ernsthaft diskutiert wurde, sich aber mit einer Siegesserie rettete. Im Winter sollten dann die Weichen für die Aufholjagd gestellt werden. Die Mannschaft sollte wieder auf Trab gebracht werden, es mussten vor allem positive Veränderungen im taktischen, fußballerischen Bereich her. Der Auftakt in die Rückrunde in Hoffenheim war in einigen Phasen vielversprechend, doch danach offenbarte man erneut Schwächen, erneut fehlten Lösungen, erneut war man verwundbar. Die Parallelen zur Hinrunde sind nicht von der Hand zu weisen. Und beim FCB muss man sich einige Fragen stellen.


(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Eine Frage, die leicht zu beantworten ist, ist die nach dem Umgang mit Manuel Neuer. Zur Erinnerung: Laut einem Bericht der „Bild“ laboriert Neuer an einer Verletzung am Daumen, das Seitenband soll verletzt, aber nicht gerissen sein. Eine Schiene könnte Neuer stabilisieren, aber auch etwas behindern, torwartspezifisches Training war am Sonntag und Montag nicht möglich. Reißt dieses Band, muss Neuer wohl rund 3 Monate pausieren, ein Risiko, dass, sofern es größer als ausgeschlossen ist, niemals eingegangen werden darf. Schon gar nicht wegen eines Pokalspiels in Berlin. Doch es drängen sich noch weitere Fragen auf.

Wie bekommt man die Defensivprobleme in den Griff?

Der FC Bayern ist in dieser Saison defensiv anfällig, spielt selten zu null. Lediglich in 6 Spielen konnte man die „Weiße Weste“ bewahren – viel zu wenig für den Rekordmeister. Und zumindest defensiv war man der Meinung, dass Niko Kovac einiges bewegen kann. Doch die Realität ist eine andere. Der FC Bayern ist anfällig bei Kontern, zeigte das auch in der Rückrunde wieder mehrfach. Fehler, die zum Ende der Hinrunde sukzessive abgestellt wurden, häuften sich wieder.

Individuelle Fehler ziehen sich ohnehin durch die Saison, aber auffällig ist auch, dass der Rekordmeister extrem anfällig ist, wenn der Gegner ein aggressives Offensivpressing an den Tag legt. Die Pressingresistenz gehörte nicht nur, aber vor allem auch in den Guardiola-Jahren zu den Stärken des FC Bayern. Dieser Tage schwinden die Ballbesitzwerte, gegen Leverkusen im letzten Spiel waren diese fast ausgeglichen.


 (Photo by Patrik STOLLARZ / AFP) 

Der FC Bayern hat also ein Defensivproblem, das mehrere Ursachen hat. Die Automatismen greifen nicht gut, die Pressingresistenz ist nicht mehr in dem Maße vorhanden, der weniger gewordene Ballbesitz sorgt dafür, dass es weniger Entlastung im Spiel gibt. Es stehen noch immer die Spieler auf dem Feld, die in der Lage sind einen dominanten Ballbesitzfußball zu spielen. Doch diesen sieht man zu selten, der Weg dorthin ist mittlerweile sehr weit.

Wie verhindert man die Abhängigkeit von einigen Schlüsselspielern?

Ein weiterer Faktor, der auffällt, ist die Abhängigkeit von einzelnen Schlüsselspielern im Kader des FC Bayern. Fehlen Kingsley Coman oder Serge Gnabry geht der Offensive das Element der Explosivität teilweise oder ganz verloren, fehlt Thiago im Mittelfeld verliert man noch mehr an Ballsicherheit, an genialen Momenten und an entsprechenden Ballgewinnen im Gegenpressing, das Thiago in den letzten Jahren noch einmal verbessern konnte. Und fehlt Robert Lewandowski, dann liegt das Offensivspiel häufig brach, denn der Pole, auch wenn er in der Liga nur eine sehr gute, aber nicht alles überragende Torausbeute an den Tag legt, ist ein unverzichtbares Element, trug das Offensivspiel teilweise alleine, vor allem als andere, eben genannte Spieler auch ausfielen.

Die Mannschaft ist nicht in der Lage das Fehlen eines dieser Schlüsselspieler entsprechend zu kompensieren. Gerade Thiago ist vor allem gegen Mannschaften, die sehr defensiv agieren, sehr wichtig, da er über die entsprechenden Fähigkeiten im Aufbau aus der Tiefe verfügt, die gegnerischen Defensivreihen mit präzisen Pässen vor Probleme stellen kann. Die Alternative, Javi Martinez, besitzt eher Stärken in der der Defensive, ist gegen solche Gegner eher verloren.

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Einen zweiten, solch genialen Aufbauspieler aus der Tiefe hat man nicht, eine Mittelfeldformation, die den Thiago-Ausfall nahezu ideal kaschieren kann, hat man auch nicht und wenn Lewandowski ausfällt, hat man ohnehin ein großes Problem. Das ist einerseits ein wenig der Kaderplanung zuzuschreiben, andererseits aber auch dem fehlenden fußballerischen Fortschritt. Denn eine homogene Mannschaft mit einer guten Ausrichtung und einem klaren Plan, die vor Selbstvertrauen strotzt und stabil ist, kann auch die Ausfälle von Schlüsselspielern besser verkraften.

Wo bleibt die Flexibilität, der Plan B?

Ein weiterer, entscheidender Punkt, der nicht nur ausschlaggebend für die weiteren Resultate in dieser Saison sein wird, sondern auch für die Zukunft von Trainer Kovac, ist die Flexibilität im Spiel des FC Bayern. Und diese ist bisher noch nicht wirklich vorhanden. Funktioniert der Plan A, den sich Kovac für ein Spiel ausdenkt, ist meistens erst einmal alles in Ordnung beim Rekordmeister. Doch es entstehen Probleme, vor allem durch die Gegner, die reagieren können.

Einerseits geht der Plan A ohnehin schon nicht immer auf, andererseits versäumte es Niko Kovac bisher häufig auf Anpassungen des Gegners zu reagieren. In Hoffenheim setzte die TSG in der 2. Halbzeit auf einen zusätzlichen Mittelfeldspieler, hatte deutlich mehr Zugriff, aber der FC Bayern reagierte überhaupt nicht, ein offener Schlagabtausch entwickelte sich. Auch die Umstellung von Bayer 04 Leverkusen, die aufgrund der Verletzung von Kai Havertz erfolgte und das Mittelfeldzentrum durch Baumgartlinger stabilisierte, wirkte sich negativ auf das Spiel des FC Bayern aus, eine zeitnahe Reaktion erfolgte ebenfalls nicht.

Wenn das gewünschte Spielsystem schon Schwächen aufweist, dann ist es die Aufgabe des Trainers für entsprechende Alternativen zu sorgen, die Mannschaft so flexibel wie es geht auf die möglichen Umstellungen des Gegners, dadurch entstehende, neue Szenarien einzustellen. Auch das fehlt im Saisonverlauf. Der FC Bayern erweckt nicht nur den Eindruck, dass er nur noch eine sehr gute, aber nicht unverwundbare Mannschaft ist, er ist es mittlerweile auch. Und das kann – nicht nur im Spiel gegen Hertha BSC, sondern im gesamten Verlauf der Rückrunde – zu einem großen Problem werden. Vor allem dann, wenn Schlüsselspieler fehlen.

 (Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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