Nachspielzeit: Ist der FC Liverpool reif für den Titel?

7. November 2016 | News | BY Chris McCarthy

Die Reds-Maschine rollt! Nach dem 6-1 über Watford am vergangenen Wochenende fragen sich viele: kann Liverpool unter Jürgen Klopp den Titel holen?

Tore en masse

Der FC Liverpool sorgt für Furore! Am Sonntag deklassierte die Elf von Jürgen Klopp den FC Watford, immerhin Achter der Premier League, mit 6:1. Nicht der erste Kantersieg in dieser Saison, denn keine Offensive hat bereits so viele Treffer erzielt wie die der Reds:

4:1 gegen Leicester, 5:1 gegen Hull…30 Saisontore stehen bereits auf dem Konto. Der Liverpool-Express rollt und nimmt hochgerechnet Kurs auf eine 100-Tore-Saison. Das erinnert natürlich an das Offensivfeuerwerk 2013/2014.

 

Déjà-vu

Damals spielten sich Gerrard, Sturridge, Suarez, Sterling und Co. in einen Rausch, scheiterten trotz Rekordoffensive letztendlich knapp an Manchester City. Das Problem damals? Die Defensive!

101 Saisontore genügten nicht zum Titel, nicht unbedingt weil die Citizens sogar einen Treffer mehr erzielten, sondern weil die Abwehr ganze 50 Tore kassierte – 13 mehr als der Meister aus Manchester und die meisten der unter den Top-5.

Auch dieses Jahr liegt das Problem in der Abwehr. Der Defensivverbund wirkt auch mit Loris Karius alles andere als Sattelfest. Individuelle Fehler, Abstimmungsprobleme  und Stellungsfehler sind an der Tagesordnung. So lud man bereits öfter erschreckend schwache Gegner zu Toren ein und machte dadurch beispielsweise das 4:2 bei Crystal Palace unnötig spannend.

14 Gegentore hat Liverpool nach elf Spieltagen kassiert – das sind wieder die meisten der Top-6. Wenn der Trend anhält und Klopp das immer älter werdende Problemkind der jüngsten Jahre nicht in den Griff bekommt, dann stünden am Saisonende wieder knapp 50 Gegentore zu Buche – zu viel für einen Meister.

(Photo by Lachlan Cunningham/Getty Images)


Unterschiede

Es gibt nicht nur Parallelen zu 2013/2014

Für das neue Liverpool spricht insbesondere eine Statistik: Nach elf Spieltagen haben die Roten bereits 10 verschiedene Torschützen vorzuweisen – vor drei Jahren waren es zum selben Zeitpunkt gerade einmal 5! Alleine Daniel Sturridge und Luis Suarez waren damals mit 53 Treffern und 30 Assists an gut 80% aller Tore beteiligt.

Liverpool ist diese Saison also schwerer auszurechnen und verlässt sich nicht nur auf ein oder zwei Spieler der so potenten Offensive. Trotzdem:

 

Defense wins Championships

Zwar sollte die Tordifferenz von ca. +50 für Liverpool in der Regel genügen, doch man sollte und darf sich auch nicht darauf verlassen, dass die Offensive in jedem Spiel regelmäßig mindestens zwei/drei Treffer erzielt. Daher ist eine konstante Defensive der Schlüssel zum Erfolg. Denn was bringt ein 6:1 Kantersieg, wenn das nächste Spiel 3:2 verloren geht?

Es ist kein Zufall, dass kein Meister der letzten 15 Jahre mehr als 43 Gegentore hinnehmen musste.

Natürlich sollte man nicht außer Acht lassen, wie gut die Offensiven der jeweiligen Konkurrenten waren, sprich, wie viele Tore in den jeweiligen Spielzeiten insgesamt erzielt wurden.

Wir haben daher mal nachgerechnet, wie viel Prozent aller Tore innerhalb einer Saison der Meister prozentual kassiert hat.

Fazit:  Kein Meister hat in den letzten 15 Jahren mehr als 4% aller geschossenen Tore kassiert. Liverpool ist aktuell bei 4,6%.

Wie auch die Geschichte zeigt: „Defense wins Championships“

 

90PLUS

Der FC Liverpool hat unter Jürgen Klopp durchaus Fortschritte gemacht. Es macht einfach Spaß der entfesselten Offensive zuzuschauen.

Der Kader ist vielleicht nicht so breit besetzt wie bei den anderen Meisterschaftskonkurrenten, doch die Reds haben diese Saison auch nicht die zusätzliche Belastung eines europäischen Wettbewerbs.

 

Auch in der Defensive hat sich anscheinend etwas getan, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: 8,1 Schüsse pro Spiel lässt der Traditionsverein pro Spiel zu – immerhin der beste Wert in der Premier League!

Gleichzeitig unterliefen den Reds aber auch bisher die zweitmeisten individuellen Fehler und die zweitmeisten, aus denen ein Gegentor resultierte.

Allem Hype zum Trotz, es fehlt der Mannschaft von „Kloppo“ insgesamt sichtlich an defensiver Struktur und defensiver, individueller Klasse.

Man schwimmt wie 2013/2014 aktuell auf einer Euphoriewelle und kaschiert durch eine vor Selbstbewusstsein strotzenden Offensive die Mängel einer (für den Titel) noch inkompletten Mannschaft.

Unserer Meinung nach wird es daher letztendlich nicht zur Meisterschaft langen, sondern am Ende eher zu einem Champions League Platz und das wäre in Anbetracht aller Umstände eine durchaus gute Saison und ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Wie wir schon kurz vor der Entlassung von Brendan Rodgers sagten:

Wollte man nach der Vizemeisterschaft den Prozess beschleunigen und einige erforderliche Kapitel bei der Entwicklung zu einem Top-Team überspringen? Wollte man, anstatt eine Mannschaft reifen zu lassen, zu früh bei allen Wettbewerben eine bedeutende Rolle spielen? Dieses Gefühl bringt Rodgers nicht nur in eine extrem ungünstige Lage, es schafft auch einen ungeheuren Druck auf den gesamten Club!

 

Der Verein muss seine Erwartungen drosseln, einen natürlichen Entwicklungsprozess zulassen und seinem erarbeiteten Konzept vertrauen. Dabei darf man sich auch nicht von zwischenzeitlichen Hochs oder Tiefs und den Wechseldrohungen eines Suarez & Sterling beirren lassen.

Aktuell befindet man sich auf so einem Hoch, doch das wird unserer Meinung nach aufgrund der Defensive nicht anhalten. Jürgen Klopp hat einen Plan, doch den kann er nicht innerhalb eines Jahres vollständig in die Tat umsetzen. Was sich hier vielleicht negativ anhört, ist positiv gemeint: Der FC Liverpool befindet sich auf einem guten Weg und sollte nicht innerhalb eines Jahres Wunderdinge erwarten. Ein Jahr genügt eben nicht um eine kaputte Defensive zu reparieren. „Tore en masse“ genügen dabei nicht…

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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