Meisterkater: Interner Gegenwind für Ranieri wird stärker

5. Februar 2017 | News | BY Marius Merck

Leicester City hat mit seinem Meistertitel in der Saison 2015/2016 für ein absolutes Fußballmärchen gesorgt. Nach guten Feiern folgt oftmals ein herber Kater. So fühlt sich die aktuelle Saison an: 23 Spiele, 21 Punkte, Platz 16. Trainer Claudio Ranieri ist mittlerweile auch intern nicht mehr unumstritten.

(Photo CHRISTOPHE ARCHAMBAULT/AFP/Getty Images)

Wie der „Guardian“ erfahren haben will, wird die interne Unzufriedenheit bei den Spielern und bei dem Betreuerstab über das Krisenmanagement des italienischen Übungsleiters größer. Im Mittelpunkt dieser Kritik stehen vor allem die taktische Ausrichtung sowie die Auswahl der Mannschaft. Ranieri hat in der laufenden Saison mit verschiedenen Formationen versucht, das Selbstbewusstsein der Spieler wieder zu wecken. Das Resultat dieser Maßnahmen war meistens jedoch eine vollkommene Orientierungslosigkeit auf dem Platz.

 

Unfeuerbar?

Der Meister hat seine letzten drei Spiele verloren und ist im Jahr 2017 noch ohne eigenen Treffer in der Liga. Der Italiener liegt bei den Buchmachern auf der Insel mittlerweile auf Platz 2 hinsichtlich der nächsten Trainer-Entlassung im englischen Oberhaus. Ranieri selbst ist nicht mehr zu hundert Prozent von seinem Verbleib überzeugt: „Alles ist möglich.“ Ein gewaltiger Abstieg für einen Coach, der vor gerade einmal einem halben Jahr noch als „unfeuerbar“ galt.

 

Maulwurf-Probleme

Die mannschaftliche Geschlossenheit, welche die „Foxes“ im vergangenen Jahr zur besten Mannschaft in der Premier League gemacht hat, scheint in dieser Saison abhanden gekommen zu sein. Nach dem Bericht ist dies nicht nur aufgrund der schlechten Resultate so. Nach einem Spiel wurde dem Team im Anschluss mitgeteilt, dass der Gegner vor der Partie über Ego-Probleme und schlechtes Verhalten in der Meistertruppe informiert worden sei. Das Team war deswegen völlig aufgebracht, der Verdacht über einen „Maulwurf“ in der Mannschaft kam auf. Wenn sich die Presse auf ein solches Phänomen stürzen kann, erscheint es nahe liegend, dass es um die Stimmung in der Kabine schlecht steht – oder anders formuliert: No smoke without fire.

 

Planlose wirkende Taktik

Die Auswahl der Taktik trug auch nicht zur Besserung der Situation bei. Vor dem Auswärtsspiel in der Champions League beim FC Kopenhagen wurde wählte Ranieri beispielsweise eine 3-4-3 Formation und teilte dies erst weniger als zwei Stunden vor dem Anpfiff mit. Bei der 3:0 Heimniederlage des Titelträgers gegen Chelsea war es offensichtlich, dass einige Spieler auf dem Platz nicht wussten, was sie tun hatten. Nur eine Woche später verloren die „Foxes“ erneut mit 3:0, dieses mal mit einer Raute im 4-4-2 beim FC Southampton. Nach Ansicht vieler Spieler wird die taktische Ausrichtung mittlerweile zu sehr an den Gegner angepasst, als auf die eigenen Stärken zu setzen, wie es gerade im Meisterjahr der Fall war.

 

Leistungsträger in der Formkrise

(Photo by PAUL ELLIS/AFP/Getty Images)

Dabei sind viele Leistungsträger selbst in einer Formkrise: Riyad Mahrez lässt momentan kaum erkennen, weswegen er zum besten Spieler der vergangenen Runde gekürt wurde. Torjäger Jamie Vardy war in der laufenden Saison lediglich fünf Mal erfolgreich. Danny Drinkwater wirkt ohne seinen kongenialen Partner N´Golo Kanté nicht mehr wie die Reinkarnation eines Paul Scholes in seinen Mittzwanzigern. Die Abwehr um Robert Huth hat bereits jetzt mehr Gegentore als im Meisterjahr kassiert.

 

Erster Meister-Absteiger seit 1938?

Allesamt stellen Probleme dar, die Ranieri – jetzt – lösen muss. Dabei genügt es nicht an Nibelungentreue zu appellieren, wie es der Meistertrainer aktuell macht, wenn es um eine mögliche Demission geht:

„Zu meiner Philosophie gehört es nicht darüber nachzudenken. Wenn meine Gedanken dahingehend abschweifen, dann erinnere ich mich an das Gespräch Vize-Vorstand Aiyawatt Srivaddhanaprabha bei meiner Einstellung. Er fragte, ob ich auch bei einem Abstieg bleiben werde. Diese Frage habe ich bereits damals bejaht, warum sollte ich nun anders denken?“

Die unangenehme Wahrheit sieht dennoch folgendermaßen aus: Ein Punkt Abstand zu einem Abstiegsplatz. Leicester könnte als erster Meister in England seit Manchester City im Jahr 1938 absteigen und würde damit quasi die Mutter aller „One-Hit-Wonder“ werden. Ein Schritt gegen diesen Trend kann am heutigen Sonntag um 17:00 im Heimspiel gegen Manchester United gemacht werden.

 

 

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


Ähnliche Artikel