Stimmung? Eher so mittel: HSV und Werder vor dem Nordderby

26. September 2017 | News | BY Manuel Behlert

Obwohl Markus Gisdol und Alexander Nouri Trainer zweier rivalisierender Vereine sind, haben sie doch einiges gemeinsam. Gisdol erreichte mit dem Hamburger SV den Klassenerhalt, Nouri mit einer zwischenzeitlich beeindruckenden Serie sogar Platz 8. Beide erreichten die Ziele in der vergangenen Saison und beide wollten in dieser Saison zumindest weitgehend sorgenfrei auf die Tabelle schauen. Nach 6 Spieltagen kann das keiner der beiden. 

Die Saisonvorbereitung wurde von beiden Klubs sehr ernst genommen. Fehler aus der Vergangenheit sollten vermieden, gute Neuzugänge eingekauft werden. Nach 6 Spieltagen kann man das Ergebnis der Transferperiode noch nicht endgültig beurteilen, der HSV musste aber schon mit dem ablösefreien Salihovic nachlegen, Bremen hat ebenfalls mit Problemen zu kämpfen.

Hamburg: Von Glückseligkeit zur Enttäuschung

Die Saison des Hamburger SV begann, nach dem Pokalaus in Osnabrück, mit einem Heimspiel gegen den FC Augsburg. Der HSV wusste, dass man dieses Spiel gewinnen muss, damit nicht bereits nach 2 Pflichtspielen eine Missstimmung in der Hansestadt herrscht. Ein solcher Druck vor dem 1. Spieltag kann eine Mannschaft lähmen. Das Spiel war gewiss nicht herausragend, aber der HSV erfüllte seine Pflicht und gewann mit 1:0, konnte entspannter nach Köln fahren. Dort wurde es noch besser! Hamburg spielte diszipliniert und gewann mit 3:1, 6 Punkte zum Auftakt waren eine hervorragende Bilanz, die man ausbauen wollte.

(Photo by Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)

Seitdem verlor der Hamburger SV viermal in Folge, erzielte dabei keinen einzigen Treffer. Nicolai Müller verletzte sich beim Jubeln, auch Filip Kostic fällt aus, wurde aber bereits wieder für die Nationalmannschaft nominiert, was auf Unmut stieß. Aaron Hunt und Albin Ekdal haben zudem mit Blessuren zu kämpfen und Sejad Salihovic, den man aus der Vereinslosigkeit befreite, ist mit seiner Erfahrung zwar eine nette Ergänzung, aber kein Spieler, der das Offensivspiel maßgeblich antreiben kann. Hamburg steht auf Platz 15, nach dem Nordderby geht es nach Mainz zu einem Schlüsselspiel, dann kommt der FC Bayern. Einfacher wird es wohl erstmal nicht.

Bremen: Gute Ansätze, aber…

Bremen gewann im Gegensatz zum Hamburger SV das Pokalspiel und konnte sich in Würzburg mit 3:0 durchsetzen. Dass das Programm zum Saisonauftakt mit Hoffenheim und Bayern nicht gerade ideal für Werder ist, war vor der Saison bereits klar. In Hoffenheim konnte Bremen gut mithalten, zeigte, dass die eigenen Ambitionen durchaus auch auf dem Platz untermauert werden können. Am Ende verlor man mit 1:0, auch wenn man einen Punkt durchaus hätte erreichen können. Gegen den FC Bayern spielte man auch ganz ordentlich, war aber zu inkonsequent in den eigenen Kontern, unterlag am Ende mit 0:2.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Die Spiele, in denen man punkten musste, kamen danach. In Berlin zeigte sich Werder nicht wirklich geschockt vom Saisonauftakt, holte beim 1:1 einen Punkt und war insgesamt zufrieden mit dem Schritt nach vorne. Ärgerlich war die Heimpleite gegen Schalke, als man erneut gute Ansätze zeigte. Das 1:2 und vor allem die Verletzung von Max Kruse sorgten für eine etwas angespannteres Stimmung. Es folgte ein 1:1 in Wolfsburg, daraufhin spielte man 0:0 zuhause gegen Freiburg. Im Gefühl überhaupt nicht so viel falsch gemacht zu haben steht man auf Platz 17 und genau das macht die Situation so gefährlich. Die nächsten Gegner nach dem Nordderby heißen Köln und Augsburg. Punkte müssen her!

Hamburgs Hoffen auf 2 Spieler

Der Kader des Hamburger SV ist relativ klein, die Verletzungen wurden angesprochen. Zusätzlich fehlen weiterhin van Drongelen und auch Schipplock ist mit einem Hexenschuss außerordentlich fraglich. Markus Gisdol, der in Leverkusen nicht viele Optionen hatte und sogar den jungen Tatsuya Ito bringen musste, hofft auf die Rückkehr von Albin Ekdal und Aaron Hunt. Beide Spieler könnten für das Heimspiel gegen Bremen zur Verfügung stehen und zumindest dafür sorgen, dass etwas mehr Klasse auf der Bank sitzt.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Ein fitter Ekdal könnte im Mittelfeld für etwas mehr Struktur sorgen, Hunt wäre gegen seinen Ex-Klub vor allem eine Option von der Bank, um frischen Wind zu bringen. Das gelang zuletzt bei den Einwechslungen von Waldschmidt und Jatta nicht. Beide versuchten viel, konstruktives sprang aber nur selten dabei heraus. Das Problem ist in der Tat, dass noch kein Spieler des HSV mehr als ein Tor erzielt hat in dieser Saison. Offensiv muss sich Gisdol etwas einfallen lassen.

Chance für Johannes Eggestein?

Johannes Eggestein vom SV Werder Bremen gilt als riesengroßes Talent im Sturm, sein Bruder überzeugt derweil mitunter bereits im Mittelfeld. Bisher spielte der Angreifer aber nur wenige Minuten im Spiel gegen den FC Bayern, das zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden war. Frank Baumann bestätigte unter der Woche, dass Eggestein seine Chance bekommen hat, nachdem dieser enttäuscht war, dass er gegen Freiburg nicht die Gelegenheit hatte, frischen Wind in die Offensive zu bringen.

Und dieser wäre dringend nötig. Die Kruse-Verletzung schwächt Werder, auch Junuzovic steht nicht zur Verfügung, es fehlen Impulse und es fehlt etwas Unbekümmertheit. Neuzugang Belfodil spielte bisher glücklos, Bartels ist eher ein Spieler, der um einen Stürmer herum agiert. Nouri ist bekannt dafür, jungen Spielern auch das nötige Vertrauen auszusprechen. Und Eggestein ist ein junger, zugleich noch hochtalentierter Spieler, den man auch in einem solchen Spiel durchaus von Beginn an bringen könnte. Frei nach dem Motto: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

Wem gelingt der Befreiungsschlag?

Auffällig ist, dass bei beiden Mannschaften der Schuh eher in der Offensive drückt. Beide Trainer sind gefragt und müssen Lösungen finden. Gisdol hofft, wie erwähnt, auf die Rückkehrer, kann im Offensivbereich ohnehin nicht viel personell verändern. Ihm wird es darauf ankommen, die zuletzt etwas löchrige Abwehr zu stabilisieren, viel läuferischen Einsatz zu zeigen und zu versuchen, dass die 0 steht. Werder hingegen hat die Möglichkeiten, Dinge zu verändern und Nouri wird dies sicherlich innerhalb der Woche in Erwägung ziehen.

Auch für die langfristige Gemütslage wäre ein Befreiungsschlag wichtig. Einerseits bringt ein Sieg im Nordderby immer gute Stimmung in eine Mannschaft und gleichzeitig in das Umfeld, außerdem steht nach dem Spiel die Länderspielpause an und der Eindruck dieses Spiels setzt sich erst einmal fest. Die ganze Herangehensweise in den Einheiten der kommenden 2 Wochen hängt von diesem Duell ab. Das wissen beide Mannschaften, daher ist ein wahrscheinlich fußballerisch nicht gerade hochklassiges, aber elektrisierendes Spiel zu erwarten, das sich durch viele Zweikämpfe und Emotionalität auszeichnet. Es bleibt abzuwarten, wer die Chance nutzt und sich Freiraum verschafft.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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