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Bundesliga | SC Freiburg: Das Risiko der Traumsaison

4. Mai 2022 | Spotlight | BY Victor Catalina

Spotlight | Der SC Freiburg steht davor, seine Traumsaison zu vollenden. National hat man die Qualifikation zur Champions League in der eigenen Hand. Dazu kommt der mögliche Erfolg im DFB-Pokal. Allerdings ist das, was in den kommenden Monaten auf die Breisgauer zukommen könnte, nicht ohne Risiko.

Zwischen Abenteuer und Business: SC Freiburg in der Champions League

Es war ein Spieltag, wie ihn sich der SC Freiburg nicht schöner hätte malen können. Selbst fuhr man im Topspiel einen spektakulären 4:3-Erfolg in Sinsheim ein. Dazu unterlag am Montagabend RB Leipzig 1:3 in Mönchengladbach. Damit übernahm der Sport-Club zwei Spieltage vor Saisonende Platz 4 und hat die erstmalige Qualifikation zur Champions League in der eigenen Hand.

Champions League Freiburg

Photo by OZAN KOSE/AFP via Getty Images
Graphic: Victor Catalina

Das, in Tateinheit mit dem möglichen Pokalsieg, würde die bislang beste Saison in der Geschichte der Breisgauer krönen. Schon jetzt steht fest, dass Freiburg kommende Saison auf jeden Fall international vertreten sein wird.  Christian Streich schwärmt noch immer von den Europa-League-Partien gegen die damals noch junge Sevilla-Dynastie Unai Emerys aus dem Herbst 2013 und betont, so etwas wolle er gerne nochmal erleben. Seine Spieler hätten es „einfach verdient, nächstes Jahr europäisch zu spielen.“

Nichtsdestotrotz bleibt eine große Sorge. Nachdem der Sport-Club in der Saison 2012/13 Platz 5 belegte, verlor der Verein mit Max Kruse (Borussia Mönchengladbach), Daniel Caligiuri (VfL Wolfsburg), Cédric Makiadi (Werder Bremen), Jan Rosenthal sowie Johannes Flum (beide Eintracht Frankfurt) gleich fünf Leistungsträger. Mit der zusätzlichen Belastung musste Freiburg lange Zeit um den Klassenerhalt zittern. In der darauffolgenden Saison ging es erstmals unter Christian Streich eine Etage tiefer. Zwar gelang 2016/17 als Aufsteiger der Sprung auf Platz 7. Die Qualifikation zur Europa League verpasste Freiburg allerdings, weil man sich – trotz 1:0-Hinspielerfolgs – in Runde 3 nicht gegen den slowenischen Vertreter NK Domžale durchzusetzen wusste. Auswärts unterlagen die Breisgauer 0:2.

 



 

Auch diesmal musste Freiburg mit Nico Schlotterbeck die erste Säule des Erfolgs gen Dortmund ziehen lassen. 20 Millionen Euro plus fünf an möglichen Boni gehen im Gegenzug Medienberichten zufolge in den Breisgau. Ohne Schlotterbeck setzte es bei dessen zukünfigem Arbeitgeber ein 1:5. Außerdem verspielte Freiburg ein 2:0 gegen Bielefeld. Aussetzer, die sich der Verein in der Königsklasse nicht erlauben darf. Nicht zuletzt, weil es für die Bundesliga um einiges an Prestige geht. Am Saisonende wird die Spielzeit 2017/18 aus der UEFA-Fünfjahreswertung fallen, sodass die Bundesliga Platz 3 von der Serie A übernimmt. Mit Eintracht Frankfurt und RB Leipzig im Halbfinale der Europa League und sehr guten Aussichten auf das erste rein deutsche Endspiel seit 2013 hat die Bundesliga das langersehnte Zeichen aus dem Tabellenmittelfeld gesetzt, gezeigt, dass auch andere Vereine außer dem FC Bayern und Borussia Dortmund auf höchstem europäischen Niveau konkurrenzfähig sind.

Es wäre gerade jetzt wichtig, die Erfahrung und Klasse von RB Leipzig und Bayer Leverkusen in der Champions League zu haben, um den Vorsprung auf die Serie A aufrechtzuerhalten und langfristig den Platz hinter der Premier League und La Liga zu zementieren. Ein „Abenteuer Königsklasse“ des SC Freiburg – so sehr es den Spielern und Christian Streich gegönnt sei – wäre dahingehend möglicherweise kontraproduktiv. Zeitgleich sei aber auch erwähnt, dass mit Matthias Ginter ein erfahrener Spieler als Schlotterbeck-Ersatz verpflichtet wurde.

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Knackpunkt Tradition: Auf wie dünnes Eis begibt sich Freiburg?

Nicht nur auf, sondern auch außerhalb des Platzes könnte der SC durch die lange internationale Abstinenz reichlich unerfahren sein. Vergangenes Wochenende wurde bekannt, dass die Freiburger zum Pokalfinale einen gemeinsamen Schal mit RB Leipzig ablehnen. Dafür gab es von der deutschen Fanszene viel Zuspruch. Man wolle „keine gemeinsame Sache mit dem Konstrukt“ machen, hieß es von Nordtribuene.org, einem unabhängigen Medium von Fans des SC Freiburg.

 

 

Allein, sollte Freiburg kommende Saison tatsächlich Champions League spielen, treffen sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Vereine, die nachweislich von außen alimentiert werden. Vereine mit Besitzern oder – auch außerhalb des Fußballs – äußerst einflussreichen Präsidenten. Um dann nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren und die Aktion als reines virtue signalling dastehen zu lassen, müsste Freiburg seinen Traditionskurs konsequent fahren. Genau damit würden sie allerdings Gefahr laufen, von den übermächtigen PR-Maschinen aus England, Spanien oder Frankreich aufgefressen zu werden. Die Freiburger, die sich national über Jahre den Ruf als einer der bodenständigsten und sympathischsten Vereine der Liga erarbeitet haben, wären auf einen Schlag die persona non grata.

Der SC Freiburg steht davor, die erfolgreichste Saison der Klubgeschichte zu spielen. Doch das kommt nicht ohne Risiken. Wer einmal im Scheinwerferlicht der Champions League auftaucht, muss sich jeden Schrittes bewusst sein. Auch auf die Auswirkungen, die diese zusammen mit vergangenen oder potentiellen Taten haben könnten. Ob der Klub dafür bereit ist, werden die kommenden Wochen zeigen.

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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