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Das Montagsspiel in Dortmund: Warum der Boykott der BVB-Fans effektiv war

27. Februar 2018 | Spotlight | BY Damian Ozako

27.060. So viele Plätze blieben gestern in Dortmund leer. Die Partie gegen Augsburg (1:1) am Montag war ein sehr merkwürdiges Erlebnis. Eine Kolumne über die Atmosphäre im Stadion und die Proteste gegen Montagsspiele.

Kurzfristiger Stadionbesuch

Als Fan der schwarzgelben Borussia ist es teilweise extrem schwierig überhaupt an Karten zu kommen. Wenn man dann auch noch auf der „Süd“ stehen will, muss man schon wahnsinnig viel Glück haben. Ich hatte diese Saison eben jenes und konnte über den Zweitmarkt des Vereins mir mehrfach Tickets für die größte Stehtribüne Europas besorgen. Gegen Augsburg war es allerdings besonders einfach einen Stadionbesuch zu realisieren. Ich hatte eigentlich nicht vor dieses Spiel vor Ort zu gucken, weil ich selbst auch gegen Montagsspiele bin. Die Ansetzung sagt mir absolut gar nicht zu und montagabends nach Dortmund zu fahren, ist für mich eher ungünstig. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden mit einem Freund kurzfristig Tickets zu kaufen. Der Plan war es sich anzugucken was für Auswirkungen ein Boykott so vieler Fans und vor allem der Ultras auf das Stadionerlebnis hat. Kleiner Spoiler: Es ist verheerend.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Auffällig leeres Stadion

Schon auf dem Weg ins Stadion war es auffällig leer auf den Straßen. Obwohl wir viel zu spät losgefahren sind, hat es keinerlei Probleme gegeben. Im Shuttlebus musste man nicht allzu doll kuscheln, die hinterlegten Karten hat man innerhalb von zwei Minuten bekommen und im Innenraum des Stadions herrschte gähnende Leere. Ich habe kurzzeitig gedacht, dass sich dies noch ändern würde, aber lag komplett falsch. Angekommen im Block richtete sich mein Blick auf die Tribünen und es sah so aus, wie eine Stunde vor dem Beginn eines Bundesligaspiels am Wochenende. Nur diesmal waren es wenige Minuten bis zum Anpfiff. Noch nie haben 54.300 Stadionbesucher verlorener gewirkt. Ein Dauerkarteninhaber aus Block 14 zeigte sich im Gespräch noch kämpferisch:

„Heute zeigen wir, dass wir die Ultras nicht brauchen, um für gute Stimmung zu sorgen!“

Er sollte nicht Recht behalten. Oft wurden von kleineren Gruppen Gesänge angestimmt, die relativ schnell aufgegeben wurden. Vereinzelt sollte es klappen, dass die Mehrheit des Stadions mitgemacht hat, aber auch dieser Zustand des Anfeuerns hielte nur für kurze Zeit an. Das einzige was wirklich einwandfrei funktioniert hat, waren die „Schüüü“-Rufe, die jedes Mal durch das Stadion hallten als André Schürrle (27) am Ball war. Ansonsten fehlte der Support der organisierten Fans. Trotz mehrerer Ankündigungen der Zuschauer vor Ort für leidenschaftliche Unterstützung zu sorgen, merkte man das Fehlen der Ultras sehr deutlich.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Merkwürdige Stimmung

Ein Mann neben uns meinte, dass die Ultras sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt rücken würden und es ihnen nicht wirklich um den Verein ginge, sondern um Selbstdarstellung. Ähnliche Kritik hört man oft bei Diskussionen über die Stellung der Ultras im deutschen Fußball. Ohne darauf näher einzugehen ob diese Kritik berechtigt ist, kann man den Fans, die bei der Partie gegen Augsburg im Stadion waren, den selben Vorwurf machen. Der gefühlt zehn Minuten lange Versuch während der ersten Halbzeit eine La-Ola-Welle zu initiieren war für mich der absolute Tiefpunkt des Abends. Es gab mehrfach gellende Pfiffe für die Nordtribüne, die bei den ersten Versuchen nicht mitgemacht hat. Dass unten auf dem Platz eine formschwache Dortmunder Mannschaft gegen ein gut organisiertes Augsburg um drei Punkte kämpfte, rückte für einen viel zu langen Zeitraum in den Hintergrund. Unterstützung für die Spieler gab es kaum. Damit haben viele Fans und auch ich schon gerechnet, aber eine so trotzige Vorstellung der Anhängerschaft hat mich dann doch überrascht. Man hatte wirklich das Gefühl, dass viele Zuschauer im Stadion sehr gezwungen einen Beweis liefern wollten auch ohne organisierten Support für tolle Stimmung zu sorgen. Das Ergebnis war niederschmetternd.

Fehlende Unterstützung

Teilweise waren die Zuschauer mit sich selbst beschäftigt und über weite Strecken einfach komplett leise. Am lautesten war es in den letzten Minuten nach Augsburgs Ausgleich. Immer wieder gab es Pfiffe gegen Dahoud (22), der mal wieder unglückliche Aktionen in seinem Spiel hatte. Er war es allerdings auch, der in den letzten Minuten die Mannschaft antrieb. Das interessierte leider die Wenigsten. Ich bin der Meinung, dass die Fans das Recht darauf haben Spieler für ihre Leistungen auszupfeifen, aber während der 90 Minuten die Mannschaft lieber nach vorne treiben und nicht verunsichern sollten. Dies war gestern leider absolut gar nicht der Fall. Es gab nur noch rein negatives Feedback von den Rängen. Mit der Atmosphäre eines normalen Bundesligaspiels im Westfalenstadion hatte der gestrige Abend rein gar nichts zu tun. Von der Süd, die ansonsten gegen Pfiffe mit lautstarken Gesängen ankämpft, war kaum was zu hören.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Effektiver Boykott

Für die Leute vorm Fernseher wird es vermutlich sogar noch leiser gewirkt haben als es ohnehin schon war. Spaß hat dieser Stadionbesuch definitiv nicht gemacht. Ich weiß nicht ob es für die Fans zuhause auch so ein merkwürdiger Abend war, aber im Gegensatz zum ersten Montagsspiel in Frankfurt hatte der Boykott in Dortmund eine abschreckendere Wirkung auf mich. In Frankfurt war das Stadion gut gefüllt und es gab trotz des Protests einigermaßen große Unterstützung für die Heimmannschaft. Im Endeffekt war es trotzdem ein stimmungsvoller Abend. Für viele Außenstehende wirkte dieses Spiel abseits der kurzfristigen Besetzung des Innenraums und dem Werfen von Tennisbällen bestimmt nicht sonderlich außergewöhnlich. Fast volles Stadion, ohrenbetäubender Lärm und große Emotionen. So wie es eigentlich auch sein sollte. Der gestrige Abend war meiner Meinung nach deutlich effektiver, da er ein Bild zeichnete, das mir deutlich machte, dass ich auch weiterhin gegen Montagsspiele bin. Ohne lautstarke Fans im Stadion macht mir Fußball deutlich weniger Spaß und Termine wie der Montagabend machen es für viele Anhänger schwieriger ins Stadion zu gehen (an dieser Stelle auch nochmal Respekt an alle Augsburger, die den weiten Weg nach Dortmund bestritten haben!). Daher kann ich die Proteste absolut nachvollziehen. Vor allem wenn sie so friedlich wie in Frankfurt und Dortmund ablaufen. Das Fernbleiben der Fans war ein Vorgeschmack auf das was uns in der Zukunft häufiger erwarten könnte. Mehr Werbung für Bundesliga am Wochenende geht kaum.

Persönliches Fazit

Für viele mag das vielleicht unverständlich sein, aber die Interaktion zwischen Fans und Mannschaften ist für mich nun mal essentieller Bestandteil eines guten Bundesligaspiels. Sportlich überzeugende Argumente liefert die Bundesliga seit geraumer Zeit ohnehin nicht. Vor leeren Rängen wird die Liga definitiv nicht attraktiver. Dass die Fans ein Zeichen gegen die momentane Entwicklung setzen wollen, ist meiner Meinung nach absolut verständlich. Ich wollte mir die Auswirkungen des Boykotts persönlich angucken und kann nach dieser Erfahrung für mich ein klares Fazit ziehen: Beim nächsten Montagsspiel der Borussia bleibe ich definitiv auch zu Hause!

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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