Spotlight

Revierderby | Warum die Chancen für Schalke gegen den BVB gar nicht schlecht stehen

23. Oktober 2020 | Spotlight | BY Gero Lange

Spotlight | Am Samstag steht in der Bundesliga das Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 an. Die Gäste sind mittlerweile seit 20 Spielen in der Liga ohne Sieg. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, stehen die Chancen bei genauerer Betrachtung gar nicht schlecht, dass der FC Schalke diese Serie am Samstag beenden kann.

Die aktuelle sportliche Lage auf Schalke

Die aktuelle Situation auf Schalke ist bedrohlich. Nach einer katastrophalen Rückrunde mit nur einem Sieg und zwei Niederlagen in zwei Spielen zu Beginn der neuen Saison musste David Wagner (49) seinen Posten als Cheftrainer räumen. Mit ihm gingen auch seine Co-Trainer Christoph Bühler (43) und Frank Fröhling (42). Spielerisch fehlten die Ideen, die Kreativität und die Durchschlagskraft nach vorne. In der Defensive verteidigte man zu sorglos und kassierte viele Gegentore nach Standards und Flanken.

Der neue Trainer: Manuel Baum

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Als Nachfolger präsentierte man am 30. September Manuel Baum (41). Mit in den Trainerstab aufgenommen wurde zudem Ex-Spieler Naldo (38). Onur Cinel (35), Trainer der U17, ist bis auf weiteres als Co-Trainer mit von der Partie. Naldo hat mit einigen Spielern aus dem Kader zusammengespielt. Er soll vor allem mental unterstützend wirken, den guten Draht zur Mannschaft nutzen und viel in der Kabine dabei sein. Cinel wurde vorerst von der U17 hochgezogen, da er eine „sehr sehr hohe Fachkompetenz“ besitze und außerdem den Verein kenne, wie Baum auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen RB Leipzig verkündete. Aus seiner Sicht bedeute „Knappenschmiede“ nicht nur die Ausbildung von vielversprechenden Spielern, sondern auch von Trainern.

Baum selbst scheint einen klaren Plan zu haben, wie er Schalke umkrempeln will. Auf der Pressekonferenz, auf der er vorgestellt wurde, kündigte er an: „Lasst mich mal machen, denn ich weiß ganz gut was ich tue.“ Bis zum ersten Spiel am dritten Oktober hatte er allerdings nicht viel Zeit, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Trotzdem blieb die Abwehr in den ersten 30 Minuten dicht. Nach dem 0:1 brachen allerdings alle Dämme und man verlor das Spiel mit 0:4. Danach kam die Länderspielpause. Für den Trainer die Gelegenheit, die Mannschaft besser kennenzulernen und intensiv mit ihr zu arbeiten, auch wenn einige Nationalspieler fehlten.

Testspiel gegen Paderborn sorgt für Erfolgserlebnis

Ein Testspiel gegen den SC Paderborn wurde vereinbart, um die neuen Abläufe zu festigen. Die Partie begann für Schalke denkbar schlecht. Zuerst verschoss Nabil Bentaleb (25) einen Elfmeter, dann geriet man in Rückstand. Letztendlich konnte man das Spiel noch drehen und mit 5:1 gewinnen. So konnte man zumindest ein kleines Erfolgserlebnis einholen. Überragender Mann in diesem Testspiel war Mark Uth (29), der drei Tore erzielte und eine Vorlage gab. Gegen Union Berlin fehlte der Stürmer wegen muskulärer Beschwerden. Auch für einen Einsatz im Derby könnte es eng werden.

Gegen Union Berlin war aber wie im Spiel gegen Leipzig als auch in den Partien unter Wagner zu beobachten, dass Schalke vor allem bei hohen Hereingaben große Probleme hat. Im Derby muss das weitestgehend abgestellt werden, da eine gute Defensivleistung Grundvoraussetzung ist, um dort etwas mitzunehmen.

Einziger Neuzugang unter Baum: Kilian Ludewig

Da Schalke finanziell ernsthafte Probleme hat, wurde der Kader nach Amtsantritt von Baum nur noch einmal nachjustiert. Sebastian Rudy (30) wurde erneut für ein Jahr an die TSG Hoffenheim abgegeben. Im Gegenzug holte man Kilian Ludewig (20) per Leihe. Vergangene Saison kam er für den FC Barnsley in der zweiten Liga in England zum Einsatz. Baum kennt Ludewig aus der Zeit als Trainer der deutschen U20-Nationalmannschaft. Nach einem 2:0-Sieg im November 2019 gegen Portugal schwärmte Baum bei ran in den höchsten Tönen von Ludewig: „Wenn er mal ein bisschen älter und erfahrener wird, dann wird das ein Granaten-Fußballer. Also der bringt ja alles mit. Der ist schnell, kopfballstark, ist technisch gut. Ich weiß gar nicht was ich noch alles aufzählen soll. Also da haben wir einen richtig guten rechten Außenverteidiger.“

Dieses Lob, gepaart mit der Tatsache, dass er am Deadline Day Schalkes einziger Neuzugang war, ließen Zweifel aufkommen, ob die Erwartungshaltung bei Ludewig gegenüber nicht etwas zu hoch ist. Vor allem wenn man bedenkt, dass sich seine Profi-Erfahrung bislang auf Einsätze in der zweiten österreichischen und zweiten englischen Liga beläuft. Gegen Union Berlin gab der 20-jährige ein solides Bundesliga-Debüt. Positiv wird vor allem sein Tempo und sein Offensivdrang gesehen.

Unter Wagner bekleideten Bastian Oczipka (31) und Rudy die Außenverteidiger-Positionen. Der Vorwurf an die beiden lautete mangelndes Tempo und zu wenig Beteiligung im Spiel nach vorne. Während Oczipka immer noch hinten links ran darf, ergibt sich auf der rechten Seite mit Ludewig ein neues Bild. Die Aussage von Baum, dass noch etwas Reife und Erfahrung fehle, hat nach wie vor Bestand. Mit den Voraussetzungen, die er mitbringt, kann Ludewig sich aber prächtig entwickeln. Gerade jetzt, wo er in der Bundesliga auf höchstem Niveau Spielpraxis erhält.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Gegner Dortmund bislang Inkonstant

Der Gegner der Schalker, Borussia Dortmund, konnte in dieser Saison bislang noch keine Konstanz nachweisen. Der BVB gewann von seinen sieben Pflichtspielen vier Partien und verlor bereits drei Mal. Gegen den FC Augsburg setzte es in der Bundesliga eine 0:2 Niederlage. Dazu kommen die Pleiten gegen Bayern München im DFL-Supercup und gegen Lazio in der Champions League.

Eine Bilanz, mit der die Dortmunder bislang nicht wirklich zufrieden sein dürften. Zwar gewann man bei den Siegen alle Partien zu Null. Die Gegentore, die zu den Niederlagen führten, fielen aber häufig zu einfach. Zumeist waren individuelle Fehler schuld, man wurde ausgekontert oder fing sich das Tor nach einem Standard. Nach dem schwachen Auftritt bei Lazio am Mittwoch in der Champions League (1:3) ist am Samstag ein anderes Auftreten erforderlich.

Die Bilanz der letzten Revierderbys

Von den letzten neun Revierderbys gewann der BVB gerade einmal zwei. Fünf Mal spielte man Unentschieden, zwei Mal gewann Schalke. Dafür, dass die Dortmunder ihrem Nachbarn in den letzten Jahren sportlich davongezogen sind, keine berauschende Bilanz. Die spielerische Überlegenheit des BVB glich Schalke meistens mit mehr Kampf, Leistungsbereitschaft und purem Willen aus. Bestes Beispiel ist das Derby am 25. November 2017. Schalke lag zur Halbzeit mit 0:4 hinten und holte den Rückstand in der zweiten Halbzeit auf. Torschütze des 4:4-Ausgleichs war Naldo, der damit zumindest einen Punkt sichern konnte. Dieser ist nun wieder im Verein in verantwortlicher Position tätig und wird den aktuellen Spielern sicher etwas von seinen Derby-Erfahrungen mit auf den Weg geben.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Das einzige deutliche Ergebnis im Derby in den vergangenen fünf Jahren war der 4:0-Sieg des BVB im Mai dieses Jahres. Am ersten Spieltag nach der durch die Corona-Pandemie bedingten Unterbrechung sorgten Erling Haaland (20), Thorgan Hazard (27) und zweimal Raphael Guerreiro (26) für die Treffer. Im ersten Geisterspiel für beide in der Bundesliga war Schalke auf dem Feld ohne die Emotionalität und Leidenschaft unterwegs, die auf den Rängen ebenfalls fehlte. Ein einmaliger Ausrutscher war das aber nicht, wie die Horror-Bilanz der vergangenen Rückrunde zeigt.

Schalke: Kehren Kampf und Wille zurück, stellen sich auch wieder Erfolge ein

Zumindest kämpferisch hielt man gegen Union Berlin wieder besser mit. Vom Gegentor ließ man sich nicht so stark beeindrucken wie von manch anderen in der Vergangenheit. Stattdessen holte man den Rückstand auf und war nach dem Ausgleich sogar die spielbestimmendere Mannschaft. Trainer Baum lobte die Leidenschaft und den Kampf, betonte nach dem Spiel: „Wir wissen aber auch, dass wir spielerisch definitiv noch zulegen müssen.“ Der Cheftrainer bemängelte sowohl den Spielaufbau, generell „alles“, was das Spiel mit dem Ball betrifft und die Pressing-Struktur.

Schafft man es am Samstag wieder, eine kämpferisch starke Leistung abzurufen, hat man eine reelle Chance. Noch größer wird diese, wenn man sich auch bei der Umsetzung der taktischen Vorgaben steigert. Die Bilanz der letzten Derbys, ausgenommen dem 0:4 im Mai, macht Hoffnung. Dortmund kassierte in dieser Saison nahezu alle Gegentore nach individuellen Fehlern, Standards oder Kontern. Situationen, die sich am Samstag auch für Schalke ergeben werden. Mit einer verbesserten Pressing-Struktur könnte man individuelle Fehler beim BVB sogar bewusst provozieren. Wichtig wird es sein, diszipliniert und leidenschaftlich zu verteidigen. Zudem sollte man die Gelegenheiten, zu denen man kommt, effektiv nutzen. Dann könnte ausgerechnet im Derby die Serie von 20 sieglosen Spielen in Folge reißen.

Mehr News und Stories rund um den internationalen Fußball

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Gero Lange

Fußballbegeistert seit der Heim-WM 2006. Großer Fan von Spektakelfußball mit vielen schönen Toren, am liebsten aus der Distanz. Seit 2020 bei 90PLUS


Ähnliche Artikel