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SGE, Haller und West Ham: Ein Transfer aus drei Blickwinkeln

16. Juli 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Spotlight | Sebastien Haller, Stürmer von Eintracht Frankfurt, steht unmittelbar vor einem Wechsel zu West Ham United. Die Eintracht bestätigte heute, dass man sich mit dem Klub aus London auf die Transfermodalitäten verständigt hat, lediglich der Medizincheck fehle noch zum endgültigen Vollzug. Englischen Medien zufolge bezahlt West Ham United mehr als 40 Millionen Pfund für Haller.

Die Eintracht hat kaum eine Wahl

Für Eintracht Frankfurt ist das prinzipiell erst einmal kein schlechter Deal. West Ham United befand sich unter Zugzwang, nachdem man Wunschspieler Maximiliano Gomez nicht von einem Wechsel überzeugen konnte. In England schließt das Transferfenster früh, die Zeit drängte, ein Toptransfer in der Offensive sollte her. Von diesem Zeitdruck profitierte auch die Eintracht, die Haller 2017 für 7 Millionen Euro aus Utrecht verpflichtete und nun einen großen Transfergewinn einstreichen konnte, auch wenn man – und das ist die Kehrseite – einen absoluten Schlüsselspieler verliert.

Anders als bei Luka Jovic, der zu Real Madrid wechselte, fließt keine enorm hohe Summe an den Ex-Verein. Die Eintracht kann mit einem großen Teil der Einnahmen planen und für die Hessen sind diese Einnahmen überlebenswichtig. Denn: Die Umstrukturierung des Kaders stockt, auch weil man für Jovic eben nicht die vollen 60 Millionen Euro, sondern deutlich weniger eingenommen hat.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)

Transfers wie der von Martin Hinteregger oder Kevin Trapp stockten zuletzt, auch weil die SGE eben nur begrenzt handlungsfähig war. Man darf nicht vergessen, dass für Sow, Kohr, Kostic und Joveljic bereits knapp 30 Millionen Euro ausgegeben wurden, zudem kann die SGE nicht mit der Europa League planen, weil zunächst noch die Qualifikation zu überstehen ist. Trapp, Hinteregger, möglicherweise Rode und ein weiterer Stürmer – die SGE benötigt durchaus die Einnahmen aus dem Haller-Transfer und wird nun die Möglichkeit haben mit weiteren geschickten Transfers einen soliden Kader zusammenzustellen, der frei von vielen Leihgeschäften wachsen kann.

Ein Gewinn für West Ham

Für West Ham United ist der Transfer von Sebastien Haller natürlich ein absoluter Coup. Maximiliano Gomez entschied sich für den FC Valencia und vor allem für die Champions League, für den Klub aus London stellt Haller aber eine sehr gute Alternative dar. Sein Spielstil dürfte sehr gut in die Premier League passen, der Franzose ist physisch stark, bewegt sich im Strafraum sehr clever und verfügt überdies auch noch über eine überraschend starke Technik. Haller nahm in Frankfurt immer wieder am Kombinationsspiel teil, spielte kluge Pässe und bereitete Tore vor. Er ist kein klassischer Strafraumstürmer, den man ausschließlich mit langen Bällen füttert, die er festmachen und ablegen soll.

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Betrachtet man die Offensive von West Ham genauer, dann könnte Haller ein entscheidendes Puzzleteil sein. Denn die technische Qualität würde mit ihm noch einmal deutlich erhöht. Manuel Lanzini und Felipe Anderson zählen ohnehin schon zu den technisch versierten Offensivspielern, mit U21-Europameister Pablo Fornals gelang West Ham zudem ein absoluter Toptransfer für vergleichsweise wenig Geld. Man erkennt bei West Ham also einen klaren Plan, der von Trainer Pellegrini vorgegeben wird: Die Offensive soll vor allem fußballerisch wachsen, mehr Möglichkeiten bieten. Mit zusätzlichen Ergänzungen wie Chicharito, Antonio oder Yarmolenko verfügt man in der kommenden Saison über viele unterschiedliche Spielertypen, muss aber defensiv noch nachlegen.

Welche Beweggründe hat Sebastien Haller?

Auf den ersten Blick erscheint ein Wechsel von Haller nach West Ham nicht gerade einhundertprozentig nachvollziehbar. Natürlich hat die Premier League ihren Reiz, aber West Ham United gehört „lediglich“ zu den guten Mittelfeldteams, auch wenn gerade in der Offensive Potenzial für mehr bestehen würde. Abgesehen von einer wohl deutlichen Gehaltserhöhung, was spricht für West Ham? International vertreten ist der Klub aus London nicht, die Eintracht hat immerhin die Chance auf die Europa League, wenn man die Qualifikationsrunden übersteht.

Neben dem finanziellen Reiz dürfte vor allem die größere Aufmerksamkeit, die Haller in der Premier League erhält, eine Rolle spielen. Einerseits für die französische Nationalmannschaft, auch wenn dort die Konkurrenz sehr groß ist, andererseits für größere Klubs. Diesen Faktor darf man nicht unterschätzen, denn die Premier League ist DIE europäische Topliga, viele Spieler träumen von einem Wechsel dorthin. Auch in Frankfurt hätte er sich sicher weiterhin empfehlen können, mit dem Zwischenschritt West Ham erhöht Haller aber sein Gehaltsniveau, was ihm in den zukünftig möglicherweise stattfindenden Verhandlungen mit einem Topklub, sofern er seine Leistungen bestätigt, sicher weiterhilft.

Außerdem wurde in den Medien spekuliert, dass Haller bei West Ham eine Ausstiegsklausel erhalten könnte, die ihm zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Wechsel ermöglicht, wenn ein Klub anklopft, der in der Champions League spielt. Das ist aber alles noch Zukunftsmusik. Rein sportlich betrachtet wird sich seine Situation in der kommenden Saison wohl weder signifikant verbessern noch verschlechtern.

Manuel Behlert

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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