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Timo Werner beim FC Bayern | Es kann, aber muss keine Erfolgsgeschichte werden

4. März 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Noch spielt Timo Werner für RB Leipzig und noch steht der Angreifer bis 2020 bei den Sachsen unter Vertrag und obwohl noch nichts unterschrieben ist, deutet vieles darauf hin, dass Werner 2019 oder 2020 zum FC Bayern München wechseln wird. Wie könnte seine Rolle beim Rekordmeister aussehen und passt der Nationalstürmer überhaupt zum FC Bayern? Wir versuchen diese Fragen zu beantworten.

Timo Werner: Die aktuelle Lage

Doch zunächst geben wir einen kurzen Überblick über die letzten Aussagen und Gerüchte. Die Meldungen über einen möglichen Wechsel des Stürmers zum FC Bayern nahmen besonders nach dessen Aussagen Ende 2018 Fahrt auf, als Werner mitteilte, dass es in Deutschland, wenn man einen Wechsel aus Leipzig anstrebt, quasi nur ein Ziel geben kann. Auch wenn Werner den FC Bayern nicht konkret nannte, so wusste jeder, welcher Klub gemeint ist. In der Folge wurde immer wieder etwas vage über das Interesse aus München berichtet, die Bayern sollen Werner im Auge haben, ihn als eine mögliche Option sehen. Bis die „SportBild“ vor kurzem berichtete, dass sich der Rekordmeister bereits mit Werner-Berater Förster grundsätzlich geeinigt haben soll – auf einen Wechsel 2019 oder eben ablösefrei 2020.

Ralf Rangnick dementierte, dass eine Einigung für 2019 vorliegen könne, denn damit müsse der Verein einverstanden sein. Und das ist er nicht. Zudem habe sich der FC Bayern nicht bei RB Leipzig gemeldet oder gar ein Angebot unterbreitet. Rangnick schließt zudem einen ablösefreien Wechsel aus und stellt Werner vor die Wahl: Verlängerung oder Verkauf! Doch zu einem Abgang zwingen kann Rangnick den Stürmer gewiss nicht, möglicherweise stellt man Werner für den Fall eines ablösefreien Abgangs aber auch deutlich verringerte Einsatzzeiten in Aussicht.

(Photo by BERTRAND LANGLOIS/AFP/Getty Images)

Die „Bild“ berichtete zudem, dass RB Leipzig mit einer Forderung von rund 60 Millionen Euro in die Verhandlungen gehen würde, sofern der FC Bayern ein offizielles Angebot für 2019 abgibt. Dieser Preis sei maximal auf 40 Millionen Euro zu drücken, heißt es. Jedoch sitzt der Rekordmeister am längeren Hebel, vor allem dann, wenn Werner tatsächlich nur nach München wechseln will und Konkurrenzangebote demnach wirkungslos sind. Auch die Aussagen von Karl-Heinz Rummenigge, der mitteilte, dass man in Leipzig mit den Personalien besser nicht so offen umgehen soll, deuten darauf hin, dass das Thema heiß ist. Klar scheint bis jetzt: Der FC Bayern hat sich offenbar schon gut positioniert und hat Interesse am Spieler, das auf Gegenseitigkeit beruht.

Positive Entwicklung in Leipzig – An Schwächen gearbeitet

14 Millionen Euro war Timo Werner RB Leipzig im Sommer 2016 wert, als man den hochveranlagten Stürmer vom VfB Stuttgart verpflichtete. Werner galt als pfeilschnell, aber hatte Defizite in der Entscheidungsfindung, spielte oftmals hektisch und kam in Stuttgart in 95 Bundesligaspielen auf 13 Treffer. Sein Talent war zweifelsohne erkennbar, die große Leistungsexplosion blieb in Stuttgart aber noch aus. Werner wechselte also als junger, talentierter und ungeschliffener Stürmer nach Leipzig und zu Ralph Hasenhüttl, der einen sehr intensiven Spielstil pflegte, in den Werner mit seiner Explosivität im Antritt nahezu ideal passte.

Und das merkte man auf dem Platz. Werner spielte in Leipzig effizienter, die offensive Ausrichtung tat ihm enorm gut. Er war an vielen Offensivaktionen beteiligt, wurde gut in das Spiel eingebunden. Die Idee nach Ballgewinnen schnell nach vorne zu spielen und Werner in die gefährlichen Räume zu schicken, ging auf. Zudem hatte er mit Poulsen einen hart arbeitenden, laufstarken Partner im Sturm, der viele Räume öffnete, Sabitzer und Forsberg setzten Werner überdies häufig gut ein. Die Folge: Werner hatte mehr Abschlüsse, vor allem aus lukrativer Position und im Endeffekt natürlich mehr Tore. In seiner Debütsaison traf er in der Bundesliga 21-mal für RB Leipzig und bereitete zudem 7 Treffer vor.

Diese Torquote konnte er 2017/18 zwar nicht bestätigen, 21 Torbeteiligungen in der Liga sprechen aber trotzdem eine klare Sprache. Zudem wurde Werner Nationalspieler, sammelte Erfahrungen in der Champions League und in der Europa League. Auch in der laufenden Saison gelangen ihm wettbewerbsübergreifend 13 Tore und noch ist Zeit um diese Quote nach oben zu treiben. Insgesamt ist Werner in Leipzig enorm gereift, ein Spieler von internationaler Klasse geworden, der hohe Ambitionen hat. Werner will Titel gewinnen, regelmäßig in der Champions League spielen und um einen Stammplatz bei einem größeren Klub als es Leipzig ist kämpfen. Oder einfach gesagt: Er will den nächsten Schritt machen.

Welche Rolle könnte Werner beim FC Bayern spielen?

Sollte Werner, unabhängig davon ob er dies 2019 oder 2020 tut, einen Wechsel nach München vornehmen, dann stellt sich die Frage, welche Rolle er übernehmen könnte. Im Angriffszentrum ist Robert Lewandowski gesetzt. Zwar will man in München durchaus einen Backup für den Polen verpflichten und tut gut daran für diese Aufgabe einen Spieler im Auge zu haben, der das Potenzial mitbringt Lewandowski in 2, 3 Jahren zu ersetzen, aber eine reine Backup-Rolle dürfte für Werner nicht in Frage kommen. Werner muss also die Aussicht auf regelmäßige Einsätze, auch von Anfang an haben. Platz wäre in München wohl auf der Außenbahn, denn hier werden den Verein mit Franck Ribéry und Arjen Robben zwei Spieler verlassen, mit Kingsley Coman und Serge Gnabry stehen derzeit zwei etablierte Spieler für diese Position zur Verfügung.

(Photo by CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images)

Auf der Außenbahn wird der FC Bayern also definitiv handeln. Welche Ziele er verfolgt, also wie genau er diese Positionen besetzen will, ist noch unklar. Möglicherweise verpflichtet man zwei klassische Flügelspieler, möglicherweise wird nur ein Spieler für diese Position geholt, Alphonso Davies weiter herangeführt und ein Spieler wie Werner deckt diese Position ebenfalls mit ab, sodass er auf mehreren Positionen eine Rolle spielen kann und eben kein klassischer Backup ist. Sollte Werner erst 2020 nach München wechseln, ändern sich die Voraussetzungen natürlich noch einmal, denn eine Neubesetzung auf den Flügeln ist definitiv 2019 notwendig. Außerdem spielte Werner in seiner Karriere deutlich häufiger auf der Stürmerposition, seine Zeiten auf dem Flügel sind lange vorbei und auch in der Nationalmannschaft wird er im Zentrum eingesetzt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Werner zuweilen als hängende Spitze gesehen wird, im Verbund mit Robert Lewandowski vorne agiert. Die Mischung aus Lewandowskis Physis und Ballbehandlung und Werners Explosivität könnte für gewisse Situationen durchaus gewinnbringend sein.

Integrierbar ja, Idealtypus nein

In Leipzig hat sich Timo Werner zwar deutlich verbessert, zu den absoluten Topstürmern in Europa ist er aber noch nicht zu zählen. Klar, mit 22 Jahren ist man noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen und bei einem Schritt auf die nächste Stufe kann eine weitere Leistungsexplosion folgen, dennoch fallen, wenn man Werner genau beobachtet, einige Defizite auf. Seine Schnelligkeit ist eine Waffe, allerdings verfällt er weiterhin, auch wenn seine Entscheidungsfindung deutlich besser wurde, gelegentlich in Hektik. Auch in der laufenden Saison finden sich einige Beispiele von Konterangriffen, die Werner leichtfertig vergeben hat, weil er einen unsauberen Pass spielte, den Ball nicht ideal mitnahm oder zu lange mit dem Pass wartete. Zwar meckert man hier auf einem hohen Niveau, dennoch sollte dies bei der Betrachtung des 22-jährigen Beachtung finden, denn in München wird es für Werner, in welcher Rolle auch immer, noch einmal mehr auf Präzision ankommen.

(Photo by Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images)

Denn der FC Bayern wird häufiger als Leipzig mit tiefstehenden Gegnern konfrontiert, spielt dominanter, hat weniger Räume. Das Anforderungsprofil ist, gerade im System mit einem Stürmer, komplizierter, man muss intelligenter und vorausschauender agieren, hat weniger Zeit, muss sich mehr im kombinativen Bereich einbringen. Für Werner bedeutet das, dass er sich im technischen Bereich. verbessern muss, dass er an seinen Defiziten arbeiten muss. Er muss im Falle eines Wechsels zeigen, dass er sich an die neuen Anforderungen anpassen und seinen Spielstil verändern kann, wenn er Erfolg haben will.

Eine gewisse Skepsis ist also durchaus angebracht, weil man nicht weiß, ob Werner diese Veränderungen, diese wichtigen Schritte gelingen. Klar ist, dass ein Spieler mit seinen Qualitäten, mit seiner Geschwindigkeit, mit seinem Abschluss und vor allem mit seiner positiven Entwicklungskurve definitiv für einen Klub wie den FC Bayern integrierbar ist. Doch den Idealtypus verkörpert Werner weder im Sturmzentrum noch auf der Außenbahn. Er ist kein klassischer Dribbler oder Kreativspieler auf dem Flügel, er ist auch kein Spieler, der den Ball im Offensivzentrum mit seiner Physis festmachen und die Abwehrspieler so beschäftigen kann. Doch vielleicht will man in München ja gerade das, nämlich dem Offensivspiel ein neues, temporeiches, geradliniges Element hinzufügen. Wie sinnvoll das ist, wird man im Laufe der Zeit sehen. Wie gesagt, wenn es zu einem Wechsel kommt.

Fazit

Timo Werner ist ein deutscher Nationalspieler, der jung ist, nur noch kurzfristig unter Vertrag steht und enorme Qualitäten mitbringt. Alleine deswegen ist ein Interesse des FC Bayern nur logisch. Klar ist, dass man ihn sicher irgendwie integrieren kann und dass er beim Rekordmeister eine Rolle spielen kann. Ob man anhand der offenen Fragen und der Tatsache, dass Werner wohl nicht der ideale Spielertyp ist, im kommenden Sommer schon einen Vorstoß wagen und eine hohe Millionensumme ausgeben sollte, muss der Verein entscheiden. Der FC Bayern muss sich die Frage stellen, wie er zukünftig Fußball spielen will, welche Systeme eine Rolle spielen, welche Spielertypen man ergänzend dazuholen möchte. Liegt ein konkreter und zielführender Plan hinsichtlich der Personalie Timo Werner vor, dann sollte man den Spieler verpflichten.

Kann Timo Werner beim FC Bayern zu einer Erfolgsgeschichte werden? Ja, sicher. Zum jetzigen Zeitpunkt bleiben allerdings einige Fragen offen und sicher auch berechtigte Zweifel, ob es wirklich so kommt.

(Photo by Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)


Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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