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Warum der FC Bayern bei der Stürmersuche zweigleisig fahren sollte

12. Juli 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern München versucht alles, um Harry Kane in diesem Sommer zu verpflichten. Doch die Verhandlungen mit den Tottenham Hotspur sind kompliziert, auch wenn beim Rekordmeister weiter Optimismus herrscht. Sich nur auf dieses Transferziel im Angriff zu verlassen, wäre aber die falsche Entscheidung. 

FC Bayern: All-in bei Harry Kane?

Die Saison 2022/23 sorgte für einen Erkenntnisgewinn beim FC Bayern. Die Idee einer flexiblen Offensive mit vielen verschiedenen Spielern, die für Torgefahr sorgen können, war in der Theorie eine gute, in der Praxis aber nicht vollumfänglich zufriedenstellend. Es gab viele Spiele, insbesondere zu Beginn der Saison, in denen sich die Vorteile zeigten: Bayern wirkte unberechenbar, die Positionsrochaden brachten die Defensive der Gegner durcheinander, die Offensivspieler waren für den Gegner kaum greifbar. Über die gesamte Spielzeit konnte der Rekordmeister dies aber nicht durchziehen, auch aufgrund von Formschwankungen einiger Schlüsselspieler. Als auch noch Eric Maxim Choupo-Moting (34) immer häufiger ausfiel, legten sich die Verantwortlichen fest, dass eine neue Nummer „9“ her muss.



Früh war klar: Von einer Kompromisslösung will im Transfergremium des FC Bayern niemand etwas wissen. Stattdessen kursierten Namen wie Victor Osimhen (24), Dusan Vlahovic (23) und Harry Kane (29) durch die Medien. Letzterer ist, das steht mittlerweile seit Wochen fest, der Kandidat Nummer eins in München. Ein erstes Angebot lehnte Tottenham aber ab, ein zweites ebenso. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge lag das Angebot im Bereich von 80 Millionen Euro plus Bonuszahlungen. Den Spurs reicht das nicht, sie signalisieren, dass der Spieler nicht verkauft werden soll.

Nun gibt es aber Argumente, die für einen Transfer sprechen. Im Sommer 2024 ist der Spieler ablösefrei und die größte Angst der Verantwortlichen bei Tottenham ist es, den Angreifer an einen englischen Konkurrenten zu verlieren. Außerdem soll der Spieler einem Wechsel gegenüber nicht abgeneigt sein, weil er endlich große Titel gewinnen will. Mit Tottenham und der englischen Nationalmannschaft gelang ihm das bisher nämlich nicht. Die Frage ist nun, ob und wann der FC Bayern all-in geht und wie ein Paket aussehen könnte, bei dem die Grenzen ausgereizt werden.

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Die L’Equipe berichtete jüngst, dass der Rekordmeister bereit ist, 100 Millionen Euro für den Engländer auf den Tisch zu legen. Das erscheint realistisch, denn bisher wurde noch nichts vom großzügigen Transferbudget angerührt. Der nächste Kane-Vorstoß dürfte nun mit einer deutlichen Erhöhung des Angebotes einhergehen. Die ersten beiden Offerten sollten dem Spieler und auch den Spurs das Signal senden, dass der FCB bereit ist, einen Transfer dieser Größenordnung über die Bühne zu bringen. Und so etwas nimmt nun einmal Zeit in Anspruch.

Die Gefahren des Pokers mit Tottenham

Wer jetzt aber davon ausgeht, dass der Kane-Poker mit Tottenham so verläuft, wie es bei vielen Transfers der Fall ist, der irrt sich. Es wird keine schrittweisen Annäherungen beider Parteien geben, denn Daniel Levy (61), der Präsident der Spurs, ist ein unangenehmer Verhandlungspartner. Er wird sich keinen Schritt auf den Rekordmeister zubewegen. Vor allem dann nicht, wenn der Spieler nicht aktiv auf den Klub zugeht und seinen Wechselwunsch kund tut. Dass der 29-Jährige selbst das Heft in die Hand nehmen und mindestens das Vertragsangebot der Spurs, das ihm knapp 25 Millionen Euro Jahresgehalt bescheren würde, ablehnen muss, steht wohl außer Frage.

Harry Kane könnte in diesem Sommer zum FC Bayern wechseln.

(Photo by Richard Heathcote/Getty Images)

Die Spurs sendeten dem Spieler mit ihrem massiven Angebot jedenfalls ein deutliches Signal: Wir sind bereit, für dich an die Grenzen zu gehen. Solange diese Offerte unbeantwortet bleibt. dürfte Tottenham ähnlich vorgehen, wenn der FC Bayern mit einem neuen Angebot anklopft. Je länger dahingehend keine Klarheit herrscht, desto schwieriger wird es für den Rekordmeister, den Wunschspieler zu verpflichten. Zumal Tottenham in vergangenen Verhandlungen gezeigt hat, dass sie in der Lage sind, Gespräche derart in die Länge zu ziehen, dass die Interessenten aussteigen oder die Nordlondoner spät in der Transferphase ihre eigenen Ziele bei der Ablösesumme erreichen.

Am heutigen Mittwoch kehrte der englische Nationalspieler aus der Sommerpause zurück, sehr kurzfristig wird es Gespräche mit den Verantwortlichen und dem neuen Trainer Ange Postecoglou (57) geben. Der Australier hat mit seiner Art und seinen Visionen bereits früh für eine Art Aufbruchstimmung gesorgt. Nicht auszuschließen also, dass sich diese auch auf den Torjäger auswirkt. Positiv hervorzuheben ist aber, dass der Spieler gegenüber den Verantwortlichen des FC Bayern kommuniziert hat, bei einem Transfer auf jeden Fall nach München wechseln zu wollen. Eine Garantie für einen Wechsel ist das aber noch lange nicht.

Alternativlösungen? Man muss kreativ sein!

Unter Berücksichtigung der aktuellen Faktenlage besteht definitiv die Möglichkeit, dass der FC Bayern am Ende im Poker um Harry Kane leer ausgeht. Eine weitere Saison ohne einen Neuzugang auf der „9“ sollte allerdings unbedingt vermieden werden. Zu groß ist die Gefahr, dass Choupo-Moting wieder mit der ein oder anderen Blessur zu kämpfen hat und man improvisieren muss. Sollte der Stürmer also nicht selbst innerhalb der nächsten Tage ein Zeichen setzen und den Spurs verdeutlichen, dass sein Wunsch nach einem Abgang überwiegt, muss der Bundesligist automatisch nach Alternativen schauen.

Denn: Wird – als Beispiel – im August die endgültige Absage erteilt, dann fehlt möglicherweise die Zeit, um eine gute Alternativlösung zu finden. Ganz zu schweigen davon, dass einige Kandidaten bis dahin vom Markt sein dürften, denn nicht nur Bayern sucht nach einem Stürmer. Läuft die Zeit davon, wissen potenzielle Verkaufsklubs auch um die Verzweiflung beim Verhandlungspartner, der Spieler muss also nicht selten überbezahlt werden. Kreativität bei der Auswahl der Kandidaten ist also gefragt.

Wenn kein Spieler verpflichtet werden kann, der dem Team im Sturmzentrum sofort hilft, muss ein Neuzugang her, der sich perspektivisch in Richtung Weltklasse entwickeln kann. Eine (erneute) Übergangslösung und auf Kane im Sommer 2024 zu hoffen, wenn auch die englischen Klubs in das Rennen einsteigen, wäre in jedem Fall naiv. Für den Moment kann und muss der FC Bayern noch abwarten, aber im Hintergrund sollte eine möglichst durchdachte, zweigleisige Planung vorgenommen werden.

(Photo by Clive Rose/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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