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Felix Magath rettet Hertha BSC: Gar nicht mal so schlecht

24. Mai 2022 | Spotlight | BY Florian Weber

Kommentar | Felix Magath, einst der erfolgreichste Trainer Deutschlands, wurde belächelt und verspottet, seitdem er im März bei Hertha BSC das Amt des Cheftrainers übernahm. Nun hat er gezeigt: Die graue Eminenz hat’s noch immer drauf!

Das Gelächter war groß, als Hertha BSC am 13. März 2022 verkündet hat: Felix Magath (68) wird auf den entlassenen Trainer Tayfun Korkut (48) folgen. Ausgerechnet der 68-jährige Quälix sollte einen Hauptstadtclub, der so glamourös ist wie die Geissens, vor dem Abstieg retten? Ein kollektives „Ach, herrje“ hallte durch Twitter. Das Bild, was die Hertha sich in den letzten Jahren emsig erarbeitet hatte, wurde einmal mehr bestätigt. Der Abstieg, da waren sich plötzlich fast alle einig, war damit sehr viel wahrscheinlicher geworden.

Felix Magath und Hertha BSC: Wenn ein Anruf reicht

Stefan Rommel führte in einem wunderbaren Kommentar für „SPOX“ aus, wieso das Gelächter so groß war. Felix Magath sei die unkreativste und konservativste aller möglichen Lösung. Denn für seine Verpflichtung brauche die Hertha „weder eine Scoutingabteilung, noch einen Sportdirektor, noch externe Berater, Einflüsterer oder überhaupt eine sportliche Expertise.“ Es bedürfe lediglich Magaths Telefonnummer. Die hatte Fredi Bobic (50) – und er hat sie gewählt.



Seit gestern muss gesagt werden: Es war ein Anruf, der sich im Endeffekt auszahlte. Denn zu jenem Zeitpunkt, nach dem 26. Spieltag, lag die Hertha auf dem 17. Tabellenrang, einem direkten Abstiegsplatz. Seit neun Spielen waren die Berliner ohne Sieg, fünf Spiele in Serie hatten sie verloren. Teils desaströs. Das Team war ein Trümmerhaufen. Die einzige Mission, die der neue Trainer erfüllen sollte, war der Klassenerhalt. Egal wie. Das wusste auch Fredi Bobic und nur aus diesem Grund, weil die langfristige Entwicklung, die Reputation oder mitreißender Offensivfußball in dieser Situation völlig egal waren, rief er Felix Magath an.

Magath erhörte den Ruf und hauchte der Hertha gemeinsam mit seinem Co-Trainer Mark Fotheringham (38) neue Vitalität ein. Nicht dauerhaft, aber ausreichend viel, um die Mission zu erfüllen. Unter dem Duo Magath und Fotheringham gewann die Berliner drei ihrer acht Partien und spielten einmal Remis. Es wirkte oft glanzlos, aber bis auf das Derby-Debakel gegen Union Berlin in jedem der Spiele so, als glaube die Mannschaft daran, punkten zu können. Egal ob gegen Bayer Leverkusen, VfB Stuttgart oder Borussia Dortmund.

Als die Hertha es dann trotz einer guten Ausgangslage vor den letzten beiden Spieltagen nicht schaffte, den Abstieg auf direktem Wege zu vermeiden, und den Umweg über die Relegation gehen musste, war das Gelächter ähnlich laut wie im März. Als sie das Hinspiel der Relegation dann auch noch mit 0:1 gegen den Hamburger SV verloren hatten, schlug das Ganze gar in Häme um. Magaths Aussage auf der Pressekonferenz vor dem Rückspiel, dass der Druck beim HSV und nicht bei der Hertha liege, wurde in den sozialen Medien vielstimmig als „lächerlich“ bezeichnet.

Felix Magath: Plötzlich Spielerflüsterer

Das Relegationsrückspiel am Montagabend Volksparkstadion gab Magaths Aussage, so obskur sie vor dem Spiel noch geklungenen hatte, recht. Der HSV zitterte und fand sich kaum zurecht. Natürlich auch, weil Dedryck Boyata die Berliner nach vier Minuten in Führung köpfte. Ein weitere Grund war aber, dass Magath seine Mannschaft brillant einstellte. Anderes als im Hinspiel agierte die Hertha mit einer Mittelfeldraute statt mit einem flachen 4-4-2. Bemerkenswert dabei: Magath, dem oft autoritäres Gehabe nachgesagt wird, stellte auf Anraten der Mannschaft um.

„Die Idee kam auch aus der Mannschaft“, sagte Marc-Oliver Kempf nach dem Spiel. „Prince [Boateng] hatte da großen Anteil. Wir dachten, das passt besser gegen den HSV: mit einem klaren Sechser das zu spiegeln, dass wir Mann gegen Mann draufgehen können. Und es hat sich ausgezahlt.“ Es wirkte fast, als hätte die gemeinschaftliche Entscheidung in der Mannschaft einen Geist geweckt, der sich im Rückspiel in Leidenschaft geäußert hat. Fraglos war die Anpassung aber auf taktischer Eben ein Erfolg. Die Achter Suat Serdar und Lucas Tousart blockierten den sonst so furiosen Hamburger Spielaufbau mit einer starken Mannorientierung. Santiago Ascacibar räumte dahinter auf und verhinderte die im Hinspiel noch so gefährlichen Tiefenpässe hinter die Mittelfeldreihe.

(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)

Auch wenn die Methoden von Felix Magath (Medizinbälle, Frischkäse oder der „Berg der Leiden„) nicht mehr Zeitgemäß sind, das Gespür ist ihm nicht abhanden gekommen. Dass Magath erst den FC Bayern München zweimal, später den VfL Wolfsburg völlig überraschend zu Deutschen Meisterschaft coachte, war nun mal kein Zufall. Es gab eine Zeit, da war Quälix der wohl erfolgreichste Trainer des Landes. Solche Erfolge sind mit Magath im heutige Fußball nicht mehr möglich. Das weiß er aber auch selbst. In einer kleinen, temporär begrenzten Mission, kann er aber auch heutzutage noch erfolgreich sein. Das hat er in dieser Saison bewiesen. Es ist also an der Zeit, sich erstmal wieder zur Ruhe zu setzen. „Ich habe die schwierigste Aufgabe meiner Trainer-Karriere hinter mir“, sagte Magath, „ich werde jetzt wieder nach Hause gehen und Holz hacken.“

Die Kritik an der Verpflichtung von Felix Magath ist auch heute noch genauso richtig wie am 13. März. Einen Trainer zu verpflichten, der seit einem Jahrzehnt keinen Erfolg mehr hatte, ist unkreativ und ein Ausdruck von Verzweiflung. Nun, die Häme aber, mit der Magath, Bobic und die Hertha damals überschüttet wurden, die war völlig Fehl am Platz. Damals schon – und heute, nachdem Magath die Hertha tatsächlich vor dem Abstieg bewahrt hat, umso mehr. Etwas weniger selbstgerechtes Besserwissertum und mehr Respekt sollte den grauen Eminenzen des Fußballs entgegengebracht werden.

(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)


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