Hoher Anspruch, viel Talent: Gelingt Eintracht Frankfurt die Weiterentwicklung?

22. August 2024 | Bundesliga | BY Yannick Lassmann

Obwohl Eintracht Frankfurt Rang sechs belegte, stellte die abgelaufene Spielzeit weder die Beteiligten noch das Umfeld vollends zufrieden. Die Ansprüche am Main sind aufgrund des auf vielen Positionen hochbegabt besetzten Kaders gestiegen. Ob in der neuen Saison tatsächlich eine Weiterentwicklung gelingt, könnten schon die ersten Wochen zeigen.

Eintracht Frankfurt setzt weiter auf Toppmöller

Eintracht Frankfurt qualifizierte sich als Tabellensechster direkt für die Europa League. Trotz der zweitbesten Platzierung der vergangenen 30 Jahre herrschte keine allzu große Freude am Saisonende. Denn das Zustandekommen war alles andere als überzeugend. Die SGE profitierte von einer schwachen Konkurrenz. Die erzielten 47 Punkte reichten zuletzt 2014/15 zur Teilnahme am Europapokal.



Darüber hinaus enttäuschte die Mannschaft von Trainer Dino Toppmöller (43) in den Pokalwettbewerben. In DFB-Pokal setzte es das Aus in Saarbrücken (0:2), auf der geliebten europäischen Bühne erwies sich Royal Union Saint Gilloise als zu stark. Insbesondere in der Rückserie, in der nur magere 20 Zähler heraussprangen, häufte sich die Kritik an Toppmöller, da die SGE in vielen Spielen mit dem Ball nur wenig anzufangen wusste. Bezeichnend dafür sind die nur 405 abgegebenen Torschüsse, der drittniedrigste Wert innerhalb der Bundesliga.

Außerdem verlor Eintracht Frankfurt an defensiver Stabilität und kassierte gleich 30 Gegentore. So stand eine Trennung vom jungen Trainer, der zuvor Julian Nagelsmann (37) beim FC Bayern München assistierte, durchaus im Raum. Sportdirektor Markus Krösche (43), dem vor allem die verspätete Verpflichtung eines Mittelstürmers vorgeworfen wird, bekannte sich aber schließlich zum manchmal etwas spröde auftretenden Toppmöller, dessen Trainerstab durch zwei neue Assistenten ergänzt wurde.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Anführer gehen, viel Talent kommt dazu

Anders als auf der Führungsebene herrschte im Kader reichlich Bewegung. Mit Makoto Hasebe (40) und Sebastian Rode (33) beendeten zwei prägende Figuren der letzten Jahre ihre Karriere, die sportlich in der vergangenen Spielzeit zwar keine große Rolle mehr spielten, deren Wort in der Kabine aber immer noch eine hohe Bedeutung besaß. Ansonsten verabschiedeten sich hauptsächlich Akteure, die ohnehin kaum Einsatzchancen besaßen. Ausgenommen davon ist Willian Pacho (22), den es für rund 40 Millionen Euro zu Paris St. Germain.

Der Innenverteidiger kam erst im vorherigen Sommer aus Antwerpen für rund ein Drittel der eingenommen Ablöse. Dieser Transfer unterstreicht den Weg der SGE. Sie verpflichtete nämlich gleich fünf Akteure, die nicht einmal 23 Jahre alt sind. Bei Hugo Ekitiké (22), der nach schleppendem Beginn zum Ende der Rückrunde aufblühte, wurde die Kaufoption von über 16 Millionen Euro gezogen. Mit Can Uzun (18/1. FC Nürnberg), der mit Abstand talentierteste Spieler der 2. Bundesliga, Krisztián Lisztes (19/Ferencvaros), Aurelé Amenda (21/BSC Young Boys) und Oscar Hojlund (19/FC Kopenhagen) kamen weitere Talente. Sie benötigen womöglich noch etwas Anlaufzeit, sollen aber langfristig sportliche wie finanzielle Werte schaffen. Selbiges scheint beim nach Leihrückkehrer Igor Matanovic (21) möglich, der nicht nur beim Karlsruher SC, sondern auch in der Vorbereitung überzeugte.

Als Soforthilfe gilt dagegen der erst am Sonntag nach der Absage von Wunschspieler Konstantinos Koulierakis (20) vorgestellte Arthur Theate (24/Stade Rennais). Der 18-fache belgische Nationalspieler soll in der Innenverteidigung an der Seite des fest verpflichteten EM-Fahrers Robin Koch (27) agieren und könnte notfalls auch auf die linke Seite ausweichen. Die rechte Außenverteidigerposition wurde mit dem zuletzt bei der AS Roma aktiven Rasmus Kristensen (27) ebenfalls verstärkt.

Eintracht Frankfurt: Neue Achse, Dreier- oder Viererkette?

Ob die Transfers ausreichen, um der leicht ins Schwanken gekommenen SGE die nötige Stabilität und Widerstandskraft zu verleihen, bleibt abzuwarten. Gefragt sind in dieser Saison als Leistungsträger eingeplante Profis wie der neue Kapitän Kevin Trapp (34), der zuletzt weit von Bestform entfernt war, Robin Koch, der noch nicht an sein Niveau aus Köln herankommende Ellyes Skhiri (29) oder Mario Götze (32), Das Quartett soll das durch den Abtritt von Hasebe sowie Rode entstandene Vakuum schließen, benötigt aber zunächst ein konstantes eigenes Leistungslevel, um diese Aufgabe erfüllen zu können. Orientieren könnte es sich an Omar Marmoush (25), der trotz der ungewohnten Stürmerrolle mit Leistung voranging und beachtliche 17 Pflichtspieltore erzielte.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Doch auch Trainer Toppmöller, der in den den letzten Wochen häufiger klare Worte wählte und die Mannschaft nicht ausschließlich in Schutz nahm, ist gefordert. In der Vorbereitung tüftelte er weiter an der idealen Ausrichtung, wechselte munter zwischen Dreier- und Viererkette, ohne die ideale Lösung zu finden. So misslang der letzte Test beim FC Valencia (2:3), da die auf Ballbesitz setzende und nach mehr Zielstrebigkeit strebende SGE weiter Schwächen bei der Verteidigung von Tiefenbällen und Standardsituationen preisgab. Besonders der aus Bern gekommene Innenverteidiger Amenda gab eine unglückliche Figur ab.

Beim Pokalspiel in Braunschweig (4:1) zählte er nicht zur mit reichlich Qualität gefüllten Startelf, genauso wie ein Großteil der Neuzugänge. Lediglich Kristensen absolvierte sein erstes Pflichtspiel von Beginn an im Frankfurter Trikot und legte einen ordentlichen Auftritt hin. Das Dreier-Mittelfeld um Skhiri, Götze und den Schweden Hugo Larsson (20), der eine beeindruckende Hinserie spielte, könnte bei vorhandener Form läuferisch wie spielerisch Bundesliga-Toplevel erreichen. Nach vorne hin können sich die Fans wohl auf mehr Spektakel freuen. Ein Blick auf Marmoush und Ekitiké, der in Braunschweig nach der Pause einen Gala-Auftritt hinlegte, wird sich wohl lohnen.

Reicht der Kader für die Dreifachbelastung?

Klar scheint, dass die SGE auf eine hervorragend besetzte erste Elf zurückgreifen kann, deren größte Schwachstelle wohl auf der linken Verteidigerposition liegt. Sowohl Niels Nkounkou (23) als auch Leih-Rückkehrer Nathaniel Brown (21) bringen zwar Offensivdrang mit, hinterlassen defensiv allerdings die ein oder andere größere Lücke, das gerade in einer Viererkette große Probleme mit sich bringt.

Abgesehen davon bleibt abzuwarten, wie der Kader die Dreifachbelastung verkraftet. Anders als in der Vorsaison will Eintracht Frankfurt nämlich national wie international eine ernstzunehmende Rolle spielen. Dafür müssen  die Leistungsträger in Abwehr- und Mittelfeldzentrum jedoch gesund bleiben. Im Angriff weist der Kader Alternativen, wie etwa Matanovic und den teils noch sehr etwas zu wilden Uzun auf. Ekitiké, der ein absoluter Unterschiedsspieler sein kann, darf dabei nicht in ein Loch fallen.

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Neben der personellen Situation wird auch der Start eine wichtige Rolle im Saisonverlauf spielen. Die SGE könnte es mit einigen guten Spielen/Resultaten schaffen, wieder eine große Euphorie im Umfeld herzustellen. Ein Punktgewinn beim Bundesliga-Auftakt in Dortmund könnte bereits einen ersten Schritt darstellen, ehe anschließend mit Hoffenheim, Wolfsburg und Mönchengladbach durchaus lösbare Aufgaben warten.

Wohin führt der Weg der SGE?

Sollte jedoch in den ersten Begegnungen an die Rückrunde angeknüpft werden, könnte die Stimmung schnell kippen. Trainer Toppmöller besitzt bei manchen Fans kein allzu großes Ansehen und steht auch intern im Fokus. „Die Mannschaft ist gewachsen und jetzt müssen wir die PS auf die Straße bringen“, forderte Vorstandschef Axel Hellmann (53), der sich gegen Ende der vergangenen Saison schon kritisch zum Spielstil geäußert hatte.

„Es ist nicht so schwer, dafür zu sorgen, dass dieses Stadion aus dem Sattel kommt, um es mal klar zu sagen. Und das muss uns einfach mal von Anfang an gelingen“, lauteten seine klaren Worte nach einer von zu vielen verpatzten Halbzeiten. Allzu viele Darbietungen dieser Sorte darf sich die SGE nicht erlauben, sonst könnte Toppmöller schon bald auf der Kippe stehen.

Dem Fußballlehrer steht in seinem zweiten Jahr am Main ein – vor allem im Angriff – ein verbesserter Kader zur Verfügung, mit dem die Europapokalränge erreicht werden müssen. Die Eintracht ist individuell weiterhin besser aufgestellt, als alle Mannschaften, die im Vorjahr hinter ihr landeten. Ihr muss es gelingen, die fußballerische Überlegenheit regelmäßiger auf den Platz zu bringen, sich eine Mehrzahl an Torchancen zu erspielen und diese auch entsprechend zu verwerten. Dann dürfte auch das ein oder andere enge Spiel mehr gewonnen werden und die Punktzahl von 47 klar übertroffen werden.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

 

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


Ähnliche Artikel