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Borussia Mönchengladbach: Eine fast egale Saison – und nun?

28. Mai 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Borussia Mönchengladbach hatte am 34. Spieltag der Bundesligasaison 2022/23 doch noch etwas zu jubeln. Schön herausgespielte Tore sorgten für einen ungefährdeten Heimsieg. Etwas, das es in den vergangenen Monaten zu selten gab. Der Abschied einer Vereinsikone wie Lars Stindl rundete den Nachmittag ab. Nicht aber die Saison. Das wird Teil der Analyse sein müssen. 

Borussia Mönchengladbach: Zu gut für unten, zu schlecht für oben

Neue Saison, neuer Trainer, neues Glück: So lautete die Marschroute bei Borussia Mönchengladbach vor dem Start der Saison 2022/23. Daniel Farke (46), früher bei der 2. Mannschaft des BVB aktiv und damit in Deutschland bekannt, sollte den Fohlen neues Leben einhauchen. In England machte er sich einen Namen, weil er mit Norwich City zweimal in die Premier League aufstieg und dort mutigen Fußball spielte. Zwar ohne Erfolg im Form eines Klassenerhaltes, aber zugegeben auch mit einer Mannschaft, die individuell auch in den Tabellenkeller gehörte. Das war bei der Borussia nicht der Fall.

 



Die großen Investitionen blieben zwar aus, aber eine konkurrenzfähige Mannschaft hatte Gladbach zweifelsohne zur Verfügung. Yann Sommer (34) bis zum Winter, Nico Elvedi (26), Ramy Bensebaini (28), Julian Weigl (27), Manu Koné (22), Jonas Hofmann (30) oder Marcus Thuram (25) könnten auch bei vielen anderen, ambitionierten Klubs in der Liga eine gute Rolle spielen. Farkes Aufgabe: Die Mannschaft stabilisieren, ihr eine klarere Identität verleihen und gleichzeitig noch den ein oder anderen jungen Spieler einbauen. Ohne den ganz großen Druck und den ganz großen Stress, denn im Europapokal spielte das Team bekanntlich nicht. 

Daniel Farke, Trainer von Borussia Mönchengladbach

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Der Start verlief ordentlich, zu Saisonbeginn zeigte die Borussia vielversprechende Ansätze, war auch nach dem vierten Spieltag und einem 1:1 beim FC Bayern noch ungeschlagen. Es war bis zum Saisonende nur eine von zwei Phasen, in denen die Farke-Elf so lange ohne Niederlage in der Bundesliga blieb. Auf gute Leistungen folgten schwache, mal reagierte die Mannschaft stark auf Rückschläge, mal wieder nicht. Zeitweise waren gute Ansätze im Kombinationsfußball zu erkennen, dann verfiel das Team wieder in Lethargie. Gladbach war zu gut, um in den Abstiegssog gezogen zu werden, aber auch zu schlecht, um eine nennenswerte Rolle im Kampf um die vorderen Plätze zu spielen.

Borussia Mönchengladbach: Eine Saison im Niemandsland

Nicht nur in der Liga lief es nicht rund, auch im DFB-Pokal war früh Schluss. In der 2. Hauptrunde verloren die Fohlen beim SV Darmstadt 98. Dabei hätten gute Leistungen im Pokal sicher für mehr Schwung sorgen können. Als die WM-Pause begann, befand sich Gladbach noch in Schlagdistanz zu Platz sechs, nach dem 20. Spieltag waren es bis dahin schon neun Punkte, gleichzeitig fiel es schwer, signifikante Verbesserungen im Spielstil zu erkennen. Es hört sich hart an, aber eigentlich war die Saison schon zu diesem Zeitpunkt vorbei. 

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Nach oben ging nichts, nach unten ebenfalls nicht. Nach 24 Spieltagen hatten die Fohlen 30 Punkte auf dem Konto. Zehn waren es bis Platz sechs, zehn bis zur Relegation. Das Niemandsland hatte einen Standort gefunden und das war der Borussia Park. Selbst die Anhänger der Fohlen feierten sich in der Rückrunde mehr selbst als die Mannschaft und den Trainer, die ihnen allerdings auch keinen Anlass dazu gaben. In nahezu allen Belangen präsentierte sich das Team durchschnittlich. Nur eben nicht gegen den FC Bayern, dem wieder vier Punkte abgeknöpft wurden. In diesen Spielen schien durch, was in der Mannschaft steckt. Nur um eine Woche später mit 0:4 in Mainz zu verlieren und dreimal in Folge überhaupt nicht zu treffen. 

Die schwankenden Resultate machten auch dem Trainer zu schaffen. Farke wirkte in manchen Phasen ratlos, fand keine Lösungen gegen offensichtliche Probleme. Die Mannschaft verteidigte mitunter kopflos, kassierte am Ende der Saison 55 Gegentreffer. Nach vorne blieb zu viel von individueller Qualität abhängig, obwohl sich die Verantwortlichen deutlich mehr Mut und Zielstrebigkeit erhofften. Die Passtaffetten, die bei Norwich noch Highlightvideos füllten, beschränkten sich auf ein Minimum. Der Negativhöhepunkt: Farke wurde kurz vor Saisonende sogar von Teilen der eigenen Fans ausgepfiffen. Schon vor dem Spiel.

Die große Analyse bei den Fohlen ist notwendig

Aktuell ist bei Borussia Mönchengladbach vieles offen. Identitfikationsfigur Lars Stindl (34) verlässt den Verein und wechselt zurück nach Karlsruhe, das steht fest. Bensebaini und Thuram gehen ebenfalls andere Wege, beide ebenfalls ablösefrei. Weigl wurde fest verpflichtet, darunter litt bereits das Transferbudget. Viel Geld ist nicht vorhanden, ebensowenig eine klare Ausrichtung für die neue Saison. Die Zukunft des Trainers? Fraglich. Nach der Analyse der Saison wird hier erst Klarheit herrschen. Neuzugänge? Lukas Ullrich (19, Hertha BSC II) und Grant-Leon Ranos (19, FC Bayern II) stehen fest. Für Euphorie sorgt das nicht, auch wenn junge Spieler natürlich kein schlechter Ansatz sind. 

In Mönchengladbach wird es in den nächsten Tagen und Wochen darauf ankommen, eine klare Ausrichtung für die neue Saison vorzugeben. Die Fohlen müssen einen Weg finden, die Baustellen zu beheben und das in Einklang mit den schwierigen Finanzen zu bringen. Große Sprünge sind nicht möglich, ohne einen Topspieler zu verkaufen. Abgesehen von Kone gibt es aber nicht viele Akteure im Kader, die entsprechende Einnahmen garantieren könnten. Und selbst dieser müsste ja ersetzt werden. Fragezeichen en masse also.

Gladbach

(Photo by Neil Baynes/Getty Images)

Die Trainerfrage ist aktuell offen, daran hängt die Frage nach der Art und Weise, wie Fußball gespielt werden soll. Ist das geklärt, können weitere Spieler verpflichtet werden, dafür müssen aber Räume im Kader geschaffen und Einnahmen generiert werden. Es scheint, als würde bei den Fohlen in diesem Sommer vieles auf vergleichsweise späte Entscheidungen hinauslaufen. Das könnte ein Nachteil sein, gerade wenn vermeintliche Konkurrenten schon frühzeitig mit fast fertigen Kadern in die Vorbereitungsphase gehen können. Die Gefahr, dass Gladbach weiter auf der Stelle tritt oder gar noch einen Schritt zurück macht, besteht. Die Qualität der Analyse und die Umsetzung der Erkenntnisse wird ausschlaggebend dafür sein, um dies zu verhindern.

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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