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Hertha BSC benötigt einen Kulturwandel

12. Januar 2021 | Spotlight | BY Marc Schwitzky

Am Sonntagabend hat Hertha BSC aufgrund einer schwachen Darbietung verdient mit 0:1 gegen Arminia Bielefeld verloren. Die Niederlage reiht sich in die vielen Enttäuschungen der laufenden Saison ein und markiert den Gesamtzustand des Vereins – es geht nicht voran. Maßgeblich an den der ausbleibenden Entwicklung beteiligt, ist Geschäftsführer Michael Preetz. Ein Kommentar.

Hertha zeigte in Bielefeld ein bekanntes Gesicht

„Es war heute enttäuschend, weil es auch nicht zu erwarten war“, sagte Hertha-Trainer Bruno Labbadia (54) nach der 0:1-Niederlage bei Arminia Bielefeld. „Wir hatten eine sehr gute Trainingswoche hingelegt und hatten gerade in den letzten drei Wochen, auch mit dem Spiel gegen Schalke, das Gefühl gehabt, auf dem richtigen Weg zu sein.“ Man habe gegen Bielefeld am Sonntagabend den nächsten Schritt gehen wollen – stattdessen ist Hertha BSC allerdings mehrere Schritte zurückgegangen. Es war eine äußerst enttäuschende Leistung auf der Alm, die verdientermaßen in einer Niederlage gegen den Aufsteiger und zuvor Tabellensechszehnten endete.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Der Hauptstadtklub hat damit noch fünf Punkte Abstand auf den Relegationsrang, acht Zähler sind es auf Platz sieben – einmal mehr graues Mittelfeld für die „alte Dame“. Spätestens nach dem beunruhigenden Auftritt in Bielefeld reift die Erkenntnis, dass bei Hertha trotz der großen Ambitionen und vielen Millionen nichts vorangeht. Das wurde wohl bereits bei den Spielen gegen Mainz 05 (0:0) und den SC Freiburg (1:4) klar, doch nun steh wohl offiziell fest: Berlin stagniert, und das seit Jahren. Mittendrin ist ein Mann: Geschäftsführer Michael Preetz (53).

Mit Windhorst sollte bei Hertha alles anders werden

Michael Preetz lenkt die Geschicke bei Hertha als Geschäftsführer Sport seit Juni 2009, also seit über elf Jahren. Seine ersten Jahre waren eindeutig Lehrjahre. Unglückliche Trainerentscheidungen, Auf- und Abstiege – erst um 2014 bis 2016 gelang die feste Etablierung in der ersten Liga. Um diese Jahre soll es in diesem Kommentar allerdings nicht gehen, auch um Preetz fairerweise zu lassen, dass es einfachere Aufgaben gab, als Hertha aus der Dieter-Hoeneß-Ära mit einem dicken Schuldenberg zu führen. Nein, hier soll es um die Jahre danach gehen, vor allem um die Zeit ab 2019.

Im April 2019 verkündete Hertha, dass Pal Dardai (44) ab der kommenden Saison nicht mehr Cheftrainer der „alten Dame“ sein wird. Die Vereinsführung hat sich hiervon einen „neuen Impuls“ für den zuletzt etwas stagnierenden Hauptstadtklub versprochen. Es sollte Schluss mit Platzierungen im schnöden Tabellenmittelfeld sein, stattdessen wurde der Angriff auf die europäischen Ränge anvisiert. Dazu passend wurde Ende Juni 2019 die Zusammenarbeit mit Investor Tennor Holding in Person von Lars Windhorst (44) bekanntgegeben. Vom „Big City Club“, der Champions League und „Low hanging fruits“ wurde gesprochen.

Vorgespult in den Januar 2021 ist davon rein gar nichts zu erkennen. Hertha steht mit dem vierten Cheftrainer seit Dardai auf Rang zwölf, die vergangene Spielzeit wurde auf Rang elf beendet. Viele Fantasien wurden seit dem Einstieg Windhorsts ausgesprochen, über 140 Millionen Euro (transfermarkt.de) in den Kader investiert – geschehen ist aber eigentlich nichts. Hertha bleibt die „graue Maus“, die sie seit so vielen Jahren ist.

Bei Hertha muss oben angesetzt werden

Dabei ist es egal, wer an der Seitenlinie steht. Es ist egal, ob die Spieler auf dem Feld Fabian Lustenberger (32), Davie Selke (25) oder Lucas Tousart (23) heißen. Das Ergebnis bleibt stets dasselbe: Hertha entwickelt sich nicht. Die Stagnation des eigentlich so motiviert erscheinenden Projekts stagniert auf eine so frustrierende Weise, dass man schreien will – oder einfach einnickt.

Die Probleme, die Hertha hat, sind natürlich auch auf dem Feld zu suchen, doch eigentlich wäre es müßig, denn der Verein hat ein übergeordnetes Problem. Wenn die abhängigen Variablen auf der Trainerbank- und im Kader gleichbleibend enttäuschen, muss es eine unabhängige geben, die sie (negativ) beeinflusst. Und hier stößt man am Ende jeder Suche eben auf die Personalie von Michael Preetz. Michael Preetz ist die Konstante im Verein. Er lebt als Geschäftsführer Sport die Vereinskultur vor. Preetz definiert, wofür Hertha sportlich steht, was die Ziele sind und wie man tagtäglich dafür arbeitet, diese zu erreichen. Und hier ist ein äußerst ernüchterndes Fazit zu ziehen.

Hertha kommt mit Preetz nicht vom Fleck

Es scheint also egal zu sein, wer die Mannschaft trainiert und wie diese bestückt ist – das Ergebnis bei Hertha bleibt seit Jahren das enttäuschend gleiche. Die Ratlosigkeit Labbadias nach der Niederlage in Bielefeld drückt passend aus, dass die Probleme bei Hertha teilweise nicht wirklich greifbar sind.

Es sind weiche Faktoren. Vereinsphilosophie, Ehrgeiz, Leidenschaft – all diese Dinge sind bei den Blau-Weißen Problemzonen. Der Geist stimmt nicht. Das, was von den Vorgesetzten vorgelebt wird, strahlt auch auf das Feld und damit die Spielerleistungen aus. Es ist beinahe wie in den letzten Erstligajahren des Hamburger SV. Oftmals erwischte man sich vor der Saison, wenn man auf den Kader blickte, selbst bei dem Satz: „Och, so schlecht ist die Truppe aber nicht! Da geht doch was.“ Die Probleme in den oberen Vereinsebenen schlugen sich allerdings jede Spielzeit auch auf dem Fußballplatz nieder. Das Vereinsklima ist eben entscheidend.

Preetz versäumt es seit jeher, Ambitionen auszustrahlen. Es fehlt eine vereinende Idee, die jede Person im Klub mitziehen und von mehr träumen lässt. Seit Jahren wird kein wirklicher Spirit entwickelt, das Investment Windhorsts hat hierbei bislang auch keine Abhilfe geleistet. Vielmehr ist der Druck auf Preetz nur gewachsen. Hertha hat mit den Windhorst-Millionen eigentlich mit dem Weg des Mittelmaßes gebrochen. Ein Platz im Mittelfeld ist aufgrund des Geldes, das in dem Kader steckt, nicht mehr zu rechtfertigen. Und so scheint es, dass sich der 2019 aufgeweckte Riese langsam wieder desinteressiert schlafen legt.

Ein „Weiter so“ kann es bei Hertha nicht geben

Hertha BSC hat mit dem Investment eine einmalige Chance erhalten: Endlich in die Phalanx der Top-Sechs-Vereine hineinstoßen! Der Verein dümpelt jedoch weiter im morastigen Niemandsland der Bundesliga herum. Hertha tut niemandem weh, ist aber auch weiter nicht spannend. Das kann und darf nicht der Anspruch des Hauptstadtklubs sein – irgendwann ist das viele Geld auch aufgebraucht, bis dahin muss das Ziel erreicht sein. Das hier auch offensichtliche Faktoren, wie massive Fehler in der Kaderplanung, Stöcker in die Speichen werfen, ist ebenfalls wichtig, aber würde den Rahmen dieses Kommentares sprengen.

Dass mit Preetz noch der große Erfolg kommt, glaubt im Vereinsumfeld eigentlich niemand mehr. Und auch in der Klubführung scheinen die Zweifel zu wachsen. Es wird kein Zufall sein, dass Arne Friedrich (41) vor der laufenden Saison als Sportdirektor installiert wurde, um dem Verein ein neues und dem Kader ein anderes Gesicht zu geben. Viel entscheidender ist jedoch die Personalie Carsten Schmidt (57). Dieser ist seit Dezember 2020 neuer Vorsitzender der Hertha-Geschäftsführung und damit Vorgesetzter von Preetz. Es scheint unwahrscheinlich, dass man Schmidt dazu geholt hätte, wenn man absolut zufrieden mit der Geschäftsführung wäre.

Am Ende des Tages ist Hertha BSC ebenfalls ein Wirtschaftsunternehmen. Selten dauern dort die Amtszeiten eines Geschäftsführers über zehn Jahre an. Preetz ist über elf Jahre Geschäftsführer Sport bei Hertha. Es braucht in vielen Bereichen des Lebens in regelmäßigen Abständen Veränderungen, um aus der Vergangenheit lernen und neue Wege gehen zu können. So auch bei der „alten Dame“, die dringend einen Kurswechsel, eine neue Kultur braucht. „Hertha BSC  ist ein Rätsel, an dem nicht einmal die Lösung interessant ist“, twitterte Hertha-Blogger Marxelinho. Klar ist aber: Die Lösung wird mit Michael Preetz wohl nicht mehr kommen. Wie heißt es so schön: Es war nicht alles schlecht. Aber ein „Weiter so“ in den etablierten Strukturen kann es aufgrund der letzten Jahre nicht mehr geben.

Marc Schwitzky

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Marc Schwitzky

Erst entfachte Marcelinho die Liebe zum Spiel, dann lieferte Jürgen Klopp die taktische Offenbarung nach. Freund des intensiven schnellen Spiels und der Talentförderung. Bundesliga-Experte und Wortspielakrobat. Seit 2020 im 90PLUS-Team.


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