Spotlight

Uli Hoeneß: Das derzeit größte Problem des FC Bayern?

28. April 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Uli Hoeneß hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass der FC Bayern München in den vergangenen Jahrzehnten eine Entwicklung zu einem der weltgrößten Vereine durchlaufen hat. Doch in der jüngeren Vergangenheit war es ausgerechnet der Ehrenpräsident selbst, der dem Klub gewisse Schwierigkeiten bereitet hat. 

Die jüngsten Aussagen beim FAZ-Kongress, als er unter anderem über Thomas Tuchel sprach, ihm offensichtlich völlig falsche Worte in den Mund legte und auch noch deutlich darauf hinwies, dass Ralf Rangnick nicht mehr als eine C-Lösung sei , sind der vorläufige Höhepunkt. Die Zeiten, in denen man Hoeneß-Interviews noch milde lächelnd hinnehmen konnte, sind vorbei.



Kein ruhiges Frühjahr für den FC Bayern

Die Saison 2022/23, da waren sich alle beim FC Bayern einig, sollte sich in dieser Form nicht wiederholen. Julian Nagelsmann wurde im Frühjahr entlassen, als er noch die Chance hatte, alle drei Titel zu gewinnen. Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic wurden kurz vor dem Saisonfinale entlassen. Die Unruhe im Klub und um den Klub herum nahm kein Ende. Thomas Tuchel wurde als neuer Trainer installiert, musste aber schnell feststellen, dass es nicht bloß einen neuen Impuls benötigt, um die Grundsatzprobleme zu lösen.  Schlüsselspieler liefen ihrer Form hinterher, die Nachfolge von Kahn und Salihamidzic wurde nicht zeitnah geklärt, sodass Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge wieder vermehrt in den Mittelpunkt rückten.

Alles rund um die Bundesliga findet ihr hier 

Auch im Sommer kehrte keine Ruhe ein. Die Transfer-Taskforce um Marco Neppe, den genannten Rummenigge und Hoeneß sowie Trainer Tuchel hatte viele Ideen, aber keine Linie. Bei der Personalie Kane waren sich immerhin alle einig, bei der Dringlichkeit, einen 6er zu finden, allerdings nicht. Tuchel wollte Declan Rice, der Rest ihm lange gar nicht zugestehen, dort tätig zu werden. Auch die Spieler, die sonst mit dem Rekordmeister in Verbindung gebracht wurden und bei denen es mehr als nur ein Gerücht war, passten nicht zueinander, waren teilweise völlig verschiedene Spielertypen.

Und selbst beim Kane-Kaugummi-Transfer, der letztlich über die Bühne ging, gab es einige Rückschläge und zähe Verhandlungen. Vor allem die öffentlichen Aussagen Hoeneß‘, der verkündete, dass Tottenham schon irgendwann einknicken werde, kamen bei Daniel Levy und den Spurs gar nicht gut an, sorgten für erneute Missstimmungen zwischen den Verhandlungspartnern und Verzögerungen beim Deal. Rund um die aktuelle Trainersuche des FC Bayern zeigt sich: Zwar herrschen dank Max Eberl und Christoph Freund andere Strukturen, die komplette Ruhe ist aber nicht vorhanden.

Hoeneß hat noch immer (zu) viel Einfluss

Doch warum ist das so? Dass Wunschkandidat Xabi Alonso in Leverkusen bliebt, war zwar vielleicht ein wenig überraschend, aber früh klar. Danach war sehr viel Zeit, die vielen Kandidaten, die das Duo Freund/Eberl auf der Liste hatte, nach und nach abzuklopfen. Doch die Suche stockte. Bis Julian Nagelsmann vor allem von Eberl als Topkandidat durchgesetzt wurde. Doch jetzt kommt der Aufsichtsrat ins Spiel, in dem auch Hoeneß – neben Rummenigge – Einfluss nimmt. Dieser konnte sich nämlich nicht auf Nagelsmann einigen, das Prozedere verzögerte sich und ehe es richtig konkret wurde, verlängerte Nagelsmann beim DFB.

Nagelsmann

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Das größte Problem derzeit: Das Duo Freund/Eberl ist durchaus dazu bereit, innovative Wege zu gehen, von ihnen kam unter anderem auch der Vorschlag, Roberto de Zerbi für den Job zu interviewen, auch Arne Slot, derzeit ganz heißer Kandidat beim FC Liverpool, soll kurz auf der Liste gestanden haben. Doch solange der Aufsichtsrat eine Opposition gegen Namen wie diese bildet, bleibt es schwierig, diese Trainer zu kontaktieren und ihnen einen klaren Weg und Plan aufzuzeigen. Dass es auch bei einigen (sehr plausiblen) Transferideen in den letzten Jahren ein Veto des Aufsichtsrates gegeben hat, ist mittlerweile auch kein Geheimnis mehr.

Hoeneß wollte sich in den Hintergrund zurückziehen, bestimmt aber weiterhin mit. Weil er nicht loslassen kann. Und wenn ihm eine Idee nicht passt, dann nutzt er seinen Einfluss auf Teile des Aufsichtsrates und sorgt zumindest für Gegenstimmen. Rummenigge tut das auch in gewissem Maße, soll gerade bei Nagelsmann auch skeptisch gewesen sein. Trotzdem gibt es zwischen beiden einen sehr großen Unterschied: Rummenigge hält sich in der Öffentlichkeit zurück.

Die jüngsten Hoeneß-Aussagen geben Anlass zur Sorge

Das ist einer der entscheidenden Punkte. Hoeneß-Aussagen sorgten in den letzten Jahren immer wieder für Aufsehen. Doch von „Abteilung Attacke“ mit Kalkül wie früher kann keine Rede mehr sein. Seine „wenn sie wüssten, wen wir alles schon sicher haben“ vor einem Transfersommer, in dem nur drei Spieler (darunter Fiete Arp) fest verpflichtet wurden, fielen ihm schon auf die Füße. Das Medienecho blieb aber aus, eben weil es Hoeneß war und er immer mal wieder mit solchen Aussagen auffiel. Doch der Wind hat gedreht. Die Aussagen beim FAZ-Kongress schlagen dem Fass den Boden aus. 

Nicht nur, dass Hoeneß in den letzten Jahren durch seine Aussagen und Handlungen deutlich machte, dass er die neuesten Entwicklungen im Weltfußball nicht mehr adäquat verstehen und einordnen kann, was durch angesprochenen Einfluss auf den AR natürlich auch Folgen für den Verein selbst hat, jetzt brachte er kurz vor einem Halbfinale in der Champions League noch total unnötig Unruhe rein. Diese Aussagen sorgen nicht mehr nur für ein Kopfschütteln, sie sind vereinsschädigend.

Hoeneß

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

„Ich verstehe mich sehr gut mit ihm. Aber er hat eine andere Einstellung. Er meint nicht, dass er einen Davies, Pavlovic oder Musiala verbessern kann. Wenn es nicht klappt, sollte man einen anderen kaufen. Ich meine, man sollte hart an ihnen arbeiten und ihnen Selbstvertrauen geben“, so der Ehrenpräsident. Bitte was? Insbesondere Aleksandar Pavlovic hatte unter Tuchel bekanntermaßen einen großen Sprung gemacht, wurde sogar für die Nationalmannschaft nominiert.

Kein Wunder, dass Tuchel entsprechend harsch reagierte, auch wenn ihm selbst anzumerken war, wie fassungslos ihn die Aussagen machen: „Das ist meilenweit an der Realität vorbei. Gerade diese drei Spieler (Musiala, Davies, Pavlovic) in diese ohnehin schon komplett falschen Inhalte reinzubringen, kann ich nicht nachvollziehen und ich habe wenig Verständnis dafür. Ich finde es absolut haltlos. Dadurch, dass es von Uli, unserem Boss, ist, dass es vier Tage vor unserem Spiel gegen Real Madrid ist, kriegt es eine andere Note. Für mich persönlich kratzt es mein tiefstes Verständnis als Trainer an.“

Zusammenfassend hat Uli Hoeneß nicht nur sein Verhältnis zu Thomas Tuchel beschädigt, sondern auch Unruhe vor dem wichtigsten Spiel der Saison hereingebracht. Er hat außerdem ein Signal nach außen gesendet. Und das war kein Gutes. Hoeneß zeigte, dass er noch immer den Hut aufhat, aber scheinbar gar nicht mehr weiß, welche Auswirkungen seine Aussagen haben. Er hat der Mannschaft die Vorbereitung auf ein absolutes Highlightspiel erschwert.

Der FC Bayern hat aktuell verschiedene Probleme, die es zu lösen gibt. Noch steht kein Trainer für die neue Saison fest, die aktuelle Wahl Nummer eins, Ralf Rangnick, könnte sich als falsche Lösung entpuppen und im Kader muss ein Umbruch her. Doch das größte Problem, das Einfluss auf all diese Faktoren hat und die Tragweite der eigenen Handlungen offenbar nicht mehr einzuordnen weiß, heißt ganz offensichtlich Uli Hoeneß. Und das muss ihm nach Thomas Tuchel noch jemand mitteilen.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel