Teamplayer mit exzellenten Fähigkeiten: Darum wird Kim min-jae beim FC Bayern einschlagen
18. Juli 2023 | Trending | BY Manuel Behlert
Der FC Bayern hat sich die Dienste von Kim min-jae gesichert. Der südkoreanische Innenverteidiger kommt von der SSC Napoli nach München und soll beim Rekordmeister gleich eine wichtige Rolle übernehmen.
In der Vorsaison gewann Kim min-jae (26) mit Napoli den Scudetto, war der wohl beste Innenverteidiger in der gesamten Serie A. Nach nur einer Saison in Süditalien folgt nun der nächste Wechsel, diesmal in die Bundesliga. Möglich machte dies eine Ausstiegsklausel im Bereich von 45-50 Millionen Euro. Doch was für ein Typ ist der Südkoreaner, der in Zukunft für den FCB aufläuft?
Kim min-jae: In Neapel sofort Schlüsselfigur
Zugegeben, ein Frühzünder war der Südkoreaner nicht wirklich. Während es viele andere junge Spieler mit entsprechend großem Talent früh in eine der europäischen Ligen schaffen, wechselte er im Januar 2019 aus seiner südkoreanischen Heimat von Jeonbuk Hyundai zu BJ Guoan nach China. Dort hinterließ er zwar einen sehr guten Eindruck, aber eben nicht in einer Topliga. Im Sommer 2021 bediente sich Fenerbahce aus der türkischen Süperlig dann beim chinesischen Klub und verpflichtete Kim min-jae für nur drei Millionen Euro.
Schnell kristallisierte sich heraus: Diese Investition hat sich gelohnt. Anpassungsprobleme im europäischen Fußball hatte er nicht, im Gegenteil. Sofort übernahm er eine dominante Rolle bei Fenerbahce, schon nach einem knappen halben Jahr gab es erste Gerüchte über einen Transfer in eine bessere Liga. Nach einem Fenerbahce-Jahr schlugen die Partenopei aus Neapel zu. Der Südkoreaner sollte in den ambitionierten Plänen, mit einer verbesserten und homogen Mannschaft den Scudetto zu gewinnen, eine große Rolle spielen.
Und das tat er auch. Die 18 Millionen Euro, die Napoli investierte, fühlten sich schnell an wie die drei Millionen Euro, die Fenerbahce zahlte. Kim fügte sich nahtlos in die Defensivstruktur von Luciano Spalletti (64) ein, spielte im Aufbau sauber, dirigierte seine Mitspieler und avancierte schnell zum Stabilisator. 28 Gegentore kassierte Neapel in 38 Ligaspielen – Bestwert. Auch dank Kim. Nach den Feierlichkeiten rund um den Titelgewinn in der Serie A schaltete sich der FC Bayern ein, überzeugte den 26-Jährigen von einem Wechsel und aktivierte die Ausstiegsklausel.
Kim min-jae: Erneute Anpassung erforderlich?
Der Wechsel in die Bundesliga zum FC Bayern stellt den Innenverteidiger vor neue Herausforderungen. In Italien überzeugte er durch seine Kopfballstärke, sein offensives Verteidigen mit vielen abgefangenen Bällen und durch sein sauberes Passspiel. Über 80 Pässe spielte er im Schnitt pro Partie, über 90 Prozent davon fanden den Mitspieler. Und: Der 26-Jährige spielt dabei auch gerne riskante Pässe, kann die Mitspieler gut zwischen den Linien einbinden und auch mal einen langen Ball einstreuen, Angriffe initiieren. Gleichzeitig war Neapel auch eine sehr dominante Mannschaft mit viel Ballbesitz und vielen hervorragenden Technikern im Team, einem klaren Plan. Das erleichtert auch der Defensive den Umgang mit gegnerischem Pressing.
Bei seinem Transfer nach München könnte der Defensivspezialist indes vom modernen Stil, den Napoli unter Spalletti spielte, profitieren. Experte Marco Lai, der für das italienische Portal l’Ultimo Uomo schreibt und Spielanalysen für SICS sport anfertigt, dabei auch häufig mit Napoli zu tun hat, bestätigte auf unsere Anfrage: „Napoli ist nicht die typische italienische Mannschaft, ganz im Gegenteil: Es ist eine Mannschaft mit internationalem Flair, die einen modernen Fußball bietet, der in gewisser Weise dem ähnelt, der in den letzten Jahren bei Bayern München gespielt wurde. Kim ist es daher gewohnt, in einer aggressiven und proaktiven, sehr hohen Verteidigung zu spielen.“
Das führt automatisch zum nächsten, entscheidenden Punkt. Der FC Bayern steht gerne hoch, Verteidiger werden folglich in riskante 1-gegen-1-Duelle verwickelt. Doch auch hier kann sich Kim auszeichnen. „Genau das sind Kims Stärken. Er ist ein sehr starker Verteidiger, aggressiv, proaktiv und schnell auf lange Distanzen. Im 1-gegen-1 hat er bewiesen, dass er nahezu unschlagbar ist, daher glaube ich, dass er sich in Bezug auf den Spielstil schnell an Bayern München anpassen kann. Allerdings habe ich meine Zweifel, dass er dieses hohe Leistungsniveau auch in einer Dreierkette aufrechterhalten kann. Ich sage das, weil Bayern München im Moment viele hervorragende Innenverteidiger hat und Tuchel, wie wir wissen, gerne mit einer Dreierabwehr spielt. Ich denke, dass er in einer Dreierkette Probleme haben könnte, wenn er als breiter Innenverteidiger eingesetzt wird“, so Marco Lai weiter.
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Der wichtige Faktor Spielaufbau
Bei der Verpflichtung neuer Spieler muss der FC Bayern aktuell auch darauf achten, dass essenzielle technische Komponenten ausgeprägt vorhanden sind. Denn in den letzten Jahren verlor der Rekordmeister unter anderem durch die Abgänge von Thiago Alcantara (32), David Alaba (31) oder Jerome Boateng (34) viel Qualität im Aufbau. Diese Verluste konnten im spielerischen Bereich nicht adäquat aufgefangen werden. Wie bereits angedeutet, die Passwerte des neuen Verteidigers beim FC Bayern können sich durchaus sehen lassen. Er behält unter Druck die Ruhe, die Pässe sind sauber, mit der richtigen Intensität gespielt und überbrücken gerne auch mal die erste Reihe der anlaufenden Mannschaft.
Dominant war er im Aufbau bei Napoli allerdings nicht. Laut Lai ist das Potenzial dahingehend aber noch nicht ausgeschöpft: „In dieser Hinsicht ist er ein guter Spieler. Ich betone gut, aber nicht großartig. Er wird nie ein Spieler wie Alaba sein. Zu seiner Verteidigung sollten jedoch zwei Dinge berücksichtigt werden: Erstens ist dies ein Aspekt seines Spiels, dem er vor seiner Ankunft bei Napoli nie allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, sodass er noch Raum für Verbesserungen hat. Zweitens hat er als Rechtsfuß oft links gespielt, was bedeutet, dass er in dieser Hinsicht noch einmal effektiver sein könnte, wenn er auf der anderen Seite spielen würde.“
Vieles wird also davon abhängig sein, wie der FC Bayern die Rollen in der Innenverteidigung verteilt. Auch Dayot Upamecano (24) und Matthijs de Ligt (23) sind mit dem rechten Fuß stärker, dementsprechend müssen hier Lösungen gefunden werden. Zudem wird sich erst in der Vorbereitung zeigen, welcher Verteidiger die dominante Rolle im Aufbau übernehmen wird.
Kim min-jae: Der „ideale Mannschaftskamerad“
Neben all den fußballerischen Komponenten, die bei einem Transfer eine große Relevanz besitzen, spielt auch die menschliche Seite eine Rolle. Die Klubs finden immer neue Wege, den Spieler genauer zu durchleuchten. Und das erscheint auch sinnvoll, schließlich soll ein Kader am Ende nicht nur fußballerisch, sondern auch charakterlich zusammenpassen. Man benötigt eine Mischung aus extrovertierten und introvertierten Typen, sollte nicht nur „Ja-Sager“ und auch nicht nur Lautsprecher im Aufgebot haben.
Im Fall von Kim könnte der FC Bayern auch in diesem Bereich einen Volltreffer landen. „Er scheint der ideale Mannschaftskamerad zu sein. Er wird nie wütend, er ist immer bereit, seinen Mitspielern zu helfen, um Fehler auszugleichen, und im Allgemeinen ist er ein sehr konzentrierter Typ. Außerdem scheint er ein sehr unkomplizierter, netter und immer lächelnder Spieler zu sein. Das Video von seinem Einstand in der Umkleidekabine von Napoli, in dem er den berühmten „Gangnam Style“ singt und tanzt, ging in Italien viral und verhalf ihm sofort zu Popularität“, so die Experteneinschätzung.
Eine Garantie, dass ein Neuzugang zu 100 Prozent einschlägt, gibt es nicht. Im Fall von Kim sieht aber alles danach aus, als wäre der Deal kein Schnellschuss der Verantwortlichen des FC Bayern, sondern sehr gut durchdacht. Die fußballerischen Elemente sind vielversprechend, die Anpassungsfähigkeit hat der 26-Jährige unter Beweis gestellt. Und wer weiß, welchen Songklassiker er bei seinem Einstand in der Bayernkabine inbrünstig performt…
(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images)
Manuel Behlert
Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.