Kramer bleibt noch Schalke-Trainer: Ein Aufschub mit Ablaufdatum

10. Oktober 2022 | News | BY Manuel Behlert

Der FC Schalke 04 ist nicht gut in die neue Saison in der Bundesliga gestartet. Punktuell konnten die Königsblauen gut mithalten, aber das Optimum wird aus dem Kader nicht herausgeholt. Der Trainer steht in der Kritik, darf aber weiterarbeiten. Noch. 

Mit Interimslösung Mike Büskens (54) auf der Trainerbank gelang der vielumjubelte Wiederaufstieg in die Bundesliga direkt im ersten Zweitligajahr. Schalke 04 war emotional wieder auf einem Höhepunkt, ließ sich im Sommer aber viel Zeit mit der Verkündung des neuen Trainers. Als die Wahl auf Frank Kramer (50) fiel, verflog die Euphorie bei einigen Anhängern und auch die ersten Experten äußerten Skepsis. Sie sollten damit richtig liegen.

Kramers destruktiver Fußball funktioniert nicht

Schon in Bielefeld wurde dem Coach nachgesagt, er habe der Mannschaft keine klare Spielidee für das Spiel mit dem Ball vermittelt. Das Verhältnis zwischen dem Trainer und Teilen des Teams soll bei den Ostwestfalen vor allem im Endstadium seiner Zeit nicht besonders berauschend gewesen sein. Nun lässt sich nur schwer beurteilen, wie viel davon der Wahrheit entspricht, aber auch bei Schalke 04 lassen sich Defizite im Spiel mit dem Ball erkennen.



Lief der Auftakt gegen den 1. FC Köln (1:3) durch einen Platzverweis noch eher unglücklich und war das Spiel zuhause gegen Borussia Mönchengladbach (2:2) phasenweise sogar sehr ordentlich, häuften sich die Probleme in der Folge zunehmend. Komplett abgeschossen wurde Schalke zwar „nur“ von Union (1:6) und Leverkusen (0:4), aber am Ende kommt es nun einmal auf Punkte an. Und davon haben Schalke 04 und Trainer Kramer aktuell zu wenige. 

Die These, dass ein Aufsteiger nicht sofort mit mutigem Fußball erfolgreich sein kann, widerlegt Werder Bremen just in dieser Saison eindrucksvoll. Beide Aufsteiger haben sich für komplett unterschiedliche Wege entschieden und stehen unter anderem deswegen auch auf ganz unterschiedlichen Positionen in der Tabelle. Werder ist aktuell Fünfter in der Bundesliga, Schalke steht auf Platz 16. Bei noch 25 zu absolvierenden Spielen ist der Zug aber noch lange nicht abgefahren. 

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Kramer: Fragwürdige Personalentscheidungen, zu wenige Anpassungen

Dass es eine schwierige Saison werden könnte, war allen Beteiligten klar. Finanziell war und ist Schalke nämlich nicht auf Rosen gebettet, viele personelle Entscheidungen waren mit anderen verknüpft. Trotzdem lasen sich die Verstärkungen alles andere als schlecht. Thomas Ouwejan (26) wurde fest verpflichtet, Leo Greiml (21) soll vor allem in Zukunft eine große Stütze für die Abwehr sein. Außerdem haben Spieler wie Alex Kral (24) oder Jordan Larsson (25), die auch anderswo hätten unterschreiben können. Der Name Schalke lockt noch immer und hat eine Anziehungskraft. Doch was nutzen gute Neuzugänge, wenn sie kaum Spielen und „Opfer“ des Spielsystems werden? 

Ein kompakter Ansatz ist grundsätzlich nicht falsch, er muss nur zum Erfolg führen. Enge Spiele konnte Schalke meistens nicht gewinnen, nicht einmal gegen den FC Augsburg zuhause, als der Gast einen Teil des Spiels in Unterzahl bestritt. Niemand erwartet Hurrafußball, aber mehr Zutrauen in die eigene fußballerische Klasse, die mit Spielern wie Rodrigo Zalazar (23), der vor seiner Verletzung auch selten spielte, eigentlich vorhanden ist, sollte machbar sein. Offensichtlich ist der Trainer bis heute überzeugt von der Art und Weise, wie Spiele angegangen werden, denn Anpassungen werden nur selten vorgenommen.

Kramer Schalke Bundesliga

(Photo by ROBERTO PFEIL/AFP via Getty Images)

Ein gutes Beispiel ist die Doppelspitze bestehend aus Sebastian Polter (31) und Simon Terodde (34). Letzterer ist ein hervorragender Knipser, ersterer ein Arbeiter. Polter bringt eine enorme Wucht mit, ist kofpballstark, kann Bälle festmachen, die dann wiederum in Richtung Terodde transportiert werden. Aber von wem eigentlich? Einzelne Ideen für bestimmte Abschnitte auf dem Fußballfeld könnten sogar erfolgsversprechend sein, wenn der Rest dazu passen würde. Viele lange Schläge mit der Hoffnung auf zweite Bälle und/oder Standardsituationen stellen jedenfalls kein Offensivkonzept dar. Und so sahen die Offensivbemühungen nun einmal häufig aus. Das kann nicht das Ende der Fahnenstange sein, Aufsteiger hin oder her. 

Schalke: Die Kramer-Entlassung ist nur aufgeschoben

Betrachtet man all diese Elemente, dann muss die Frage erlaubt sein, warum die Verantwortlichen von Schalke 04 nach dem 0:4 in Leverkusen nicht reagierten. Der VfB Stuttgart sah die Zeit für eine Veränderung gekommen, entließ Pellegrino Matarazzo (44) und hat nun bei der Suche nach einem neuen Übungsleiter einen „Vorsprung“. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Königsblauen im Sommer, als ein neuer Trainer gesucht wurde, bewusst für den stabilen, risikoarmen Kramer-Weg entschieden haben und eine Entlassung nun ein Eingeständnis eines Fehlers, der sich über Wochen hinweg entwickelte, wäre. Doch genau das gehört nun einmal zu den Aufgaben sportlich verantwortlicher Personen: Die eigenen Fehler zu korrigieren.

Schon am Freitag spielt Schalke 04 gegen die TSG 1899 Hoffenheim, die zwar zuletzt gegen Bremen verlor, aber eine gute Saison spielt. Die Abläufe sind gefestigt, die Automatismen im Offensivspiel verhelfen den Kraichgauern zu zahlreichen guten Möglichkeiten. Gegen eine verunsicherte Schalker Mannschaft kann das schnelle Umschalten und das aggressive Verhalten im Spiel gegen den Ball spielentscheidend sein. Es bahnt sich also eine weitere Niederlage an, die das Schicksal von Frank Kramer als Schalke-Trainer besiegeln würde.

Da die Partie intern offenbar als eine Art Endspiel oder letzte Chance deklariert wird, birgt allerdings auch Gefahren. Der Fußball ist unvorhersehbar, Elemente wie Spielglück lassen sich nur schwer beeinflussen. Sollte Schalke sogar gewinnen, wäre eine Trennung nur schwer zu kommunizieren. Bleibt Kramer aber, wird sich – aller Voraussicht nach – aber nicht viel ändern und in ein, zwei oder drei Wochen ist der Punkt, der jetzt erreicht ist, wieder erreicht. Unabhängig vom Ausgang des Spiels am Freitag ist die Entlassung des Trainers nicht aufgehoben, sondern nur verschoben. Denn eine Trendwende ist aufgrund der aktuellen Basis nicht zu erwarten. Je eher das alle begreifen, desto besser ist es für Schalke 04. Und wer weiß, vielleicht wird im Hintergrund auch schon intensiver  an der Nachfolge gearbeitet, als es aktuell den Anschein hat.

(Photo by ROBERTO PFEIL/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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