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RB Leipzig: Mit alter Klasse und neuen Impulsen zum Titelkandidaten?

22. August 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

RB Leipzig beendete die Saison 2023/24 auf Platz vier, hatte am Ende 25 Punkte Rückstand auf Bayer Leverkusen. Zufrieden war man bei RB nicht, komplett enttäuscht aber auch nicht, denn 65 Punkte waren grundsolide. Es fehlte die Konstanz in den entscheidenden Momenten. 

Um diese in der neuen Saison herbeizuführen, arbeitete Marco Rose im Sommer an zahlreichen Details. Da Konstanz und Kontinuität im Kader oftmals einhergehen, ist es für die Leipziger umso erfreulicher, dass ein großer Teil der Schlüsselspieler gehalten werden konnte.

RB Leipzig: Lehren aus der letzten Saison

19 Siege aus 34 Spielen klingen erst einmal gar nicht so schlecht. Das war die Bilanz von RB Leipzig in der Saison 2023/24. Die letzte Niederlage? Ein Auswärtsspiel in München Ende Februar. Doch zur Wahrheit gehören immer mehrere Dinge, darunter die vier Remis aus den letzten acht Spielen der Vorsaison oder Punktverluste in Augsburg, Bremen, Mainz oder zuhause gegen Bochum. 



Damit ist der Kern des Problems der Vorsaison schon erklärt: Zu oft gelang es der Rose-Elf trotz Überlegenheit nicht, vermeintlich kleinere Gegner zu bezwingen. Niemand erwartet Spektakel en masse, auch ein 1:0 oder 2:1 gegen solche Teams bringen drei Punkte ein. Es fehlte manchmal an der Konzentration, manchmal an der Präzision, manchmal an der Tagesform. Bei aller offensiven Klasse: Es gab Spiele, in denen Lois Openda, Benjamin Sesko & co. den Gegner komplett auseinanderschraubten, aber auch Tage, an denen früh Frustration herrschte und wenig lief.

Die Aufgabe für Trainer Rose ist nun klar: Die weniger guten Tage sollen zumindest in ordentliche umgewandelt werden, in denen eben doch die eine Aktion sitzt und am Ende die drei Punkte mit nach Hause genommen werden können. Dass ein Großteil der Hochtalentierten weiterhin für RB spielt, ist dabei sicher kein Nachteil.

Und noch etwas stand in diesem Sommer auf der To-Do-Liste: Die Abwehr noch einmal zu verbessern. 39 Gegentore sind keine Schande, ganz gewiss nicht, aber es gelang RB „nur“ neunmal, am Ende eines Spiels auch die Null zu halten. Mitunter aufgrund zu hohen Risikos, teilweise, weil die Abstände im Defensivverbund zu groß waren und wegen Unkonzentriertheiten, beispielsweise bei ruhenden Bällen. Das Gesamtsystem von RB basiert auf einem recht guten Fundament, aber der Unterschied zwischen gut und sehr gut liegt nun einmal in den Feinheiten. Und diesen den letzten Schliff zu verleihen war und ist die Aufgabe.

Olmo weg, Nusa da, Schlüsselspieler bleiben

Der Blick auf den Transfersommer von RB Leipzig lohnt sich durchaus. Zuerst einmal sogar darauf, was nicht passiert ist. Denn Benjamin Sesko wurde am Ende der letzten Saison mit einem Wechsel in Verbindung gebracht, entschied sich aber zum Verbleib und unterschrieb sogar einen neuen Vertrag. Ja, ewig wird er nicht in Leipzig spielen, aber zumindest eine weitere Saison ist sicher. Da der Slowene noch massig Potenzial hat, ist ihm eine Steigerung definitiv zuzutrauen. 2023/24 spielte er schon auf hohem Niveau, ließ aber im Endeffekt zu viele Großchancen liegen. 

Sesko Leipzig

(Photo by Maryam Majd/Getty Images)

Auf der Abgangsseite steht Dani Olmo, der für rund 55 Millionen Euro zum FC Barcelona wechselte. Er ist der einzige Schlüsselspieler, den RB Leipzig im Sommer abgeben musste. Extrem viel tat sich deswegen auf der Zugangsseite nicht. Perspektivspieler Assan Ouedraogo kam von Schalke 04, Maarten Vandervoordt, ein talentierter Torhüter, aus Genk und Antonio Nusa vom Club Brügge. Er soll der Offensive mit seinen Dribblings eine neue Facette verleihen. Und: Xavi Simons blieb natürlich! Er wurde nach langem Poker erneut von PSG ausgeliehen. 

Die Offensive wurde also minimal umgestaltet. Es bleiben die typischen Leipziger „Halbzehner“ wie Xavi oder Christoph Baumgartner, dem man in der neuen Saison durchaus eine größere Rolle zutrauen kann, aber es kam ein klassischer Flügelspieler hinzu, der auch mal an der Außenlinie kleben, dort 1-gegen-1-Situationen heraufbeschwören kann. Im ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal traf Nusa prompt und setzte eine erste Duftmarke. Er dürfte schnell zu integrieren sein.

Abwehr ohne Veränderungen: Risiko oder richtig?

Auffällig: Die Abwehr wurde nicht verändert. Obwohl bereits angesprochen wurde, dass es zu wenig Spiele ohne Gegentor gab und RB Leipzig in manchen Phasen der Saison zu anfällig war. Ist es also ein Risiko, defensiv (abgesehen von der Torhüterposition) nicht gehandelt zu haben? Ja und nein! Ja, weil die Defensive wirklich recht dünn besetzt ist. Nur zwei klassische Außenverteidiger stehen im Aufgebot, auch wenn es einige hybride Spieler gibt, durch die die Abdeckung insgesamt noch recht komfortabel aussieht. Verletzt sich aber ein Spieler wie Mohamed Simakan oder Lukas Klostermann, dann wird es schnell eng. 

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Gerade in einer Saison mit zwei Vorrundenspielen in der Champions League mehr und einer generell sehr hohen Belastung kann das zu einem Faktor werden. Es ist auf jeden Fall nicht auszuschließen, dass man sich in Leipzig noch umsieht. Gerade zum Ende einer Transferphase tun sich oft noch Möglichkeiten auf, auch per Leihe. 

Nichts getan wurde möglicherweise auch deswegen, weil man dem ein oder anderen Defensivspieler noch einen Schritt zutraut. Benjamin Henrichs zum Beispiel, der in der letzten Saison schon vermehrt gute Ansätze zeigte, hat das Potenzial, auch mit 27 Jahren noch einmal konstanter und zielstrebiger zu werden. Castello Lukeba wird in seinem zweiten Jahr in der Bundesliga sicher auch nicht schlechter, zumal sich die Abwehr mehr und mehr einspielen kann. 

Und dann wäre da ja noch der junge El Chadaille Bitshiabu (19), der bisher enorm vom Verletzungspech verfolgt war. Sollte er über einen längeren Zeitraum fit bleiben, kann er auch eine wichtige Rolle in der Defensive übernehmen, denn das Potenzial dazu hat er und RB ist bekannt dafür, junge Spieler in das berühmte kalte Wasser zu werfen.

Roses Detailarbeit muss schnell Früchte tragen

Das Resümee der letzten Saison bei RB Leipzig besagte, dass so viel gar nicht schiefgelaufen sein kann. In jedem Mannschaftsteil gibt es Raum zur Verbesserung, klar, aber eine Weiterentwicklung des gesamten Spielsystems und der Automatismen könnte hier schon für einen entscheidenden Schub sorgen. 25 Punkte Rückstand auf den Meister klingen nach viel, aber einerseits spielte Bayer eine Ausnahmesaison, andererseits bewiesen sie den Killerinstinkt, den Glauben an die eigene Stärke und die letzte Konsequenz, die der Konkurrenz um Leipzig fehlte.

Rose Leipzig

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Rund um die Vorbereitung herrschte gute Stimmung bei RB, weil es sehr gute Ansätze auf dem Feld gab und viele Abläufe schon fest integriert waren. Mit einer bestehenden Basis arbeitet es sich nun einmal leichter, das weiß jeder Trainer. Klar ist aber auch, dass die Arbeit an den vielen kleinen Details schnell Früchte tragen muss, wenn Leipzig wirklich um den Titel mitspielen will. Der Gewinn ist keine Pflicht, dafür sind andere Teams zu stark, aber mitmischen will die Rose-Elf auf jeden Fall.

Das gelingt aber nur, wenn die Anpassungen auch wirklich funktionieren, die vielen jungen Spieler mehrheitlich zu mehr Konstanz finden und vor allem die Abwehr von Verletzungen verschont bleibt. Ist Leipzig also ein Titelkandidat? Irgendwie ja. Aber RB der RB-Erfolg ist von mehr Komponenten abhängig als der anderer großer Teams. Das muss aber nicht immer etwas heißen.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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