Automatismen schlagen Anpassungen: Darum gewann Leverkusen das Topspiel
11. Februar 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert
Am Samstagabend fand in der Bundesliga das Topspiel zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern statt. Top war an diesem Abend aber nur eine Mannschaft, nämlich die Werkself. Und deswegen gewann der Tabellenführer auch mit 3:0.
Leverkusen schlägt den FC Bayern verdient
Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern: Auf dieses Spitzenspiel hatten viele Fans gewartet. Jeder wollte wissen, ob die Werkself auch als Tabellenführer an einem solchen Zeitpunkt der Saison würde bestehen können. Vor allem, weil nicht jedes Spiel nach der Winterpause in jeder Phase vollends überzeugend war. Schon vor dem Anpfiff gab es die ersten Überraschungen: Leverkusen verzichtete auf einen Mittelstürmer, ließ Jeremie Frimpong und Jonas Hofmann auf der Bank. Die Ausrichtung war etwas defensiver, zumindest rein nominell. Der Rekordmeister switchte auf eine Dreierkette, spielte mit Sacha Boey auf links, mit Noussair Mazraoui auf rechts davor.
Die gute Nachricht für den FC Bayern war, dass die Anfangsphase nach Plan verlief. Der Rekordmeister war wach, kontrollierte den Ball, zwang Leverkusen zu langen Bällen. Die Werkself musste erst einmal zum eigenen Rhythmus finden. Dabei half der Rekordmeister nach einer aufmerksamen Anfangsphase – mit einer Unaufmerksamkeit. Leverkusen führte einen Einwurf schnell aus, während die Defensive des FCB sich noch für die vorausgegangene Rettungsaktion beglückwünschte. Das war ein wenig symptomatisch für das, was später noch passierte. Bayer war schneller, auf dem Platz und im Kopf. Und eine Hereingabe von Robert Andrich fand (ausgerechnet) Josip Stanisic. Die Bayern-Leihgabe schoss zum 1:0 ein, danach kippte das Spiel.
Im weiteren Verlauf des Spiels war der Gast aus München offensiv viel zu harmlos. Dass es am Ende nicht einmal zu einem xG-Wert von 0,5 reichte, sprach Bände. Die Offensive rund um Harry Kane war von der Außenwelt abgeschnitten, weil die Anpassungen Tuchels zwar durchdacht waren, aber dem Angriffsspiel schadeten. Leverkusen holte sich Schritt für Schritt Sicherheit, nutzte die sich immer wieder häufenden Fehler aus und kam durch Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong noch zu weiteren Toren, die am Ende einen Endstand von 3:0 bedeuteten. Und das war verdient.
Tuchel-Anpassungen scheitern an eigenen Fehlern und den Bayer-Automatismen
Es gibt einige, sehr kleinteilige Elemente, die dafür sorgten, dass Bayer 04 Leverkusen am Ende einen deutlichen Sieg gegen Bayern München feierte. Aber das große Ganze überwiegt. Die Anpassungen von Thomas Tuchel konnten nicht in einer entsprechenden Form auf den Platz gebracht werden. Nach dem Spiel betonten die Spieler, dass der Plan des Trainers klar war, die Trainingseinheiten wieder auf gutem Niveau stattgefunden haben und man sich als Spieler selbst an die eigene Nase fassen müsse. Das ist ein Teil der Wahrheit, aber eben nicht die gesamte. Die Anpassungen hätten sicher eher gefruchtet, wären sie auf eine komplett gefestigte Mannschaft getroffen. Anpassungen, Systemwechsel, einige Spieler, die nicht bei 100 % waren und gegebenenfalls auch noch ein Problem mit der Einstellung waren zu viele Probleme, die auf einmal zusammenkamen.
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Bayern hatte Schwierigkeiten im Ballbesitz, die Abstände waren zu groß, der Ball musste entweder nach vorne getrieben oder mitunter riskant in den Gegnerdruck gespielt werden. Die Systemumstellung sorgte dafür, dass sich viele Spieler anpassen mussten, was nicht gelang. Der Offensive wurde die Luft zum Atmen genommen, Harry Kane kam nicht ins Spiel. Aber auch die anderen Offensivspieler fanden kaum statt. Die Räume mussten anders besetzt werden, wenn mal ein Doppelpassangebot vorhanden war, wurde eher der Abschluss gesucht oder das Tempo verschleppt.
Der Rekordmeister schaffte es in diesem Spitzenspiel nicht, Leverkusen vor so große Aufgaben zu stellen, dass die Werkself ins Grübeln gekommen wäre. Stattdessen gab das 1:0 den Hausherren so viel Sicherheit, dass das eigene Spiel immer besser aufgezogen werden konnte. Die Automatismen griffen auch ohne Mittelstürmer, die Abläufe im Spiel gegen den Ball und auch mit dem Ball waren für jeden Spieler klar. Und genau das war der Unterschied. Bayern hatte zwar in diesem System trainiert und sich auf den Gegner eingestellt, der nahm sich aber in einem funktionierenden System seine Freiheiten, traf die richtigen Entscheidungen und setzte selbst in den besseren Phasen des FCB immer wieder die wichtigen Nadelstiche.
Im Endeffekt war Leverkusen in seinen Abläufen sicherer. Nach einer gewissen Irritation ob der Anpassungen des FC Bayern fand das Team schnell zum eigenen Spiel. Dass die Chancen, die sich boten, auch noch eiskalt genutzt wurden, spielte der Alonso-Elf weiter in die Karten. Bayern-Trainer Tuchel sagte vor dem Spiel, dass Leverkusen näher am eigenen Optimum agiert als der FC Bayern, der noch mehr Luft nach oben hat. Das Problem im Spitzenspiel war, dass das auch für diese Partie galt. Deswegen war der Sieg am Ende weder eine Überraschung, noch unverdient.
(Photo by SASCHA SCHUERMANN/AFP via Getty Images)
Manuel Behlert
Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.