Spotlight

Nmecha-Wechsel nach Dortmund: Der BVB verrät seine Werte

3. Juli 2023 | Spotlight | BY Magdalena Schwaiger

Spotlight | Borussia Dortmund arbeitete seit einigen Wochen an einer Verpflichtung von Felix Nmecha (22), nun ist er fix. Der Mittelfeldspieler des VfL Wolfsburg gilt als eines der vielversprechendsten Talente im deutschen Fußball – und teilte auf Social Media Videos mit trans- und homofeindlichen Aussagen und Andeutungen. Der Wertekodex des BVB leidet unter dem Transfer.

Nmecha teilte Video von rechtem US-Kommentator

Der Fußball war und ist schon immer politisch. Vor allem in einer Zeit, in der die AfD in Umfragen zweitstärkste politische Kraft in Deutschland ist, muss klare Haltung gegen Rechtsextremismus bezogen werden. Auch Fußballer sind politisch, die einen mehr, die anderen weniger. Das hat schon der umstrittene Umgang mit der WM in Katar gezeigt. Die Fans protestierten – die Spieler schwiegen.

Ein neuer Skandal scheint den Fußball in Deutschland seit einigen Wochen fest im Griff zu haben. Wobei, so neu ist er eigentlich nicht. Doch durch den anstehenden Wechsel von Felix Nmecha zu Borussia Dortmund werden die Ansichten und Äußerungen des 22-Jährigen wieder hervorgekramt.

Aber der Reihe nach: Im Februar 2023 teilte Nmecha in seiner Instagram-Story ein Video des rechten US-Kommentators und Autors Matt Walsh. Dieser gilt als bekennender Gegner der LGBTQI+-Bewegung. In einem Reel ist zu sehen, wie Walsh einen Vater eines transsexuellen Kindes direkt angreift. Nmecha teilte das Video von Walsh in seiner Story und schrieb dazu: „If we don’t see what is wrong with this“ (zu Deutsch „Wenn wir nicht sehen, was daran falsch ist“). Drei Tage später ruderte der 22-Jährige zurück und postete eine Rechtfertigung.



Übersetzt heißt es in seinem Statement: „Bezugnehmend zu dem Beitrag von letzter Woche in meiner Story: Ich muss ehrlich sagen, dass ich mit dem meisten, was Matt Walsh sagt, nicht einverstanden bin und wie er sich über Menschen lustig macht, was natürlich nicht liebevoll ist. Ich glaube immer noch, dass die Bibel das Wort Gottes ist und ich glaube, dass jeder seine wahre Identität in einer Beziehung mit ihm findet (mich eingeschlossen). Mach einen Schritt auf Jesus zu & du wirst es nicht bereuen.“

Dröseln wir das doch einmal auf: Eine Entschuldigung für sein Handeln ist dieses Statement nicht. Zudem sagte Nmecha klar, er sei mit dem meisten, was Walsh sagt, nicht einverstanden. Anscheinend gibt es für den 22-Jährigen auch Punkte, bei denen er mit dem rechtsextremen Kommentator übereinstimmt.

Werte von Nmecha und VfL stimmen wohl nicht gänzlich überein

Generell gibt Nmecha auf seinem Instagram-Profil nicht viel von sich preis. Scrollt man sich durch seine Timeline, wird aber schnell sein Bezug zum christlichen Glauben deutlich. Der 22-Jährige gilt als missionierter Christ, der auch beim VfL Wolfsburg nicht davor zurückschreckte, jungen Spieler von seinem Glauben zu überzeugen. Verschiedenen Medienberichten zufolge ist er, gemeinsam mit Bruder Lukas und anderen Teammitgliedern, in einem Bibelkreis. Im April diesen Jahres verteidigte der deutsche Nationalspieler seine konservativen Werte gegenüber der Sportbuzzer-Redaktion, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland angehört.

Er lege sein Weltbild streng nach der Bibel aus, diese sei sein Leitfaden durchs Leben, „die Grundlage für die Wahrheit.“ Auf die Frage, ob er die Regenbogen-Binde überstreifen würde, sagte Nmecha: „Ich denke, in dieser Situation würde ich nur eines tun: Ich würde beten und fragen, was Gott will, dass ich tue. Ich kann es jetzt nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Aber ich würde mir auf jeden Fall viel Zeit im Gebet nehmen und mich dann entscheiden.“ Die Werte des Klubs, so der Spieler, stünden nicht im „Widerspruch zum Christentum“, aber natürlich „gibt es bestimmte Punkte, wie das, worüber wir gesprochen haben.“ Heißt im Klartext: Der Wolfsburger Profi teilt nicht alle Werte, für die der VfL steht.

Auch ein anderer Post auf Social-Media Anfang Juni zeigt die klare Haltung von Nmecha. Er teilte ein Video des Portals „Reformed by Christ“. Die Einstellung dort: Homosexuell lebende Menschen werden dem Teufel statt Gott zugeordnet.

Felix Nmecha Instagram-Story

(Screenshot Felix Nmecha Instagram-Story)

Für den Teufel steht das Wort PRIDE, welches übersetzt „Stolz“ bedeutet und von der LGBTQI+-Bewegung verwendet wird. Jesus wird dagegen als „Geschenk Gottes“ angesehen. Der Inhalt warf der Schwulen- und Trans-Rechten-Bewegung, die jeden Juni im Namen von „Pride“ große Paraden in aller Welt veranstaltet, vor, nur der Lust zu folgen und egoistisch zu sein.

Nmecha  rechtfertigt mit seinem Glauben seine höchst umstrittenen Aussagen. Auf Instagram postete Nmecha zwei Wochen erneut später ein Statement. Man bekommt das Gefühl, dass Nmecha seine Ansichten ungefiltert teilt, durch einen öffentlichen Aufschrei zurückrudert und sich dann „entschuldigt.“ Der 22-Jährige schrieb: „Es ist wichtig, dass ich deutlich mache, dass ich ALLE Menschen liebe und sie nicht diskriminiere.“ Wieder eine Entschuldigung – für eine menschenverachtende Meinung, die er öffentlich kundgetan hat. Auch der DFB gab an, mit dem deutschen Nationalspieler ein Gespräch suchen zu wollen.

BVB bisher mit klarer Wertevorstellung

Sein neuer Arbeitgeber Borussia Dortmund zeigte in der Vergangenheit klare Haltung in Bezug auf Menschrenrechte. Im Grundwertekodex des Vereins, welcher erst letztes Jahr formuliert wurde, heißt es: „Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung. Mit Überzeugung stehen wir zu dieser Haltung, fordern und fördern Zivilcourage und setzen entschlossene Zeichen mit unserer Antidiskriminierungsarbeit.“ Doch wie passt denn da jetzt der gewünschte Transfer von Nmecha in das Werte-Bild der Borussen? Sogar ein nicht namentlich genannter Sponsor meldete Bedenken an einer Verpflichtung von Nmecha an.

Mehr Informationen und News zur Bundesliga findet ihr hier 

Fußballer sind Personen des öffentlichen Interesses

Sportlich gesehen ist Nmecha die Wunschlösung der Borussen-Vereinsführung. Er soll den zu Real Madrid gewechselten Jude Bellingham (19) ersetzen und kostet am Ende zwischen 30 und 32 Millionen Euro Ablöse. Die aktive Fanszene zeigt sich zu Recht empört über den nun fixen Transfer, auch in der deutschen Medienlandschaft sind in den vergangenen Tagen einige kritische Stimmen laut geworden.

Die Dortmund-Fans gelten, nach einer dunklen Zeit in den 90ern und frühen 2000er-Jahren, in denen noch viele rechtsradikale Anhänger im Stadion zu finden waren, als überwiegend weltoffen und links-politisch. Im heimischen Stadion fallen die Borussen-Fans immer wieder durch politische Banner und starker Meinung zu weltpolitischen Themen auf.

BVB Fans

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Nachdem das Interesse des BVB an Nmecha bekannt wurde, spaltete sich vor allem die Twitter-Anhängerschaft des Bundesliga-Clubs in zwei Lager. Viele Anhänger zeigten ihre Ablehnung gegen einen Transfer von Nmecha offen, vor dem Vereinsgelände und in dessen näheren Umgebung. Auf einem Transparent auf der A1 in Dortmund war zu lesen: „Null Toleranz für Intoleranz. Werte sind nicht verhandelbar!“. Vor dem Signal-Iduna-Park protestierten die Fans mit einem Banner: „@BVB: Steh zu deinen Werten!“

Die eine Seite grenzte sich klar von dem bevorstehenden Transfer ab, die andere machte das Argument geltend, man müsse die Privatperson Felix Nmecha klar von der des Fußballers trennen. Doch das ist nicht so einfach.

Klare Abgrenzung der Privatperson vom Fußballer nicht möglich

Sportler sind skandalträchtig. Dieser Argumentation kann, auch im Hinblick auf die Vergangenheit, nicht widersprochen werden. Doch große Konsequenzen mussten noch die wenigsten für unangebrachte Statements oder unangebrachtes Verhalten fürchten. Zu wichtig ist der sportliche Erfolg des Vereins, zu wichtig die Personalie und das Kapital, welches schon investiert wurde.

Erst vor wenigen Wochen traf ein ähnliches Thema auch den deutschen Rekordmeister aus München. Die Ultras in der Südkurve kritisierten den eigenen Spieler Noussair Mazraoui. Dieser hatte sich mit seinem marokkanischen Landsmann Zakaria Aboukhlal vom FC Toulouse solidarisiert. Aboukhlal weigerte sich, im Zuge einer Kampagne der Ligue 1 zum Pride-Monat, mit einer Rückennummer in Regenbogenfarbe aufzulaufen. Mazraoui schrieb unter den Post: „Gott segne dich, Bruder“. Die Fans reagierten und zeigten ein Spruchband, auf dem zu lesen war: „All colours are beautiful. In Toulouse, Munich and everywhere. Respect our values, Mazraoui.“ Aus der Vereinsriege des deutschen Rekordmeisters hörte man zur Causa Mazraoui hingegen kein Wort.

Gespräche zwischen BVB-Vorstand und Nmecha: Mittel zum Zweck?

Auch Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende von Borussia Dortmund, schwieg zu den Vorwürfen rund um den gewünschten Neuzugang. Nach den Gesprächen der BVB-Bosse mit Nmecha ließen diese nur verlauten, dass „die Zweifel ausgeräumt wurden“. Zudem berichteten mehrere Medien, Nmecha hätte die Vereinsführung davon überzeugt, nicht homofeindlich zu sein.

Die Pressemitteilung des BVB zur Verpflichtung des Spielers führt zu einem weiteren Problem. Sie ist so halbgar, wie sie nur sein kann. Zu Wort kommt wenig überraschend wieder Hans-Joachim Watzke: „Felix ist sehr jung, seine Religion ist tief in ihm verwurzelt und er ist – wie wir alle – sicher nicht fehlerfrei. Aber er hat uns in intensiven Gesprächen absolut davon überzeugt, dass er kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich trägt. Felix hat selbst betont, dass er alle Menschen respektiert und liebt, unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung.“ Super, dann ist ja alles in Ordnung! Oder eben nicht. Und auch der Spieler hat eine Chance vertan. Er sagte, einige Dinge wurden aus dem Kontext gerissen. Die Möglichkeit, zu erklären, wie er diese denn nun Dinge meinte, nutzte er nicht.

Greift man den Wertekodex noch einmal auf, in dem es heißt, man sei gegen jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung, könnte man zu dem Schluss kommen, dass alleine Watzke entscheide, was bei den Dortmundern unter Diskriminierung verstanden wird.

Doch Diskriminierung oder LGBTQI+-Feindlichkeit sollte niemals als „Meinung“ einer Person angesehen werden. Der Fußballer Felix Nmecha entschuldigte sich jedes Mal aufs Neue, wenn seine Ansichten auf Protest stoßen. Die Privatperson Felix Nmecha vertritt diese Ansichten auch weiterhin, das Teilen mit der Öffentlichkeit wird er aber sein lassen. Die Führungsetage des BVB mag das Verhalten quasi durchwinken – die meisten Fans werden es nicht tolerieren.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Magdalena Schwaiger

Interessiert an allem, was der Fußball zu bieten hat. Begeisterung für sportpolitische Themen und den FC Bayern - auch wenn da seit Jahren eine Menge Kritik mitschwingt.


Ähnliche Artikel