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Der HSV und der Aufstieg: Und jährlich grüßt das Murmeltier?

8. März 2021 | Trending | BY 90PLUS Redaktion

Spotlight | Nach der Derby-Niederlage gegen den FC St. Pauli steht der Hamburger SV unter Zugzwang. Der HSV droht in der Schlussphase der Saison den Aufstieg in die Bundesliga erneut zu verspielen. Für die Fans des einstigen Bundesliga-Dinos nichts Neues.

HSV: Gute Voraussetzungen fahrlässig verspielt?

Seit nun drei Jahren spielt der Hamburger Sportverein in der 2. Bundesliga. Zwei Jahre zu viel, würden manche sagen. Fakt ist aber, dass sich die Rothosen in den letzten Jahren immer wieder selbst im Weg standen und durch eigenes Verschulden den Wiederaufstieg in die Beletage des deutschen Fußballs verpasst haben. Den vierten Platz, den die Mannschaft von Cheftrainer Daniel Thioune (46) aktuell belegt, wird man in Hamburg nicht mehr sehen können. Sowohl 2018/2019 sowie 2019/2020 belegte man am Ende eben jenen undankbaren vierten Rang. Im Nachhinein hätten sich wohl viele, die es mit dem Verein halten, sogar mit Platz drei zufrieden gegeben, der immerhin zur Teilnahme an der Relegation berechtigt hätte.

Während in den vergangenen Jahren viele Altlasten, sowohl Kadertechnisch als auch in der Führungsetage, den HSV plagten, ging man sehr optimistisch und gut aufgestellt in die aktuelle Saison. Präsident Marcell Jansen (35), Sportdirektor Michael Mutzel (41) und Sportvorstand Jonas Boldt (39) gaben ein homogenes Trio ab und waren hauptverantwortlich dafür, dass es rund um den (einstigen) Chaos-Klub etwas ruhiger wurde. Man schien aus der Vergangenheit gelernt zu haben.

Überlegte Transferpolitik

Mit Daniel Thioune verpflichtete man einen aufstrebenden Trainer, der beim VfL Osnabrück zuvor sehr gute Arbeit geleistet hatte. Für die Kaderzusammenstellung erhielten Boldt und Mutzel unter anderem von Jansen lobende Worte. „Sie haben einen guten Job gemacht“, sagte der ehemalige HSV-Profi der BILD und fügte hinzu: „Sie haben die Säulen verpflichtet, die man braucht.“ Damit sind vor allem die Neuzugänge Simon Terodde (33), Toni Leistner (30) und Torwart Sven Ulreich (32) gemeint, die allesamt keine Ablöse kosteten. Neben dem eben genannten Trio waren auch Youngstar Amadou Onana (19), der aus der Jugend der TSG 1899 Hoffenheim an die Elbe kam, sowie Klaus Gjasula (31) von Bundesliga-Absteiger SC Paderborn, ablösefreie Transfers. Lediglich Moritz Heyer (25), den Thioune noch aus seiner Zeit bei Osnabrück kennt, kostete den HSV 600.000 Euro. Jansen zog ein positives Fazit: „Wir haben vernünftige und wirtschaftlich gesunde Transfers gemacht. Und Charaktere dazubekommen, die Bock auf die Aufgabe haben.“

Bis auf Gjasula, der mit Verletzungen zu kämpfen hatte, war jeder dieser Spieler bisher eine wichtige Größe in der aktuellen Saison. Terodde stellt abermals unter Beweis, dass er das Toreschießen nicht verlernt hat. Onana fügt sich, trotz seiner ersten Saison bei den Profis, gut ein. Leistner (nach anfänglichen Startschwierigkeiten) und Heyer sorgen für defensive Stabilität. Lediglich Ulreich hat wohl, aufgrund einiger Patzer, die in ihn gesetzten Erwartungen nicht zu 100 Prozent erfüllt.

Der auf den ersten Blick zweitligatauglichste Kader, den die Hamburger bisher auf die Beine gestellt haben, legte einen Start nach Maß hin. Die ersten sieben Spiele blieben die Hamburger ungeschlagen, holten 17 von 21 möglichen Punkten. Der kurzen Schwächephase von drei Niederlagen hintereinander, folgte eine Serie von elf ungeschlagenen Spielen. Der letzte Dreier liegt jedoch weit zurück, Ende Januar setzte man sich 3:1 gegen Paderborn durch.

Photo: Imago

Rothosen auf der Suche nach der eigenen Konstanz

Während vor wenigen Wochen der Machtkampf im Präsidium des HSV im Rücktritt von Marcell Jansen gipfelte, gab auch die Mannschaft auf dem Platz keine gute Figur ab. Ein ernüchterndes 3:3 gegen Erzgebirge Aue samt zwei verspielter Führungen, ein 0:0 gegen Mitkonkurrent SpVgg Greuther Fürth, eine 2:3 Niederlage gegen Aufsteiger Würzburg und zuletzt die 0:1-Derbyniederlage gegen St. Pauli. Das Bild von HSV-Kapitän Tim Leibold (27), wie er nach seiner vermeidbaren roten Karte im Derby ratlos hinter der Bande verweilt, steht symptomatisch für den aktuellen Zustand des Vereins.

„Die Aktion, die zu meinem Platzverweis führt, darf mir so natürlich nicht passieren“, wird der Linksverteidiger nach dem Spiel auf der vereinseigenen Homepage zitiert. Ausgerechnet in den beiden richtungsweisenden Partien gegen Holstein Kiel (08.03.) und den VfL Bochum (12.03.) müssen die Hamburger nun auf ihren Kapitän verzichten. Allen Pessimisten dürfte folgende Statistik aber wohl Mut machen. Jedes der bisher drei Spiele, die Leibold in dieser Saison gefehlt hat, konnte der ehemalige Bundesliga-Dino für sich entscheiden.

Erneute Schwächephase zum Ende der Saison?

Die Parallelen zu den Saisonphasen aus den letzten beiden Spielzeiten sind nicht von der Hand zu weisen. In der Saison 2018/19 war der HSV im Endspurt nicht in der Lage, zu liefern. Neun von 30 möglichen Punkten wurden verspielt. Ausrutscher gegen vermeintlich schwächere Gegner und vor allem Pleiten gegen die direkte Konkurrenz (Niederlagen gegen Union Berlin und Paderborn) prägten den Trend. Auch spielerisch konnte die Elf damals nicht überzeugen.

In der darauffolgenden Spielzeit waren viele Punktverluste vor allem auf späte Gegentore zurückzuführen. Gegen Fürth (2:2), den VfB Stuttgart (2:3), Kiel (3:3) und den FC Heidenheim (1:2) kassierte man jeweils in der Nachspielzeit den späten K.O. In jeder der eben genannten Partien verspielte man eine oder sogar mehrere Führungen. Sechs, bzw. acht bereits sicher geglaubte Punkte wurden so liegen gelassen. Die Niederlage am vorletzten Spieltag gegen die direkte Konkurrenz aus Heidenheim markierte dabei den Tiefpunkt. Durch zwei späte Gegentore schenkte man drei Punkte her und rutschte auf Platz vier ab.

In dieser Saison weiß die Mannschaft über weite Strecken spielerisch zu überzeugen. Mit Ausnahme der Partie gegen Aufsteiger Würzburg (2:3), und spielt sich auch gegen oft tief stehende Gegner zuverlässig Chancen heraus. Nicht umsonst stellt man die beste Offensive der Liga. Allerdings belohnte man sich zuletzt nicht für den betriebenen Aufwand. In der Defensive teils fahrlässig und vorne zu inkonsequent im Abschluss, ein Rückfall in alte Verhaltensmuster? „Statistiken interessieren mich nicht. Die Ergebnisse sind nicht gut. Aber von einer Krise sind wir sehr, sehr weit entfernt“, sagte Thioune dem NDR nach dem Spiel in Würzburg. Und auch Sportdirektor Mutzel fand klare Worte; „Wir haben gute Momente, aber die Ergebnisse stimmen gerade nicht“, erklärte der Sportdirektor nach der Derby-Niederlage und ergänzte: „Ich sehe, wie wir spielen, wie wir arbeiten und wie sich die Jungs in der Gruppe verhalten. Das alles stimmt mich positiv.“

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HSV vor obligatorischem Aufstiegs-Endspiel gegen Kiel?

Bei noch elf ausstehenden Partien ist es schwer, bereits von einem Endspiel zu sprechen. Zu viel kann in dieser 2. Bundesliga noch passieren. Dennoch wird die kommende Begegnung gegen Kiel wohl richtungsweisend sein. Es ist das klassische, im Fußball oft zitierte, sechs-Punkte-Spiel. Hat man gegen die Störche, die aktuell drei Punkte vor dem Hamburger SV liegen, das Nachsehen, droht man, den Anschluss an die Aufstiegsränge zu verlieren. Gewinnen die Rothosen, stellen sie den Anschluss an die Tabellenspitze wieder her, wären punktgleich mit Kiel. Danach folgt das gleiche Szenario gegen Bochum. Der Pott-Klub ist aktuell noch sechs Punkte vorne, hat aber bereits eine Partie mehr absolviert. „Bei der Qualität, die die Top Sechs ausmacht, darf man davon ausgehen, dass es bis zum Ende spannend bleibt“, sagte Hamburgs Cheftrainer auf der Presskonferenz vor dem Spiel gegen Kiel und fügte hinzu: „Hinten raus wird entschieden, wie die Platzvergabe letztendlich ist.“

Sechs Punkte aus den nächsten zwei Partien sollten dennoch das Ziel der Hamburger sein. Alles andere würde die aktuell angespannte Situation verschärfen. Beim HSV bleibt man optimistisch. „Ich bin sicher, dass die Ergebnisse kommen werden, wenn wir so weitermachen“, sagte Mutzel in einer Presserunde. „Dann geht ein Ball mal nicht an die Latte, sondern in den Winkel!“ Für alle HSV-Fans wäre dies eine willkommene Abwechslung und ein Schritt raus aus der alljährlich wiederkehrenden Zeitschleife der verspielten Aufstiege.

Autor: Sarom Siebenhaar

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