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DFB-Präsident Fritz Kellers 5-Punkte-Plan: Note „Thema verfehlt“

21. Mai 2020 | Spotlight | BY Christoph Albers

Am vergangenen Dienstag veröffentlichte der DFB einen 5-Punkte-Plan für mehr Nachhaltigkeit im Fußball. DFB-Präsident Fritz Keller ließ verlauten, dass man damit „die einmalige Fußballstruktur in Deutschland zukunftsfähig gestalten“ wolle. Ein hehres Ziel, doch bei einem Blick auf den sogenannten „Plan“ musste man nahezu zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass nicht allzu viel davon zu erwarten ist. Ein Kommentar.

Fritz Kellers „Plan“ umfasst, wie es der Name schon sagt, fünf Punkte. „DFB Netzwerk für Präventiv-Tests nutzen“, „Gehaltsobergrenzen und sinnvolle Regulierung des Profi-Fußballs“, „Enkeldenken: Wir brauchen neue Maßstäbe für Erfolg“, „Fußball zukunftssicher machen – Ehrenamt stärken“ und „Breiter Dialog mit allen Interessengruppen auf Augenhöhe“.

DFB: Am Thema vorbei

Geht man diesen „Plan“ Schritt für Schritt durch, so fällt auf, dass er seinen Zielen weder gerecht wird, noch gerecht werden kann. Natürlich ist es grundsätzlich eine gute und sinnvolle Überlegung, die DFB-Struktur zu nutzen, um präventive Corona-Tests durchzuführen, um dieser Krise Herr zu werden. Trotzdem muss man sich fragen, ob das tatsächlich ein Teil einer nachhaltigeren Ausrichtung des Fußballs in Deutschland ist – für diesen Redakteur definitiv nicht.

Insbesondere der Zusatz „bis ein Impfstoff entwickelt sein wird“ verrät, dass es sich hierbei eher um eine kurzfristige Maßnahme für ein akutes Problem handelt. Schon im ersten Punkt hat Keller das Thema somit verfehlt.

Auch beim zweiten Punkt, „Gehaltsobergrenzen und sinnvolle Regulierung des Profi-Fußballs“, erscheint eine gewisse Skepsis angebracht zu sein. Keller fordert eine europäische Lösung, die mit Sicherheit auch erforderlich ist, um dem Problem zu begegnen. Damit liegt das Thema aber vor allem im Machtbereich der UEFA. Darüber hinaus liegt das Thema selbst auf nationaler Ebene vor allem bei der DFL, die für die beiden Bundesligen verantwortlich ist.

Der DFB kann natürlich an beiden Stellen Einfluss nehmen und es ist auch mit Sicherheit ein Thema, das in Hinblick auf eine nachhaltigere Ausrichtung des Fußballs wichtig sein wird, doch sein Einfluss wird begrenzt sein. Und dann muss man sich wiederum die Frage stellen, ob das dann Teil eines 5-Punkte-Plans sein sollte, wenn eine Umsetzung so weit weg ist.

(Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Hohle Symbolik

Es kommt so vor, als wäre es vor allem eine symbolische Geste, ein Versuch mit einer populären Meinung, Zuspruch zu ernten, ohne den eigenen Worten wirkliche Taten folgen lassen zu können. Ohnehin bin ich der Meinung, dass der DFB an dieser Stelle vor allem Antworten auf Probleme finden sollte, die tatsächlich im eigenen Machtbereich liegen. So sollte man versuchen den Übergang zwischen dem Amateur- und dem Profi-Bereich besser und nachhaltiger zu gestalten. Die immensen finanziellen Probleme, die viele Vereine in der 3. Liga und den Regionalligen plagen und schon einige von ihnen in die Insolvenz trieben, wären aus meiner Sicht ein sinnvoller Startpunkt. Gerade die Mitte der „Pyramide“ hat nämlich große Probleme, was langfristig einen großen Schaden für unten und oben anrichten könnte.

Der dritte Punkt, das „Enkeldenken“, ist dann aber immerhin mal ein wirklich sinnvoller Punkt. Der Ansatz, der Triple-Bottom-Line (Einklang aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit), eine auf Langfristigkeit ausgelegte Organisationsführung, der Hinweis auf die Europameisterschaft 2024, sowie das Anregen von verbindlichen Nachhaltigkeitstandards, die in der Lizenzierung berücksichtigt werden sollten, sind allesamt gute Punkte.

Sie werden dem Thema gerecht und entsprechen auch den Erkenntnissen der Wissenschaft. Allerdings fehlt auch hier, zumindest in der Formulierung, die Tiefe. Die Befürchtung liegt nahe, dass Keller hier eine Chance verpasst hat, weil er all diese Themen in einem Punkt vereint hat.

All das hätte wesentlich mehr Raum verdient gehabt und so bleiben am Ende mehr Fragen als Antworten zurück. Allerdings sollte man auch hier auch nicht kritischer sein, als notwendig.

Nur im Ansatz gut

Die Stärkung des Ehrenamts ist unterdessen ein wichtiger und wertvoller Punkt. Das Ehrenamt ist gerade für den Amateurfußball ein wichtiger Baustein, ohne den das Ökosystem zusammenbrechen würde. Die Anerkennung dessen, sowie der Verweis auf den Bedarf der Digitalisierung, sollten Keller definitiv zu Gute gehalten werden. Auch, dass die Infrastrukturen zukunftsfähiger ausgerichtet werden und Vereine Rücklagen bilden sollten, sind wichtige Punkte. Doch man fragt sich schon, warum das nur in einem Nebensatz erwähnt wird.

Gerade in Hinblick auf die Infrastruktur wären konkrete Maßnahmen oder zumindest Visionen wichtig gewesen. Ideen für Förderprojekte oder wenigstens Zielsetzungen wären das Mindeste gewesen. Auch hier fehlt die Tiefe, eine echtes Bekenntnis dazu, dass man auch wirklich bereit ist, den Vereinen zu helfen. Es wäre zum Beispiel denkbar gewesen den Vereinen oder den Landesverbänden in Aussicht zu stellen, dass ein Teil der Einnahmen aus der Europameisterschaft 2024 in Förderung für Infrastrukturprojekte fließt. Im Hinblick auf das Ehrenamt hätte man auch Überlegungen anstoßen können, wie man Nachwuchstrainern mit der Trainerausbildung entgegenkommen könnte, und so weiter.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Eine Selbstverständlichkeit

Kellers finaler Punkt ist alarmierend. Dass ein „breiter Dialog mit allen Interessensgruppen auf Augenhöhe“ überhaupt erwähnt werden muss, gleicht einem Armutszeugnis.

Ein anständiger Austausch sollte in der heutigen Zeit eine absolute Selbstverständlichkeit sein, die vorausgesetzt und nicht extra erwähnt werden sollte. Natürlich ist es trotzdem lobenswert, dass Keller eine Dialog-Offensive anstrebt, doch eine Erwähnung hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht, vor allem weil es die Frage aufwirft, wie das denn zuvor gehandhabt wurde. Waren seine Vorgänger unfähig, arrogant oder einfach ignorant?

Darüber hinaus hat Keller etliche Themen unerwähnt gelassen: Das Schiedsrichterwesen, das dringend Nachwuchs braucht. Die Jugendausbildung mit all den unterschiedlichen Konzepten, z.B. mit dem jüngsten Vorstoß des Bayrischen Fußballverbandes. Auch Fragen, wie sich der Fußball im Wettbewerb mit anderen Freizeitangeboten behaupten will, wie der Frauen-Fußball gestärkt werden kann, wie Fans tatsächlich eingebunden werden können, bleiben unerwähnt.

Eine verpasste Chance

Im Endeffekt bleibt der Eindruck zurück, dass es sich bei diesem vermeintlichen „Plan“ um einen schlecht durchdachten Schnellschuss handelt, einem Versuch, bestimmte Dynamiken zu nutzen und sich vor negativer Presse zu schützen.

Das Wort „Plan“ verbietet sich eigentlich auch für dieser losen Sammlung an Ideen. Das Wort Plan steht nämlich in seiner eigentlichen Bedeutung für eine „Vorstellung einer zukünftigen Handlungsabfolge“. Von tatsächlichen Maßnahmen oder Handlungsempfehlungen ist Keller aber weit entfernt. Zu oberflächlich, zu unkonkrent kommen seine Punkte daher, wenn sie nicht sogar Komplett am Thema vorbei gehen.

Fritz Keller hat damit eine große Chance verpasst und es ist zu befürchten, dass er seinen lobenswerten Zielen ebenso wenig gerecht werden wird, wie seine Vorgänger. Wer große Hoffnungen in Keller gesteckt hat, dürfte spätestens jetzt die erste Ernüchterung erfahren haben. Ich selbst habe zum Glück nicht allzu viel erwartet, doch ich trotzdem enttäuscht. Aber ich hoffe trotzdem, dass ich ihm hiermit Unrecht getan haben werde.

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(Photo by Thomas Boecker/DFB/Pool/Getty Images)

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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