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BVB vor der Brust: Tuchels schwieriger Start & die Wochen der Wahrheit

31. März 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Dass der FC Bayern mitten in der Rückrunde Borussia Dortmund empfängt und der BVB dabei als Tabellenführer in das direkte Duell geht, ist schon allein eine Nachricht wert. Eine derartige Konstellation gab es wenige Wochen vor dem Ende der Saison länger nicht mehr. Durch die Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann mitsamt Einstellung von Nachfolger Thomas Tuchel drehte der Rekordmeister aber noch einmal signifikant an den Vorzeichen. 

Eigentlich muss Fernsehsender Sky am Samstag die Vor- und Nachberichte zum Topspiel in der Bundesliga ausdehnen, um alle Elemente, die von Interesse sind, anzusprechen. Die teils fragwürdige Kommunikation beim FC Bayern, die besondere Brisanz, wenn Trainer Thomas Tuchel (49) auf seinen Ex-Klub trifft, der Druck, den Team und Trainer jetzt vor den „Wochen der Wahrheit verspüren“: All das sorgt schon für Gesprächsstoff en masse. Und dann wäre da ja noch die Konstellation. Dass der BVB als Tabellenführer anreist, geht in dem Trubel fast etwas unter. Und wird der Mannschaft, die 2023 bisher brillante Resultate einfährt, nicht gerecht.

 



Thomas Tuchel: Alles anders – oder doch nicht?

Und trotzdem wird Tuchel im Fokus stehen. Ehrlicherweise ist die Konstellation auch eine ganz besondere. Ein Topklub, der sogar noch eine realistische Chance auf drei Titel hat, wechselt den Trainer in der Länderspielphase vor dem Spitzenspiel? Vielleicht erhoffen sich die Verantwortlichen einen Impuls seitens des neuen Übungsleiters, der die Mannschaft den einen Schritt mehr gehen lässt. Denn der Peak der Leistungen in dieser Saison war überhaupt nicht das Problem. Im Gegenteil. Problematisch war eher, dass einige Spieler in den Reihen des Rekordmeisters phasenweise unmotiviert und lustlos wirkten. Unmittelbar nach der Anstellung des neuen Trainers nahmen die Spekulationen Fahrt auf. Wie wird der 49-Jährige die Mannschaft verändern? Spielt er mit einer Dreier- oder Viererkette?

Tuchel

(Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Auf der Pressekonferenz ließ sich der Trainer nicht in die Karten schauen: „Den taktischen Plan kann ich natürlich auf keinen Fall verraten. Ich würde gerne, aber ich kann nicht. Wir entscheiden uns auch spät, aber das Spiel ist auch generell zu wichtig. Wir wollten unsere Ideen erst einmal reifen lassen.“  Alles über den Haufen werfen dürfte der neue Übungsleiter in jedem Fall nicht. Dafür ist nicht nur das Dortmund-Spiel zu wichtig, sondern auch die kommenden Aufgaben. Freiburg und Manchester City ( je 2x) warten beispielsweise auf den FC Bayern. Es wird also umso wichtiger sein, die Balance zwischen taktischen Anpassungen auf einer ganz feinen Ebene und vor allem Appelle an Motivation, Selbstvertrauen und die eigene Stärke zu finden.

Die schwierige Vorbereitung für den FC Bayern und den BVB

Für Tuchel und den FC Bayern war die Vorbereitung auf das Spiel gegen den BVB nicht ganz einfach. Nach seiner Vertragsunterzeichnung musste sich der Coach zunächst einmal auf dem Trainingsgelände zurecht finden, mit dem gesamten Trainerteam sprechen, die Mannschaft kennen lernen, den Verein verstehen. Hinzu kommt, dass die Nationalspieler die ersten Tage des Trainers in München fast unisono nicht miterlebten. „Die Spieler, die bei der Nationalmannschaft waren, sind sehr spät zurückgekommen. Heute war die erste Einheit so richtig. Trotzdem spüre ich eine gute Energie, es ist ein großes Spiel und man spürt hier auch, dass den Spielern das bewusst ist. Wir wollten jetzt erst einmal ein Gefühl füreinander bekommen“, erklärte der 49-Jährige.

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Stünde Julian Nagelsmann (35) noch an der Seitenlinie beim FC Bayern, dann wäre die Vorbereitung auch für Borussia Dortmund etwas einfacher. Das hat nichts mit den Qualitäten der beiden Trainer zu tun, sondern vielmehr mit der deutlich größeren Menge an Daten, die als Grundlage dienen würde. Auch Nagelsmann passte seine Mannschaft immer mal wieder an, aber gerade in den großen Spielen blieb er gewissen Prinzipien stets treu, hatte seine Schlüsselspieler. Das wird auch bei Tuchel der Fall sein, nur hat er noch nie ein Spiel als Trainer des FC Bayern betreut.

„Wir hatten vorher schon alle ihre Spiele analysiert und wissen nicht genau, ob Thomas Tuchel an Julian Nagelsmann anknüpft oder eine komplett neue Idee einbringt“, sagte Terzic auf der Pressekonferenz. Und selbst wenn es keine großen Veränderungen geben wird, liegt der Teufel nun einmal im Detail. Neue Aufbaumuster, andere Pressingtrigger oder Positionswechsel, wie es sie vorher nicht gab? Wie soll sich der BVB darauf en Detail vorbereiten? Das wird schwierig, deswegen ist es umso wichtiger, dass Edin Terzic (40) der Mannschaft mit auf den Weg gibt, vor allem die eigenen Stärken in Szene zu setzen.

Gefahren für Tuchel sind vorhanden

Auch hier besteht für Tuchel eine Herausforderung. Stärkt er die Mannschaft, in dem er ihre Qualitäten auf dem Platz besonders hervorhebt? Oder passt er sich auch ein wenig an den BVB an? Dortmund spielt zwar nicht Woche für Woche die Sterne vom Himmel, ist aber bedeutend aggressiver, kompakter und zeigt eine gewisse Spielfreude, vor allem dann, wenn die Mannschaft Räume erhält. Die Anpassung an den Gegner dürfte ebenfalls wieder mit Gefahren verbunden sein, denn mit der gesamten Bayern-Mannschaft Elemente einzuüben, die auf den Gegner abgestimmt sind, ist bei einem Training überhaupt nicht möglich.

Auf der Pressekonferenz zur Vertragsunterzeichnung zeigte sich der neue Trainer ebenso zuversichtlich wie auf der Spieltags-PK. Ob Tuchel dabei im Hinterkopf hatte, dass sich der Ausgang der Saison in den kommenden Wochen maßgeblich entscheidet? Ein Ausscheiden im Pokal oder in der Königsklasse oder aber schon direkt zum Auftakt ein Punktverlust gegen den BVB können die Euphorie gleich wieder drücken. Das wäre Gift für dieses Team, das bei all seiner Klasse doch in einigen Teilelementen fragil wirkt.

Die Ausgangslage vor dem großen Spiel in der Allianz Arena ist also nur schwer präzise einzuschätzen. Gelingt dem FC Bayern ein deutlicher Sieg, marschiert das Team möglicherweise zum Titel. Oder doch nicht, weil es vielleicht noch immer kleinere Konstanzdellen gibt. Ein Punktgewinn des BVB oder gar ein Sieg könnte dem Serienmeister einen Knacks geben. Oder für eine Trotzreaktion sorgen. Und das ist nur einer der drei Wettbewerbe. Tuchel und der FC Bayern vor den Wochen der Wahrheit: Es wird sehr, sehr spannend.

(Photo by MICHAELA REHLE/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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