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Union Berlin in der Krise – Absturz ins Mittelmaß? Das Streitgespräch

6. Oktober 2023 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Unter der Woche hat Union Berlin sein sechstes Pflichtspiel in Folge verloren. Vor dem Gastspiel in Dortmund stellt sich die Frage, ob die Eisernen überhaupt noch ein Kandidat für das vordere Tabellendrittel sind – zumal die Konkurrenz auch nicht schläft. Das Streitgespräch.

Union Berlin: Pleitenserie nach Traumstart

Ihre Leistungsträger konnten die Köpenicker im Sommer allesamt halten, zudem wurde die Mannschaft unter anderem mit Robin Gosens, Kevin Volland und nicht zuletzt Leonardo Bonucci namhaft und qualitativ verstärkt. Der Saisonstart glückte: Im DFB-Pokal erledigten die Köpenicker ihre Pflichtaufgabe souverän und auch die ersten beiden Bundesliga-Spiele konnte die Mannschaft von Urs Fischer deutlich gewinnen.



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Dann folgten jedoch sechs Niederlagen am Stück, zuletzt eine äußerst bittere beim Heim-Debüt in der Champions League gegen Braga, bei dem man in letzter Minute das 2:3 kassierte. Vor dem Auswärtsspiel in Dortmund stellt sich die Frage, wie schwer diese Pleitenserie wiegt – und ob Union Berlin vielleicht erstmals seit vier Jahren wieder das internationale Geschäft verpassen könnte. Immerhin sind die Berliner bis auf Rang elf abgerutscht und haben mittlerweile schon sechs Punkte Rückstand auf die Europapokal-Plätze. Zwei 90PLUS-Redakteure diskutieren im Streitgespräch zur Bundesliga.

Eiserner Absturz? Um Union muss man sich keine Sorgen machen!

Bei Union Berlin ist nicht alles so schlecht, wie es zuletzt auf der Ergebnistafel aussah. Das allein ist schon mal ein gutes Zeichen. In immerhin drei von sechs verlorenen Spielen war die Fischer-Elf nach Expected Goals die bessere Mannschaft. Kaufen können sich die Köpenicker davon nichts, doch hilft es, die Dinge faktengerecht einzuordnen. In den letzten Wochen war schlichtweg viel Pech dabei. Während man vor dem gegnerischen Tor zu oft die nötige Effizienz vermissen ließ, war der Gegner eiskalt. Dem fügten sich bittere Niederlagen in letzter Minute. Beim Champions-League-Debüt im Bernabéu hielt Union bis in die Nachspielzeit mit Real Madrid mit und kassierte infolge eines unglücklichen Abprallers doch noch den späten Nackenschlag. Gegen Braga führten die Köpenicker sogar mit zwei Toren, kassierten dann aber noch drei Gegentreffer, wovon zwei Traumtore waren und das entscheidende ebenfalls in allerletzter Minute fiel.

Ein weiterer Faktor für die Pleitenserie: Fischer versucht, das Spiel seiner Mannschaft mit Ball zu verbessern, variantenreicher zu gestalten. Das ist allerdings ein Prozess, der Zeit bedarf. Genau wie das Spielglück früher oder später wieder zugunsten der Eisernen fällt, werden sich die neuen Ideen Fischers nach und nach zementieren und die Mannschaft auch mit Ballbesitz Fortschritte machen. Die Voraussetzungen für eine erneute Qualifikation für den Europapokal sind ohnehin gegeben. Fischer verfügt über eine sehr ausbalancierte und eingespielte Mannschaft, die zusätzlich durch namhafte Neuzugänge an Erfahrung und Klasse dazugewonnen hat. Sorgen muss man sich um Union beileibe nicht machen.

Michael Bojkov

Trotz Niederlagenserie: Auf seine Fans kann sich Union Berlin verlassen. Hier werden die Spieler nach der bitteren 2:3-Pleite gegen Braga gefeiert.

Trotz Niederlagenserie: Auf seine Fans kann sich Union Berlin verlassen. Hier werden die Spieler nach der bitteren 2:3-Pleite gegen Braga gefeiert. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Achtung Union Berlin! Der Anspruch ändert sich

In dieser Saison hat sich bei Union Berlin einiges verändert. Erstmals spielt der Club im Konzert der ganz Großen mit und duelliert sich in der Champions League unter anderem mit Real Madrid und der SSC Neapel. Dies hat auch zu einem anderen Anspruch an die Köpenicker geführt. In viele Bundesligaspiele geht die Mannschaft von Urs Fischer als Favorit, weshalb sich der Underdog-Fußball, der Union in den vergangenen Jahren so stark gemacht hat, nicht mehr umsetzen lässt. Auch deshalb bleiben aktuell die Ergebnisse aus.

Bereits in der vergangenen Saison hat sich gezeigt, dass sich Union Berlin am wohlsten fühlt, wenn sie das Spiel auf sich zukommen lassen können und dem Gegner den Ball geben. In Spielen, wo sie selbst aktiv werden mussten, hatten die Eisernen oft Probleme, da ihnen dies nicht gelingt. Durch die Platzierung in den Top vier der Liga und das Aufrüsten des Kaders mit klangvollen Namen sind sie ihre Rolle als Underdog in dieser Saison endgültig losgeworden. Dadurch brauchen Fischer und sein Team jetzt selber spielerische Ansätze, die aktuell noch nicht vorhanden scheinen. Oftmals wird man mit den eigenen Mitteln geschlagen.

Auch der neue Kader der Unioner ist eine Bürde für den Club und geht etwas entgegen der Werte, die den Verein so stark gemacht haben. Topstars an der alten Försterei? Die gab es in den erfolgreichen vergangenen Jahren so gut wie gar nicht. Mit Kevin Volland, Robin Gosens, Datro Fofana und Leonardo Bonucci hat man gleich mehrere bekannte Namen in den Osten Berlins gelotst. Bis auf Gosens scheinen die anderen noch nicht wirklich Fuß gefasst zu haben.

Hinzu kommt das fehlende Spielglück. Im vergangenen Jahr performte Union Berlin in Sachen erwartete Tore und erwartete Punkte deutlich über. Aktuell scheint es so, als hätte das Glück die Eisernen verlassen. In diesem Jahr wird es schwierig und der kleine Club aus Köpenick könnte erstmals seit vier Jahren die internationalen Plätze verpassen. Angesichts der Investitionen droht dann die Rückkehr ins Mittelmaß.

Jannek Ringen

(Photo by Luciano Lima/Getty Images)


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