Unbestritten ist, dass der BVB eine hohe Qualität im Kader hat. Marco Reus kehrte kürzlich zurück, Maximilian Philipp ist auf dem Weg der Besserung und die 15 Punkte aus den 7 Spielen unter Peter Stöger zeigen, dass die Mannschaft stabiler ist als unter Peter Bosz. Dortmund ist ambitioniert und will in diesem Wettbewerb viel erreichen. Eine Pflichtaufgabe ist Atalanta aber keinesfalls.
Die fußballerische Qualität bei Borussia Dortmund war in den letzten Spielen höchstens solide, das war sowohl in Köln der Fall, als auch beim Sieg gegen den Hamburger SV. Spektakel Fehlanzeige. Aber das ist kein Grund zur Besorgnis, denn Peter Stöger legt viel Wert auf Balance, versucht die teilweise eklatanten Fehler in der Rückwärtsbewegung abzustellen und die Lücken zu schließen. Das erfordert viel Arbeit, sowohl läuferisch, als auch im Kopf. Der BVB ist aber bereit, diese Arbeit zu leisten und entwickelt sich in der Tat zunehmend besser, wirkt konzentrierter und hat mehr Phasen, in denen entsprechend den Vorstellungen des Trainers gespielt wird.
Die Mannschaft will die Negativschlagzeilen der Hinrunde natürlich hinter sich lassen und eine Basis schaffen, auf der man im Sommer aufbauen kann. Es wird einen kleinen Umbruch geben, Spieler werden den Verein verlassen und andere werden hinzugeholt. Aber gerade aufgrund der Deutlichkeit, mit der Watzke Veränderungen im Sommer ankündigte, sollte es im Interesse eines jeden Spielers sein sich in jeder Minute, die er spielen darf, zu empfehlen. Das kann ein durchaus entscheidender Faktor für die restliche Saison werden, erst recht wenn der Kader wieder größtenteils zu Verfügung steht und man die gesamte Breite nutzen kann.
Trotz der positiven Tendenz weiß man in Dortmund immer noch nicht so richtig, wie das eigene Leistungsvermögen zu beurteilen ist. Diese zwei K.O.-Duelle gegen einen cleveren und abgezockten Gegner sind also eine sehr gute Herausforderung für den teilweise extrem jungen BVB-Kader. Ein Ausscheiden wäre ein Rückschlag, auch wenn man sich dann nur noch auf die Bundesliga konzentrieren könnte. Dortmund ist international immer noch ein Name, vor dem die Gegner großen Respekt haben – nach einer Gruppenphase mit lediglich 2 Punkten wäre ein Ausscheiden gegen Atalanta kein gutes Zeichen, auch für potenzielle Neuverpflichtungen eines verhältnismäßig großen Kalibers, die im Sommer in den Signal Iduna Park gelotst werden sollen.
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Gewisse Spiele in gewissen Phasen können immer richtungsweisend für eine gesamte Halbserie sein. Der BVB steckt gerade in dieser Phase, konnte endlich einmal zwei Spiele in Folge gewinnen, hat nun neben Atalanta mit Mönchengladbach und Augsburg in der Liga zwei nicht gerade einfache, aber machbare Gegner vor der Brust. Baut Dortmund diese Serie aus, kann man sehr viel positives mitnehmen. Das Selbstvertrauen ist nach der Rückrunde ohnehin bereits gestiegen, mit Reus ist nun auch noch ein Funken mehr individuelle Klasse vorhanden, auch wenn dieser vorerst nur dosiert eingesetzt werden kann.
Gerade das Heimspiel wird für Dortmund von besonderer Bedeutung sein. Das Stadion dürfte fast voll sein, die Stimmung dem Anlass Europapokal angemessen. Für Peter Stöger ist es das zweite Mal in seiner Amtszeit beim BVB, dass er dem Druck eines K.O.-Spiels ausgesetzt ist. Im Pokal in München hatte er die Mannschaft gerade erst übernommen, bei der 1:2-Niederlage gab es aber durchaus auch Chancen auf ein besseres Resultat, gerade am Ende des Spiels. Gegen Atalanta muss seine Mannschaft fokussiert auftreten, die Ruhe bewahren und geduldig spielen. Ein hektisches Spiel mit vielen Fehlern kann nicht im Interesse der Dortmunder sein.
Nach der Überraschungssaison: Atalanta weiter unangenehm
Die Saison 2016/17 verlief für Atalanta wie im Märchen. Die Mannschaft von Trainer Gian Piero Gasperini wurde in der Serie A Vierter (!) und qualifizierte sich direkt für die Europa League. Viele sahen die typischen Probleme bereits kommen: Topspieler werden weggekauft, die Doppelbelastung macht der Mannschaft schwer zu schaffen und der Abstiegskampf droht. Doch Gasperini arbeitete mit seinem Team genauso weiter, wie man es von der Erfolgssaison gewohnt war und hielt den Kader zu einem beachtlich großen Teil zusammen. Andrea Conti wechselte ebenso wie Franck Kessie zum AC Mailand, doch Atalanta nutzte die Chance um in die Breite zu investieren.
Das gelang sehr gut. Pessina, Matiello, Cornelius, Palomino, Berisha, Ilicic, Castagne und de Roon waren Teil der Transferoffensive im Sommer – und nicht wenige dieser Spieler entwickelten sich unter dem 60-jährigen Gasperini zu Schlüsselspielern. Der Erfolg auf dem Transfermarkt und der steigende Konkurrenzkampf sorgten dafür, dass Atalanta trotz der Mehrfachbelastung immer noch ein absolut unangenehmer, schwer zu bespielender Gegner ist. Derzeit steht die Mannschaft auf Platz 8 in der Serie A, was durchaus als Erfolg zu werten ist.
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Topstar ist der Kapitän Papu Gomez. Der 29-jährige Offensivspieler kommt in dieser Saison bei 19 Ligaeinsätzen auf 4 Tore und 6 Vorlagen, laborierte zuletzt aber an Rückenproblemen und fiel aus. Sollte er im Hinspiel auflaufen können, wird einiges über ihn laufen. Gomez lässt sich gerne in das Mittelfeld zurückfallen, initiiert Angriffe aus der Tiefe heraus und bedient die restlichen Offensivspieler. Atalanta versucht ohnehin sehr geordnet und kontrolliert aufzubauen, dabei die taktische Disziplin zu wahren um selbst bei Ballverlusten wenig Raum zu bieten.
Gasperinis Kompaktheit als Erfolgsrezept
Ein anderer elementarer Faktor ist Innenverteidiger Mattia Caldara, der bereits Juventus Turin gehört, aber auf Leihbasis für Atalanta aufläuft. Caldara ist für einen Spieler aus dem defensiven Zentrum sehr offensivorientiert, erzielte drei Tore und bereitete drei weitere vor, bei insgesamt 24 Einsätzen. Gasperini ist es gelungen um großartige Einzelspieler eine tolle Mannschaft aufzubauen. Ein Schlüssel zum Erfolg ist die Kompaktheit, Gasperini fordert von seiner Mannschaft gerade im Defensivverbund sehr viel. In 24 Ligaspielen kassierte das Team bisher lediglich 28 Tore, stellt damit die sechstbeste Defensive der Liga.
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Das System der Italiener ist ein sehr variables 3-5-2, bei dem die Außenspieler vor der Dreierabwehr durchaus offensiv ausgerichtet sind. De Roon und Cristante im zentralen Mittelfeld sorgen für Struktur und gerade Cristante schaltet sich immer wieder in die Offensive ein. Ilicic gibt den Spielmacher hinter den Spitzen und selbst ohne Papu Gomez stehen mit Petagna und Cornelius zwei gute Mittelstürmer im Aufgebot. Gegen die Topklubs der Serie A sah Atalanta durchaus sehr ordentlich aus, verlor zuhause gegen die Roma mit 0:1 und gewann das Rückspiel, trotzte Juventus und Lazio ein Remis ab, verlor beide Spiele gegen Neapel knapp und hatte durchaus gute Phasen. Das sollte Warnung genug für den BVB sein.
Prognose zum Hinspiel
Wer denkt, dass Borussia Dortmund vor heimischer Kulisse als Absteiger aus der Champions League gegen Atalanta, den 8. der Serie A, leichtes Spiel hat, der täuscht sich. Dortmund wird im Signal Iduna Park von Sekunde 1 an hellwach sein müssen, denn die Italiener lauern auf Fehler und haben individuelle Qualität genug um diese auch ausnutzen zu können. Gefährlich ist Atalanta auch deswegen, weil man aufgrund einer unerwarteten Tempoforcierung schnell für Torgefahr sorgen kann. Dortmund wird versuchen ein frühes Tor zu erzielen ohne dabei zu forsch anzugreifen. Kontrollierte Offensive ist die Devise, ein Geduldsspiel ist nicht unwahrscheinlich. Für den BVB wäre ein Sieg zu null erstrebenswert, auch ein 1:0 könnte für eine sehr gute Ausgangsposition sorgen. Atalanta wird die Räume eng machen, sich einigeln und wenn gelegentlich für Nadelstiche sorgen. Auch bei ruhenden Bällen sehen die Gäste ihre Chance.
Personal, Aufstellungen
Borussia Dortmund muss gegen Atalanta Raphael Guerreiro verzichten, auch ein Einsatz von Shinji Kagawa ist sehr unwahrscheinlich. Zudem fehlen Yarmolenko, Sancho und Philipp in der Offensive, Rode und Durm in der Defensive. Marcel Schmelzer könnt hingegen in den Kader zurückkehren. Castro kämpft mit Dahoud um den Platz im zentralen Mittelfeld, Toljan dürfte als Linksverteidiger spielen und Schürrle in der Offensive auf dem Platz bleiben. Marco Reus wäre eine optimale Option als Joker. Personalprobleme in diesem Ausmaß hat Atalanta nicht zu beklagen. Mit Caldara und Papu Gomez fehlten zuletzt zwar zwei Topstars, aber es ist davon auszugehen, dass beide im Kader auftauchen werden. Ansonsten fehlt lediglich Mittelfeldspieler Rizzo, der aber nicht zum Stammpersonal gehört.
Dortmund: Bürki, Piszczek, Toprak, Sokratis, Toljan, Weigl, Castro (Dahoud), Götze, Pulisic, Schürrle, Batshuayi
Atalanta: Berisha, Toloi, Caldara (Masiello), Palomino, Hateboer, de Roon, Cristante, Spinazzola, Ilicic, Papu Gomez (Petagna), Cornelius