Europa League | Leipzig muss gegen Zenit zuhause vorlegen

7. März 2018 | News | BY Manuel Behlert

Am Donnerstagabend empfängt RB Leipzig zum Hinspiel des Achtelfinals in der Europa League die Russen von Zenit und stehen gerade nach den durchwachsenen letzten Wochen vor einer schweren Aufgabe. Trotzdem will sich das Team von Trainer Ralph Hasenhüttl eine gute Ausgangsposition verschaffen und geht hochmotiviert in das Duell. Anstoß der Partie ist um 21:05 Uhr, Schiedsrichter der Partie ist Ovidiou Hategan aus Rumänien. 

Leipzigs Konstanzdellen

Die letzten Wochen verliefen für RB Leipzig nicht gerade ideal. Nur 8 Punkte aus 6 Spielen entsprechend nicht nur nicht dem eigenen Anspruch, sie sind auch für eine Mannschaft, die unbedingt in die Champions League will, deutlich zu wenig. In der Europa League bezwang man zwar den SSC Neapel, das Rückspiel war aber nicht besonders gut, zudem konzentrieren sich die Italiener auf den „Scudetto“ und spielten nicht über 180 Minuten mit 100 %. Man merkte aber gerade im Rückspiel in Leipzig, dass Neapel, sobald die Mannschaft das Tempo verschärfte, zu Chancen und auch Toren kam.

(Photo by Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)

Nach den Problemen am Ende der Hinrunde, als Leipzig hintereinander gegen Hoffenheim, Mainz, Wolfsburg und Hertha patzte, sollte in der Rückrunde wieder Stabilität einkehren. Doch auch im Kalenderjahr 2018 konnten 5 der 8 Ligaspiele nicht gewonnen werden, was einerseits auch daran liegt, dass die Doppelbelastung dem noch nicht hundertprozentig ausgewogenen Kader zu schaffen macht, hinzu kommen Verletzungsprobleme, die nicht kompensiert werden können. Im Winter verpasste man es zudem einen Spieler zu verpflichten, der Marcel Halstenberg ersetzen kann. Gerade defensiv fehlt es an der Breite, die offensiv nominell vorhanden ist.

Zu viel Pressing, zu wenig Kontrolle

Nicht nur die Punktverluste ansich, sondern vor allem die Art und Weise des Zustandekommens sollten hinterfragt werden. Die Mannschaft von RB Leipzig betreibt einen immensen Aufwand um den Gegner zu Fehlern zu zwingen und versucht sich durch teilweise extrem aggressives Pressing in gute Umschaltpositionen zu manövrieren. Das gelingt auch häufig und ist gerade an guten Tagen, in denen die Balance stimmt, sehr effektiv. Doch es kann und darf nicht das einzige Mittel sein, gerade wenn die Defensive personell ersatzgeschwächt ist und überwiegend aus jungen, noch unerfahrenen und dementsprechend mitunter unkonstanten Spielern besteht.

Diese fehlende Konstanz ist keinesfalls ein Vorwurf an diese Spieler, sie ist vollkommen normal. Aber man merkt zum jetzigen Zeitpunkt der Saison, dass ein Dayot Upamecano überspielt ist, ihm ein wenig Spritzigkeit und Selbstverständnis abgehen und er nicht die Leistungen bringt, die er bringen kann. Das mag zwar Meckern auf einem hohen Niveau sein, wenn sich diese kleinen Mängel aber durch die Mannschaft ziehen, entstehen genau die Probleme, mit denen sich Hasenhüttl, Rangnick & co. derzeit herumplagen müssen. Dass man trotzdem in der Liga in einer guten Position ist, nimmt man natürlich dankend an.

(Photo by Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images)

Ein weiteres Problem von RB Leipzig ist, dass man zu viele Führungen verspielt hat. Es fehlt das Element der Kontrolle, oftmals wird auch nach einem Vorsprung zu viel Wert auf Pressing und Umschaltmomente gelegt, statt den Gegner zu dominieren und zu kontrollieren. Durch Passstaffetten und längere Ballbesitzmomente signalisiert man dem Gegner, dass er wenig bis nichts zu melden hat, lässt ihn hinterherlaufen, demoralisiert ihn zunehmend. Dieses Element fehlt weitgehen im Spiel von RBL und genau das ist in dieser Saison mit der gestiegenen Belastung und Erwartungshaltung ein Mitgrund, warum die Leistungen und auch die Resultate im Endeffekt so durchwachsen sind.

In dieser Saison nicht mehr zu lösen

Dieses Problem dürfte in der laufenden Spielzeit nicht mehr zu lösen sein. Wie auch? Denn um die Ballbesitzelemente zu integrieren, benötigt man Zeit, bestenfalls eine Vorbereitung. Leipzig muss, wenn man international konkurrenzfähig sein will, etwas umdenken. Die ganze Philosophie muss man keinesfalls umwerfen, aber Alternativen entdecken, neue Spielstile implementieren, die situativ eingesetzt werden können. Das würde der Form der einzelnen Spieler entgegenkommen und helfen, die Kräfte in der Saison noch besser zu verteilen.

(Photo by ROBERT MICHAEL/AFP/Getty Images)

Zudem entlastet man durch größere Ballbesitzphasen die eigene Defensive, die eben nicht in jeder Sekunde wachsam sein muss, da die hektischen Phasen weniger werden. Dominanz und Kontrolle sind erstrebenswerte Elemente im Fußball, die auch den Zufall minimieren. Nun gilt es in dieser Saison Lösungen zu finden, die Schwachstellen des Gegner zu erkennen und diese zu nutzen. In Neapel spielte Leipzig sehr konzentriert, eine solche Leistung wird gegen Zenit aber zweimal über 90 Minuten notwendig sein, denn die Russen haben durchaus Ambitionen in der Europa League.

Zenit schöpft noch nicht alles aus

Roberto Mancini durfte bei Zenit im vergangenen Transfersommer ordentlich einkaufen und krempelte den Kader nach seinen Wünschen um. Neben den ablösefreien Noboa, Erokhin und Polos wurden weitere Spieler für teilweise sehr viel Geld eingekauft. Rechtsverteidiger Terentjev kostete 2 Millionen Euro und kam aus Rostov, Kuzyaev wurde für 4 Millionen aus Grozny verpflichtet, Mevlja, der ebenfalls aus Rostov kam, kostete 8 Millionen Euro, genauso viel wie Kranevitter von Atletico Madrid. Die Toptransfers lauteten Emiliano Rigoni (9 Millionen Euro, Independiente), Sebastian Driussi (15 Millionen, River Plate), Emanuel Mammana (16 Mio. Euro, Lyon) und Leandro Paredes, den man für 23 Millionen Euro aus Rom verpflichtete.

(Photo by Epsilon/Getty Images)

Nach diesen großen Investitionen sollte Zenit in dieser Saison bereits um die Meisterschaft mitspielen, doch derzeit steht man auf Platz 4.  Zwar ist Zenit punktgleich mit ZSKA Moskau und liegt nur einen Zähler hinter Krasnodar, der Rückstand auf Lok. Moskau beträgt zum jetzigen Zeitpunkt schon 8 Punkte, obwohl Zenit längerfristig die Tabelle anführen konnte. Da Zenit in dieser Saison regelmäßig patzt und auch den Auftakt nach der Winterpause in den Sand setzte (0:0 gegen Amkar Perm), sieht es mit dem Meistertitel nicht gut aus, insgesamt schöpft die Mancini-Elf ihr Potenzial noch nicht aus.

Licht und Schatten im bisherigen Wettbewerb

Bereits während der Qualifikation hatten die Russen kleine Probleme. In der 3. Runde quälte sich das Team gegen Bne Jehuda Tel Aviv in Addition mit 2:1 weiter, ehe man im Playoff gegen den FC Utrecht im Rückspiel sogar in die Verlängerung musste. Die Gruppenphase war allerdings sehr gut, Zenit schloss die Gruppe L mit 17:5 Toren und 16 Punkten ab. Vardar Skopje und Real Sociedad wurden zweimal geschlagen, lediglich gegen Rosenborg Trondheim patzte man beim 1:1 am 4. Spieltag. Die Russen gingen als Favorit in ihre Gruppe, wurden dieser Rolle auch gerecht. Die erste K.O.-Runde wurde im Endeffekt souverän gelöst, auch wenn es im Hinspiel bei Celtic Probleme gab. Dort verloren die Russen ohne ihren Rhythmus (die Liga befand sich noch in der Winterpause) mit 0:1 und mussten im Rückspiel schon an die Leistungsgrenze gehen. Zenit war Celtic aber individuell überlegen und konnte diese Überlegenheit auch in Tore ummünzen, ein 3:0-Erfolg resultierte.

Individuelle Klasse in allen Mannschaftsteilen

Die Qualität im Kader von Zenit ist hoch, wenngleich auch noch nicht in allen Teilbereichen der Mannschaft die nötige Qualität in der Breite herrscht. Im Tor ist die Entwicklung des 26-jährigen Lunev hervorzuheben, der eine gute Saison spielt und 15 von 26 Spielen ohne Gegentreffer bestreiten konnte. In der Abwehr sind vor allem Domenico Criscito und der junge Neuzugang Mammana hervorzuheben, aber auch Ex-Chelsea-Star Ivanovic spielt mit seinen 34 Jahren noch eine wichtige Rolle, dirigiert die Hintermannschaft und ist mit seiner Erfahrung und der Ruhe ein entscheidender Faktor für die Stabilität.

(Photo by Epsilon/Getty Images)

Im Mittelfeld ist vor allem der 23-jährige Argentinier Paredes hervorzuheben, dessen Wechsel von der Roma zu Zenit zumindest ein wenig überraschend war. Er ist auf der 6er-Position zuhause, ist ein sehr spielintelligenter und defensivstarker Spieler, der noch über das Potenzial verfügt deutlich besser zu werden. Insgesamt stimmt die Mischung im Team, viele Spieler sind Mitte/Ende 20 und bringen eine gewisse Erfahrung mit, aber es gibt auch junge, aufstrebende Spieler wie Driussi (22), die den etablierten Kräften Dampf machen. Toptorschütze der Mannschaft ist Aleksandr Kokorin, der 19 Treffer in 32 Pflichtspielen erzielen konnte, davon 6 in seinen bisherigen 7 Einsätzen in der Europa League. Auf Leipzig kommt ein Gegner mit einem verhältnismäßig kleinen, aber sehr ausgewogenen Kader zu.

Prognose

Einen klaren Favoriten für das Spiel gibt es nicht. Leipzig hat in den letzten Wochen nur in ganz wenigen Phasen gezeigt, wie gut man ist, Zenit fehlt noch etwas der Rhythmus. Daher ist davon auszugehen, dass das Hinspiel in Leipzig sehr eng wird. Zenit wird versuchen ein Auswärtstor zu erzielen, aber gleichzeitig die defensive Balance aufrecht zu erhalten, Leipzig keine Räume zu geben, das Pressing dementsprechend ein wenig ins Leere laufen zu lassen. Technisch spielen die Russen auf einem hohen Niveau und können durchaus auch einmal den Ball über längere Zeit halten, was RBL nicht gerade entgegenkommt. Leipzig muss versuchen in Führung zu gehen und darf anschließend nicht wieder in die typische Hektik verfallen und eine Art „Flipperfußball“ riskieren. Ein Remis oder ein knapper Sieg (in beide Richtungen) ist denkbar, einen klaren Sieger dürfte es in diesem Spiel nicht geben, dafür ist die Qualität beider Mannschaften auf einem zu ähnlichen Niveau.

 

Personelles und Aufstellungen

RB Leipzig muss im Hinspiel natürlich auf den langzeitverletzten Linksverteidiger Marcel Halstenberg verzichten, zudem ist Ademola Lookman aufgrund seiner Einsätze für den FC Everton in der Gruppenphase nicht spielberichtigt. Ob Ralph Hasenhüttl die Rotationsmaschinerie anwerfen wird, bleibt abzuwarten.  Zenit wird auf Mittelfeldspieler Paredes verzichten müssen, der das Hinspiel aufgrund einer Gelbsperre verpasst. Auch der erfahrene Mittelfeldspieler Faizulin steht nach einer Knie-OP nicht zur Verfügung, der restliche Kader ist aber fit und vor allem ausgeruht.

RB Leipzig: Gulacsi, Klostermann, Upamecano, Orban, Bernardo, Demme, Keita, Forsberg, Bruma (Sabitzer), Poulsen (Augustin), Werner 

Zenit: Lunev, Smolnikov, Mammana, Ivanovic (Mevlja), Criscito, Kranevitter, Kuzyaev, Erokhin, Poloz, Driussi, Kokorin

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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