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Vorschau 2. Bundesliga: So ausgeglichen wie noch nie?

18. September 2020 | Saisonvorschauen | BY Marc Schwitzky

Am Freitag beginnt nicht nur die Saison der 1. sondern auch der 2. Bundesliga! In unserer Vorschau wollen wir auf die Aufstiegskandidaten, möglichen Überraschungen und den jedes Jahr aufs Neue so aufreibenden Abstiegskampf blicken.

Kurzer Überblick zur letzten Saison

In der Saison 2019/20 begrüßte die 2. Bundesliga sechs neue Mitglieder: Der VfB Stuttgart, 1. FC Nürnberg und Hannover 96 waren aus dem Oberhaus abgestiegen, dem Karlsruher SC, VfL Osnabrück und SV Wehen Wiesbaden waren hingegen der Aufstieg gelungen. Im Gegensatz zu Nürnberg (Tabellensechszehnter) und Hannover (letztendlich noch Sechster), die massive Probleme in dieser Spielzeiten hatten, gelang dem VfB als Tabellenzweiter der sofortige Wiederaufstieg, zusammen mit Zweitligameister Arminia Bielefeld wird man 2020/21 wieder erstklassig spielen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Dem 1. FC Heidenheim blieb der Aufstieg aufgrund der verlorenen Relegation gegen Werder Bremen verwehrt, auch der Hamburger SV wird nach einem dramatischen wie schwachen Saisonendspurt mindestens ein weiteres Jahr in Liga zwei verbringen – das können bis auf die beiden Absteiger, Wiesbaden und Dynamo Dresden, auch alle anderen Mannschaften von sich behaupten. Ja, sogar Nürnberg, das sich in der Relegation gegen den Drittligist FC Ingolstadt in wirklich allerletzter Sekunde noch zum Klassenerhalt zitterte.

Aufstiegskandidaten

Das Aufstiegsrennen 2020/21 könnte spannender denn je werden! Grund dafür ist die Ausgeglichenheit der Liga: Mit Arminia Bielefeld und dem VfB Stuttgart sind die klar stärksten Teams aufgestiegen und Fortuna Düsseldorf wie der SC Paderborn waren durchaus erwartbare Bundesliga-Absteiger, die jedoch nicht denselben Aufstiegsdruck haben werden, wie der VfB, Hamburger SV oder 1. FC Köln in den vergangenen Jahren. Dennoch gibt es natürlich auch in dieser Spielzeit Mannschaften, denen man den Aufstieg am ehesten zutraut.

Allen voran Fortuna Düsseldorf. Zwar hat der Absteiger mit elf Zu- und 16 Abgängen auf dem Papier einen bislang recht wilden Transfersommer gehabt, der Kern des Teams ist – inklusive Trainer Uwe Rösler (51), unter dem es zuletzt besser lief – zusammengeblieben. Mit Kaan Ayhan (25) und Kevin Stöger (26) sind zwar Leistungsträger der letzten Jahre gegangen, es konnte dennoch eine Achse behalten werden: Andre Hoffmann (27), Matthias Zimmermann (28), Jean Zimmer (26), Marcel Sobottka (27), Adam Bodzek (35), Alfredo Morales (30) und Rouwen Hennings (33) sind allesamt geblieben. Der Kader verfügt also über viele (Zweitliga-)erfahrene Kräfte, ist durchaus eingespielt und hat sich zudem mit Spielern wie Florian Hartherz (27) und Edgar Prib (30) sinnvoll verstärkt. Trainer Rösler besitzt sowohl kämpferische als auch spielerische Option, weshalb alles andere als eine Teilnahme am Aufstiegsrennen enttäuschend wäre.

Auch in diesem Jahr muss der Hamburger SV als Aufstiegskandidat genannt werden. Zwar versucht sich der Verein daran, kleinere Brötchen zu backen und auch die Transfers deuten nicht auf den Größenwahn der vergangenen Jahre hin, dennoch verfügt der HSV über einen der stärksten Kader der Liga und es wäre schlicht nicht glaubwürdig, wenn man die vordersten Plätze nicht als Ambition hätte. Dafür sprechen auch die Verpflichtungen: Mit Toni Leistner (30), Klaus Gjasula (30) und Simon Terodde (32) wurden erfahrene Spieler dazugeholt, die Neu-Coach Daniel Thioune (46) helfen sollen, dem HSV beizubringen, die zweite Liga vollends anzunehmen. Mit Thioune ist ein neuer Weg eingeschlagen worden: Zwar ist der Aufstieg weiterhin das Ziel, jedoch wird durch die Einbindung zahlreicher Talente langfristiger und nachhaltiger gedacht, sodass der Verein finanziell auch in Liga zwei überleben könnte. Dennoch: Der HSV gehört aufgrund des Kaders und den allgemeinen Ambitionen zu den Aufstiegskandidaten, daran ändert auch das bittere Erstrundenaus im DFB-Pokal gegen Dynamo Dresden nichts.

Foto: IMAGO

Der „andere“ HSV, Hannover 96, gehört ebenfalls zu den Favoriten im Aufstiegsrennen. Der letztjährige Bundesliga-Absteiger wackelte zunächst gehörig, fand mit Trainer Kenan Kocak (39), der im November 2019 übernahm, aber zurück in die Spur und gehörte in der Rückrunde zu den besten Teams der Liga. In diesem Sommer haben die 96er den Kader im großen Stil aufgeräumt, mit Waldemar Anton (24) zwar einen Leistungsträger verloren, aber andere Stützpfeiler wie Hendrik Weydandt (25) oder Linton Maina (21) halten können. Zwar müssen die Niedersachsen noch einen neuen Abwehrchef verpflichten, alle anderen Problemzonen scheinen jedoch beseitigt. Vor allem die starke Offensive mit Weydandt, Maina, Marvin Ducksch (26) und Genki Haraguchi (29) ist ein echtes Faustpfand. Mit Dominik Kaiser (32) und dem aus Freiburg gekommenen Mike Frantz (33) ist zudem eine neue Achse im zentralen Mittelfeld etabliert worden. Vieles spricht für die vorderen Tabellenplätze, allerdings sind die Unruhen im Verein, die sich negativ auf das Sportliche auswirken können, nie zu unterschätzen.

Zuletzt ist der SC Paderborn zu nennen. Zwar als Tabellenletzter aus der Bundesliga abgestiegen, ist der SCP durchaus ein Kandidat für die oberen Plätze. Das liegt vor allem an Trainer Steffen Baumgart (48), der trotz Abstieg weitermachen darf und an dem Kader, der mit Lucas Kilian (20) und Gjasula nur zwei Leistungsträger verloren hat und den großen Umbruch dadurch abwehren konnte. Mannschaft und Trainer kennen sich bestens, die in Liga zwei so erfolgreiche Spielidee Baumgarts kann also ohne Verzug wieder angewandt werden. Verstärkt wurde sich vor allem mit jungen eher unbekannten Spielern, allerdings war diese Transferstrategie schon in den Vorjahren das Erfolgsrezept Paderborns. Mit Dennis Srbeny (26), Christopher Antwi-Adjei (26) und Sebastian Vasiliadis (22) sind echte Unterschiedsspieler geblieben, die den SCP erneut auf die vorderen Plätze hieven könnten.

Geheimtipps

Wie schon erwähnt erscheint die zweite Liga dieses Jahr noch einmal ausgeglichener als in den letzten Jahren. Gut möglich also, dass sich ein paar Überraschungen in das Aufstiegsrennen einmischen.

Wie zum Beispiel der 1. FC Nürnberg. Naturgemäß sollte sich ein Verein wie Nürnberg stets oben verortet sehen, die vergangene Saison verlief jedoch so desaströs, dass ein Neuaufbau ansteht. Angegangen wird dieser mit Trainertalent Robert Klauß (35), der seinen ersten Job als Cheftrainer einer Profi-Mannschaft antritt. Von Klauß verspricht man sich beim Club leidenschaftlichen, mitreißenden und taktisch anspruchsvollen Fußball. Bis dieser vollends greift, ist aufgrund des Kaderumbruches – sieben Spieler sind gekommen, zehn gegangen – allerdings Geduld erforderlich. Mit Transfers wie Pascal Köpke (24), Manuel Schäffler (31) und Bayern-Leihgabe Sarpreet Singh (21) ist jedoch Überraschungspotenzial vorhanden.

Der VfL Bochum zeigte unter Trainer Thomas Reis (46), der im September 2019 übernahm, einen deutlichen Aufwärtstrend und konnte die Saison nach einer starken Rückrunde auf Rang acht beenden. Nach vielen gescheiterten Versuchen scheint der VfL endlich seinen idealen Trainer gefunden zu haben, der ansprechenden Fußball spielen lässt, allerdings auch die in Liga zwei so wichtige Komponente des Kampfes nicht vernachlässigt. So verfügt Bochum auch über eine gute Mischung im Kader, sowohl was die Eigenschaften als auch das Alter der Spieler betrifft. Sollten Danny Blum (29) und Silvère Ganvoula (24) als offensive Lebensversicherung gehalten und damit kein einziger Leistungsträger abgegeben werden, kann sich Bochum womöglich bei den oberen Plätzen hineinzwängen.

Foto: IMAGO

Überraschungspotenzial hat auch der SV Darmstadt 98. Die „Lilien“ haben eine starke Saison 19/20 hinter sich und könnten nun mit Neu-Trainer Markus Anfang (46) den nächsten Schritt gehen. Zwar hatte Anfang keine leichte Zeit beim 1. FC Köln, seine Fähigkeiten hat er in Kiel jedoch eindrucksvoll bewiesen. Auch Darmstadt ist es gelungen, den Kader weitestgehend zusammenzuhalten, einzig der Abgang des zuvor geliehenen Dario Dumic (28) schmerzt. Aufgefangen soll dieser Verlust von Bayern-Leihgabe Lars Lukas Mai (20) werden, welcher sich bei den Hessen für höhere Aufgaben empfehlen will. Der SVD verfügt eigentlich über alles, was es in der zweiten Liga braucht: Eine sehr stabile Defensive, Körperlichkeit, schnelle Außenspieler und mit Serdar Dursun (28) einen echten Knipser. Von daher scheint viel möglich.

Bezieht man das Wort „Überraschung“ nicht nur auf den Aufstiegskampf, wäre auch Eintracht Braunschweig zu nennen. Der Zweitliga-Aufsteiger hat mit Daniel Meyer (41) einen neuen Trainer, der bereits bei Erzgebirge Aue bewies, aus wenig viel zu machen. Darüber hinaus haben sich die Niedersachsen überaus sinnvoll verstärkt. Für die Offensive sind Fabio Kaufmann (28), der letzte Saison 28 Torbeteiligungen für Würzburg sammelte, und Suleiman Abdullahi (23) vom 1. FC Union Berlin gekommen. Auch das Mittelfeld wurde nicht nur durch Felix Kroos (29) aufgewertet, die Defensive hat ebenfalls ein Upgrade erfahren. Hinzukommt X-Faktor Martin Kobylanski (26), der zuletzt drei Tore im Pokal gegen Bundesligist Hertha BSC erzielte und generell durch Spielwitz und gute Standards besticht. Braunschweig verfügt über einen breiten Kader mit vielen Optionen und kann sofort eine gute Rolle in Liga zwei spielen – entscheidend wird sein, wie schnell sich die neu zusammengewürfelte Truppe findet.

Abstiegskampf

Da es in der 2. Liga so eng zugeht, gilt grundsätzlich, dass sich die halbe Liga im Abstiegskampf befindet, welcher stets bis zum 34. Spieltag anhält und bis dahin noch viele Teams zittern lässt. Auch in dieser Saison werden genügend Vereine nur den Klassenerhalt im Sinn haben. Eine Auswahl.

Die Würzburger Kickers haben als einer von zwei Aufsteigern das große Ziel, sich in der zweiten Liga zu halten. Der Kader wurde zwar durch Routiniers wie Arne Feick (32) und Douglas (32) erweitert, verfügt aber dennoch über kaum Zweitligaerfahrung. Das gilt auch für Trainer Michael Schiele (42). Hinzukommt, dass Würzburg mit Kaufmann seinen Topscorer an einen Konkurrenten und mit Sebastian Schuppan (34) sein Rückgrat an das Karriereende verloren hat. Es mangelt im Kader also sowohl in der Breite, als auch in der Spitze. Es wird ein hartes Jahr für die Kickers.

Der VfL Osnabrück hat ebenfalls schmerzhafte Verluste erlitten: Toptorjäger Marco Alvarez (28) und Trainer Thioune, zwei zentrale Figuren der letzten Jahre, gingen verloren. Übernommen hat der bisherige U19-Trainer von Werder Bremen Marco Grote (47), welcher quasi keine Erfahrung auf diesem Niveau hat. Eben jene Erfahrung hat sich der VfL durch Spieler wie Ken Reichel (33), Timo Beermann (29) und Christian Santos (32) dazugeholt, dennoch wird es eine schwere Spielzeit für Osnabrück.

Auch der SSV Jahn Regensburg wird erstmal nur den Klassenerhalt anvisieren. Mit u.a. Kapitän Marco Grüttner (34) ist eine echte Achse weggebrochen, die der Verein mit jungen Spielern auffangen will bzw. muss. Auf dem Papier gehört der Regensburger Kader, auch wenn mit Christoph Moritz (30) ein erfahrener Akteur hinzugekommen ist, zu den schwächeren der Liga. Ein Team mit vielen Talenten, das überraschen, aber auch tief in den Abstiegskampf rutschen kann.

Foto: IMAGO

Erfahrung auf dem Gebiet „Abstiegskampf“ hat Erzgebirge Aue allemal. Jedes Jahr geht es nur um den Klassenerhalt, seit vielen Spielzeiten gelingt dies beständig. Zwar hat Aue die letzte Saison überraschend auf Platz sieben beendet, der Formpfeil ging in der Rückrunde jedoch steil nach unten. Das Niveau ist also nicht zu halten, zumal in diesem Sommer die bekannten Schwächen des Teams kaum durch Neuzugänge behoben werden konnten. Es müssen alle Leistungsträger wie z.B. Torjäger Pascal Testroet (29) performen, damit Aue nicht in Bedrängnis kommt.

Letzte Saison hat sich der Karlsruher SC als damaliger Aufsteiger in der Liga halten können. Auch in dieser Spielzeit wird es um nichts anderes gehen. Bis auf Torhüter Benjamin Uphoff (27) ist kein Leistungsträger gegangen, zudem wurden sinnvolle Verstärkungen getätigt und Trainer Christian Eichner (37) genießt großes Vertrauen. Dennoch gehört der Kader im Ligavergleich zu den schwächeren. Liefern Leistungsträger nicht ab oder fallen aus, kann das kaum bis gar nicht aufgefangen werden.

Players to watch

Neben bereits in der Vorschau genannten Spielern werden noch weitere Akteure der zweiten Liga spannend zu beobachten sein. Hier sollen ein paar Namen vorgestellt werden.

Dennis Jastrzembski

Im vergangenen Winter wurde Dennis Jastrzembski (20) von Hertha BSC an den SC Paderborn verliehen, um Spielpraxis zu erhalten. Das hatte in der Bundesliga nur bedingt geklappt, nun in der zweiten Liga könnte der Flügelspieler aber seinen Durchbruch feiern. Jastrzembski zeichnen seine unglaubliche Schnelligkeit und der Zug zum Tor aus, so spielte er sich bei Hertha bereits in jungen Jahren in den Profi-Kader, der nächste Entwicklungsschritt blieb bislang aber aus.

Lukas Daschner

Beim FC St. Pauli klafft seit dem Abgang von Mats Möller Daehli (25) eine riesige Lücke im kreativen Zentrum. Diese zu schließen, wird zukünftig die Aufgabe von Lukas Daschner (21) sein, der in diesem Sommer vom MSV Duisburg gekommen ist. Auf sich aufmerksam machte er mit elf Toren und fünf Vorlagen in der Vorsaison. Es wird spannend zu sehen sein, wie schnell er sich an das neue Niveau gewöhnen kann.

Foto; IMAGO

Dzenis Burnic

Auch Dzenis Burnic (22) tritt ein schweres Erbe an: Der Neuzugang von Borussia Dortmund soll den abgewanderten Niklas Dorsch (22) beim 1. FC Heidenheim ersetzen. Der defensive Mittelfeldspieler gilt als hoch veranlagt, konnte sein Talent bei den Leihstationen in Stuttgart und Dresden allerdings nur ansatzweise zeigen. Heidenheim gilt allerdings als gutes Pflaster für junge Talente, Trainer Frank Schmidt (46) könnte auch Burnic auf die nächste Stufe bringen.

Jamie Leweling

Jamie Leweling (19), 2017 aus der Nürnberger Jugend zu Greuther Fürth gekommen, macht seit einer Saison auf sich aufmerksam. Der deutsche U20-Nationalspieler hat in seinen ersten 22 Profi-Partien gleich mal vier Torbeteiligungen gesammelt. Leweling bringt alles mit, was ein offensiver Flügelspieler braucht: Tempo, Spielwitz, Torgefahr. So soll er sich bereits auf die Einkaufslisten mehrerer Bundesligisten gespielt haben. Ein weiteres Jahr bei Fürth, in dem Leweling wohl Stammspieler sein wird, wird die Entwicklung weiter vorantreiben und ihn womöglich in die Bundesliga bringen.

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Marc Schwitzky

Erst entfachte Marcelinho die Liebe zum Spiel, dann lieferte Jürgen Klopp die taktische Offenbarung nach. Freund des intensiven schnellen Spiels und der Talentförderung. Bundesliga-Experte und Wortspielakrobat. Seit 2020 im 90PLUS-Team.


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