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Duell zum schlechtesten Zeitpunkt: Bayern in der Außenseiterrolle zu Gast bei Arsenal

9. April 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Wenn der FC Bayern am Dienstag in der UEFA Champions League beim FC Arsenal antritt, dann ist es ein Wiedersehen nach sieben Jahren. Damals gewann der Rekordmeister beide Partien mit 5:1 und setzte sich souverän durch. Die Vorzeichen sind dieses Mal aber komplett anders, denn nun hat der Bundesligist die Außenseiterrolle inne. 

Arsenal spielt eine hervorragende Saison, führt die Tabelle der Premier League noch vor dem FC Liverpool und Manchester City an und hat sich im Kalenderjahr 2024 noch einmal stabilisiert, sowohl bei den Ergebnissen als auch bei den Leistungen auf dem Platz. Für den FC Bayern muss also alles passen, um sich eine gute Ausgangslage für das Rückspiel zu verschaffen. Vor der Partie des Rekordmeisters bei den Gunners haben wir uns außerdem mit Simon Collings, Arsenal-Experte und Journalist beim Evening Standard, über das anstehende Duell unterhalten.

Die Vorzeichen: Bayern geht als Außenseiter in das Spiel

Wenn sich zwei große Teams im Europapokal begegnen, dann ist das immer eine Besonderheit. Vor allem dann, wenn sich beide am Maximum ihrer Schaffenskraft befinden. Das trifft vor dem Viertelfinale in der Champions League zwischen Arsenal und Bayern aber nur auf ein Team, nämlich die Gunners aus dem Norden Londons, zu.



Der Blick auf die Statistiken im Kalenderjahr 2024 bestätigt nämlich den Eindruck, der auf dem Platz entsteht. Arsenal ist extrem stabil, hat kein Ligaspiel seit dem 31. Dezember mehr verloren, unterlag 2024 ohnehin nur Porto im Hinspiel und Liverpool im FA Cup. Sechs der letzten sieben Pflichtspiele gewann die Elf von Trainer Mikel Arteta, das einzige Remis gab es bei Manchester City. Keine Mannschaft ist in diesem Jahr besser, niemand schießt in der Premier League mehr Tore und niemand kassiert weniger. 

Quasi das genaue Gegenteil zeigt die Formkurve des Gastes aus München auf. Der FC Bayern verlor die letzten beiden Spiele gegen Dortmund und Heidenheim, steht in der Rückrundentabelle nur im oberen Mittelfeld der Bundesliga. Sechs Pflichtspielniederlagen häufte die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel in diesem Jahr schon an, zufrieden sein kann niemand. Zumal selbst in den Spielen, die siegreich gestaltet wurden, zumeist mindestens eine unsaubere Phase dabei war, in der vieles nicht nach Plan lief.

Arsenal ist deutlich reifer geworden – auf mehreren Ebenen

Die Rückkehr von Arsenal in die Königsklasse wurde mit Spannung erwartet. Kann die junge Mannschaft, eine der jüngsten in der Premier League, mit dieser enormen Belastung und dem Druck in der Champions League umgehen und gleichzeitig in der Liga erfolgreich agieren? Sie kann. Zumindest bis jetzt. Der Grund dafür ist, dass im Sommer einmal mehr die richtigen Schlüsse bei der Kaderplanung gezogen wurden. Declan Rice war ein fehlendes Puzzleteil für die gesamte Defensive. Der Engländer treibt mit seiner Dynamik zudem auch noch das Spiel nach vorne an. Und Kai Havertz hat nach anfänglichen Problemen nachgewiesen, warum Trainer Arteta auf ihn setzt.

Doch es wäre falsch, die Entwicklung nur an einzelnen Spielern zu definieren. Im Gegenteil, die gesamte Mannschaft ist reifer geworden. Das sieht auch der Experte Simon Collings so: „Arsenals Spielstil war in dieser Saison maßgeblich von Kontrolle geprägt. Das ist ein deutlicher Unterschied zum letzten Jahr, als die Gunners anfälliger für Fehler in der Verteidigung waren. Jetzt sind sie sehr widerstandsfähig und schwer zu knacken, wie sie kürzlich bei Manchester City gezeigt haben. Ich vermute, dass sie gegen Bayern München versuchen werden, den Ball zu beherrschen, geduldig zu sein und Fehler zu erzwingen. Aber: Sie haben das Hinspiel zuhause, werden ein wenig attackieren müssen.“

Havertz Arsenal Premier League Bayern

(Photo by Steve Bardens/Getty Images)

Arsenal dominiert die Partien also klarer, überlässt weniger dem Zufall als noch in der letzten Saison. Das ist ein wichtiger Schritt, ein anderer fand und findet im Kopf statt. Das Team lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen, meistert auch zunehmend mehr schwierige Situationen. Gegen Liverpool und ManCity gab es in vier Ligaspielen keine Niederlage und lediglich zwei Gegentore. Und selbst das K.O.-Spiel gegen Porto mit dem Sieg im Elfmeterschießen im Achtelfinale war ein deutliches Indiz dafür, dass die Mannschaft mental stabiler geworden ist.

Die Erfahrung als ein Punkt pro Bayern?

Interessant ist, wie der FC Bayern derzeit in England wahrgenommen wird. Respekt vor dem großen Namen ist definitiv vorhanden. „Bayern wird in England zweifellos als einer der größten Klubs der Welt angesehen. Hierzulande hat man allerdings bemerkt, wie sehr sie sich in dieser Saison abgemüht haben, und die Tatsache, dass Harry Kane für sie spielt, macht der Öffentlichkeit ihre Misere noch viel bewusster. Jeder hat erwartet, dass Kane dorthin geht und eine Trophäe gewinnt, und deshalb ist ihre Form in diesem Jahr ein solcher Schock. In Anbetracht der Schwierigkeiten der Bayern sehen viele in England Arsenal als Favorit für dieses Spiel“, so Simon Collings.

Alles rund um die Champions League findet ihr hier 

Und in der Tat scheint es gegenwärtig nur einen Punkt zu geben, der wirklich für den Rekordmeister spricht. Und das ist die Erfahrung. Nur wenige Spieler des FC Arsenal hatten vor dieser Saison überhaupt einmal die Erfahrung eines K.O.-Spiels in der Champions League in der Vita. Für den Rekordmeister und Spieler wie Müller, Neuer, Kimmich, de Ligt oder Gnabry ist das hingegen business as usual. In großen Spielen kann das manchmal die entscheidenden Prozentpunkte freisetzen, was allerdings vor allem dann ausschlaggebend ist, wenn die weiteren Voraussetzungen nahezu identisch sind.

Und damit das der Fall ist, muss der FC Bayern deutlich näher an seine Leistungsgrenze herankommen als in den letzten Partien. Auch wenn große Mannschaften nicht selten gerade bei solchen Spielen in den Wettkampfmodus schalten, scheint eine sehr deutliche Steigerung in weiter Ferne zu liegen.

„In der Allianz Arena wird es sehr schwer werden“

Gerade weil es eben nicht das erste große K.O.-Spiel der jungen Gunners ist, das in dieser Saison absolviert werden muss. Der Respekt vor dem Faktor Allianz Arena ist dennoch vorhanden, wie Simon Collings ausführt: „Die Spiele gegen Porto haben Arsenal viel Selbstvertrauen gegeben, aber dies wird ein größerer Test sein. Ich denke, dass das Heimspiel für Arsenal wirklich entscheidend ist. In der Allianz Arena wird es sehr schwer werden.“

Bayern Arsenal

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass der FC Arsenal dem FC Bayern derzeit mehr als nur einen Schritt voraus ist. Dem Rekordmeister ist natürlich immer wieder ein großes Spiel zuzutrauen, weil einige der dafür erforderlichen Charaktere nun einmal im Aufgebot zu finden sind. Dennoch sind die strukturellen Probleme zu groß, die fehlende Stabilität nach Rückschlägen kostete schon so manch gute Ausgangslage. Und wendet man beim Rekordmeister den Blick von sich selbst ab und schaut auf den Gegner, dann fangen die Probleme erst so richtig an.

Abschließend folgt noch die Prognose unseres Experten: „Ich denke, dass Arsenal weiterkommt, aber sie müssen sich im Hinspiel durchsetzen. Ich glaube, dass sie einen Vorsprung mit nach Deutschland nehmen müssen, am besten einen Vorsprung von zwei Toren, denn wir wissen, wie stark die Bayern zu Hause sind. Ich tippe auf einen Sieg von Arsenal aufgrund ihrer soliden Defensive. Sie sind in der Lage, die besten Angriffsreihen der Welt zu stoppen – fragen Sie nur Manchester City – und das gibt ihnen Selbstvertrauen.“

(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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