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Duell mit Arsenal in der Königsklasse: Bayerns Blick in die eigene Zukunft?

8. April 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Lange ist es her, da trafen sich der FC Arsenal und der FC Bayern letztmals in der UEFA Champions League im direkten Duell. 2017 war das der Fall, der Rekordmeister gewann beide Spiele deutlich mit 5:1. Beide Teams befanden sich an ganz unterschiedlichen Punkten, brachten ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit in das direkte Duell. 

Das ist diesmal, im Jahr 2024, auch so. Nur eben mit vertauschten Rollen. Nicht der FC Bayern ist der Favorit sondern die Gunners. Die Form spricht für das Team aus der Premier League, die Stabilität ebenso. Fußballerisch schlägt das Pendel ebenfalls in Richtung von Arsenal aus, der homogenere Kader steht den Engländern zur Verfügung. Weil der Klub etwas geschafft hat, das der Überschrift der To-Do-Liste des Rekordmeisters entsprechen sollte: Einen radikalen Umbruch zu moderieren.

Der Bayern-Umbruch ist unumgänglich

Dass es für diesen Umbruch mittlerweile allerhöchste Zeit ist, hat sich in den letzten Wochen und Monaten noch einmal verdeutlicht. Jahr für Jahr gab es im Kader leichte Veränderungen und Anpassungen, doch die Kernproblematik blieb, drang eher noch klarer und greifbarer nach außen. Phasen, in denen die Mannschaft instabil wirkt, nicht auf Rückschläge reagieren kann oder nicht das Optimum aus sich herausholt, gab es von Saison zu Saison häufiger. 2023/24 wird es erstmals mustergültig bestraft, deswegen ist die Wucht der Misere in der laufenden Saison auch so deutlich zu spüren. Beim FC Bayern stimmt vieles nicht, es gibt satte Spieler, Topverdiener, die zwar beim Gehalt, aber nicht bei den Leistungen ganz weit oben stehen. Die Gehaltsstruktur im Kader gehört überarbeitet, es braucht einen Neuaufbau.

(Photo by THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images)

Dass Max Eberl die Dinge nach der Niederlage gegen Heidenheim (2:3) am Wochenende sehr deutlich ansprach, ist ein gutes Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass intern derzeit viel aufgearbeitet wird. „Das ist nicht das Bayern München, das ich kenne. Ein Umbruch ist vorstellbar und ich denke, dass schon einiges geändert werden muss“, so Eberl. Und nicht nur er, auch Christoph Freund betonte mehr als nur einmal, dass alle Abläufe im Klub und auch die Leistungen auf dem Platz genau beobachtet werden. Eeinen Platz im Kader der nächsten Saison so wirklich sicher haben nur wenige Spieler. Und nicht jeder macht den Eindruck, das auch verstanden zu haben.

Dass der FC Bayern an diesem Punkt angekommen ist, ist kein Zufall. In den letzten Jahren wurden nämlich einige Fehlentscheidungen getroffen. Kein Ersatz für die „eierlegende Wollmilchsau“ Thiago im Mittelfeld, fehlender Weitblick und fehlende Strategie bei der Suche nach Kandidaten für diverse Positionen und ein zu großer Fokus auf Athleten zu Ungunsten von Fußballern im Kader: Das alles hat die Entwicklung beschleunigt. Und ausgerechnet jetzt, mit der wohl schwächsten Form seit Wochen, stehen zwei Spiele gegen eines der besten Teams im Weltfußball an. 

Arsenal war an einem ähnlichen Punkt

Fans des FC Arsenal werden bei den Ausführungen zur gegenwärtigen Lage beim FCB aufhorchen. Satte Spieler, viel zu hohe Gehälter, fehlende Homogenität im Kader und keinen klaren Plan bei Neuverpflichtungen oder der Zusammenstellung des Kaders? All das gab es nach der Ära Arsene Wenger bei den Gunners auch. Topverträge für Spieler wie Mesut Özil, die danach ihrer Topform nur noch hinterherliefen oder hohe Gehälter für Durchschnittsspieler schränkten Arsenal aufgrund der Obergrenzen für das Gehalt auf dem Transfermarkt nachhaltig ein. Ein Teufelskreis entstand, es war schwer, Budget freizuschaufeln, um die notwendigen Veränderungen durchzuziehen. Und es fehlte lange an der nötigen Expertise, die es gebraucht hätte, um überhaupt zu erkennen, wo überall die Probleme liegen.

Wenger Arsenal Bayern

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Dass teilweise Spieler wie Sokratis, Stephan Lichtsteiner, Sead Kolasinac und Shkodran Mustafi nicht nur gleichzeitig im Kader standen, sondern auch noch häufig spielten und in Gehaltssphären unterwegs waren, in denen sich jetzt Spieler wie Ben White, Takehiro Tomiyasu, William Saliba oder Gabriel Magalhaes bewegen, spricht für sich. Und weil die Premier League bei der Bestrafung solcher langjähriger Fehlplanungen noch einmal gnadenloser ist als die Bundesliga, in der Bayern sich theoretisch mehr erlauben darf als viele andere Klubs, verschwand Arsenal aus den Top-4. 

Es brauchte Umstrukturierungen auf der sportlichen Ebene und einen visionären Trainer, nämlich Mikel Arteta, ehe es auch der Kaderstruktur radikal an den Kragen ging. Im ersten Transfersommer unter der Leitung des Spaniers konnte noch nicht wirklich auf den Putz gehauen werden, dennoch verließen einige Spieler den Klub. Mkhitaryan, Torreira, Guendouzi, Özil, Mustafi, Kolasinac, Sokratis, Bellerin, David Luiz, Willian, Aubameyang, Chambers: Sie alle wurden in den ersten zwei Transfersommern abgegeben. Und es wurden junge, hungrige Spieler dazu geholt. Martin Ödegaard, Gabriel, White, Tomiyasu und Co. waren keine Topstars, als sie nach London wehselten, aber sie passten fußballerisch zum System, charakterlich in die Mannschaft und bekamen alle gemeinsam die Zeit, um auf allen Ebenen zu wachsen. 

Blickt Bayern in die eigene Zukunft?

Mittlerweile gehört Arsenal wieder zur Creme de la Creme im Weltfußball, hat die jüngste Topmannschaft in ganz Europa. Weil man erkannt hat, dass es verschiedene Zutaten für einen erfolgreichen Umbruch benötigt, die unabdingbar sind. Dabei handelt es sich um einen klaren Cut, eine sportliche Leitung mit einem kurz- wie langfristigen Plan, den richtigen Trainer und natürlich Zeit. Dass Arsenal in der letzten Saison noch nicht reif genug war, um im Meisterkampf bis zum Ende durchzuhalten? Kein Problem! Die Entwicklung ging schließlich sukzessive in die richtige Richtung.

Wenn man so will, dann dürfte der FC Arsenal und die Arbeit des Klubs in den letzten Jahren das Vorbild des Rekordmeisters sein. Auch beim FCB muss ein Cut her, es müssen sich neue Hierarchien und Strukturen im Kader entwickeln, junge Spieler langsam aber sicher in die Rolle von Leistungsträgern wachsen. Und eine Basis ist vorhanden, denn Führungsspieler gibt es im Kader, einen Superstar wie Harry Kane ebenfalls. Und Jamal Musiala, Mathys Tel und Co. könnten alle in ihrem eigenen Tempo und ihrem eigenen Rahmen die nächsten Schritte machen.

Alles rund um die Champions League findet ihr hier 

Hinzu kommt: Die Umstrukturierung auf sportlicher Ebene scheint nun ebenfalls abgeschlossen zu sein. Freund zeigte bereits seine Qualitäten bei der Verpflichtung junger Talente wie Jonah Kusi-Asare oder Nestory Irankunda, ist hervorragend vernetzt und arbeitet eng mit der Scoutingabteilung zusammen. Eberl bringt ebenfalls frischen Wind an die Säbener Straße und spricht Probleme klar an, hat sich schnell eingearbeitet und scheint gewillt, auch mal unangenehme Entscheidungen zu treffen.

Doch bevor der Umbruch so richtig in Angriff genommen werden kann, stehen nun einmal die Duelle mit Arsenal auf dem Programm. Und während die Engländer beim Blick auf den FC Bayern in die Vergangenheit schauen, so sieht der Rekordmeister, wenn er den Gegner genauer unter die Lupe nimmt, möglicherweise in die eigene Zukunft. Eine gute Nachricht wäre das für den FCB, denn das würde bedeuten, dass der geplante Umbruch auch erfolgreich über die Bühne gebracht wird.

(Photo by KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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