Der FC Bayern nach Paris: Ordnung und Tempo essenziell & die 15-Minuten-Warnung

15. Februar 2023 | Trending | BY Manuel Behlert

Das 1:0 im Parc des Princes war ein wichtiger Sieg für den FC Bayern im Achtelfinalhinspiel der Champions League. Einige der im Vorfeld offenen Fragen konnten beantwortet werden. Die Ausgangslage ist ordentlich, die Sinne sind insbesondere aufgrund der Schlussphase geschärft. 

Bayern-Sieg in Paris: Nüchterne Analyse nach den 90 Minuten

Als die ersten Spieler des FC Bayern am Dienstagabend zu den obligatorischen Interviews erschienen, entstand nicht sofort der Eindruck, der Rekordmeister habe bei einem europäischen Topklub einen Sieg in einem K.O.-Spiel eingefahren. Von der “halben Miete” wollte niemand etwas wissen. Eric Maxim Choupo-Moting (33) warnte trotz des Vorsprungs, das Spiel gehe in München “wieder komplett von vorne” los. Dabei hat das Team aus München nun einmal de facto einen Vorteil. Wie groß dieser ist, hängt auch vom Umgang mit den Erkenntnissen dieses Spiels ab.



Egal ob Yann Sommer (34), Kingsley Coman (26) oder Trainer Julian Nagelsmann (35): Es war fast so, als wurden Leistung und Resultat in die Kategorie “Business as usual” eingeordnet. “Sie haben viel Speed vorne. Ein erster Schritt ist jetzt vollbracht, den zweiten wollen wir folgen lassen. Wir sind jetzt besser dran als Paris, aber wir können auch nicht die Beine hochlegen”, resümierte zum Beispiel der Trainer nach der Partie. Das ist auch ein Ausdruck der Erfahrungen, die der FC Bayern in der Champions League bisher sammelte. Ein Spiel allein heißt noch überhaupt nichts. Es liefert aber wichtige Ansatzpunkte für das Rückspiel.

Halbzeit 1 im Parc des Princes: Kontrolle ja, aber..

Im Vorfeld des Spiels in Paris gab es einige Vermutungen hinsichtlich der Aufstellung des Rekordmeisters. Erst kurz vor dem Spiel kristallisierte sich heraus, dass es Trainer Nagelsmann mit einer Dreierkette versuchen wird. Joao Cancelo (28) rechts und der offensiv ausgerichtete Coman auf links sollten als Wingbacks dafür sorgen, dass die schnellen Außenverteidiger PSGs überhaupt nicht zu ihren offensiven Läufen kommen. Diese Teil des Plans ging auf, auch weil die Gäste die totale Spielkontrolle hatten. Vor allem in den ersten Minuten des Spiels sah es so aus, als sei Paris komplett überfordert mit der Mischung aus aktivem Spiel gegen den Ball und sicherem Passspiel.

Nach einer halben Stunde rieb sich der ein oder andere Zuschauer verwundert die Augen, als der FC Bayern bei den Schüssen in Richtung Tor mit 8:0 führte. Diese Statik mag beeindrucken, auf dem Feld sah es aber nicht nach dem totalen Druck des Rekordmeisters aus. Im Gegenteil. Die Kontrolle auf dem Feld war vorhanden, doch ab der 20. Minute wurde das Spiel langsamer. Das Risiko, das zu Beginn des Spiels noch gezeigt wurde, verlor sich in Passstaffetten mit vielen flachen Abspielen rund um den gegnerischen Block. PSG stellte das Zentrum zu, drückte Bayern auf die Außen. Cancelo kam nur selten in gute Flankenpositionen, lediglich über Coman, der Antreiber Nummer eins war, wurde Gefahr initiiert.

Bayern PSG

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Zwar hätte der Gast zur Pause durchaus führen können, Chancen waren durch Choupo-Moting und Joshua Kimmich (28) vorhanden, aber angesichts der Verfassung, in der sich die Franzosen präsentierten, war das zu wenig. PSG spielte lethargisch, im Aufbau ungenau, kam zuweilen minutenlang nicht kontrolliert über die Mittellinie. Lionel Messi (35) und Neymar (30) spielten Standfußball, arbeiteten nicht mit in der Defensive. Und so wurden aus Sicht der Gastgeber Spieler wie Danilo Pereira (31) oder der junge Warren Zaire-Emery (16) zu den Helden der ersten Halbzeit. Hier hatte Bayern die Möglichkeit, das Risiko zu erhöhen und die Verunsicherung auf ein Maximum hochschnellen zu lassen. Die Galtier-Elf wirkte nämlich labil, schon einfache Fehler waren Nahrung für die Nervosität, die teilweise spürbar war. Das 0:0 zur Pause? Okay, aber nicht mehr.


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Nagelsmann wechselt – und Bayern hat seine beste Phase

In der Pause wechselte Julian Nagelsmann dann. Für einige überraschend ging Cancelo vom Feld, Coman wechselte auf die rechte Seite rüber und Alphonso Davies (21), zuletzt im Formtief, spielte auf der linken Seite. Mehr Tempo, um auf eine Einwechslung von Kylian Mbappe (24) vorbereitet zu sein? Nicht nur! Das Tempo von Davies wollte Nagelsmann auch nutzen, um in der Offensive mehr Durchschlagskraft zu generieren. Dass Benjamin Pavard (26) kurz später gelb vorbelastet ein Foul beging und somit vor der “Ampelkarte” stand, sorgte zunächst für eine negative Einordnung der Anpassung. Doch durch Davies, mehr Offensivläufe und mehr Tempo in den Passfolgen wurde das Spiel nicht nur generell schneller, sondern Bayern auch gefährlicher. Die PSG-Konter wurden noch immer häufig im Keim erstickt, die Positionsrochaden in der Offensive gelangen aber flüssiger.

Wenig überraschend belohnte sich der FC Bayern. Weil Choupo-Moting den Weg nach außen ging, seinen Gegenspieler binden konnte und den Ball für Davies ablegte. Und weil dieser sich kurz die Zeit nahm, den Kopf vor der Flanke zu heben. Nuno Mendes (20) stand indes zu weit innen, Coman hatte in dessen Rücken Platz und Nam den Ball nach guter Flanke direkt. Weil auch noch Gianluigi Donnarumma (23) schlecht aussah, führte der FC Bayern. PSG brachte Mbappe, doch Bayern hatte jetzt seine beste Phase. Choupo-Moting zweimal, Matthijs de Ligt (23) einmal: Die Nagelsmann-Elf hätte das Ergebnis hier in die Höhe schrauben müssen. Trotz des Mbappe-Impulses lief das Spiel nur in eine Richtung, PSG geriet immer mehr unter Druck.

Die letzten 15 Minuten als deutliche Warnung

Doch das 0:2 fiel nicht. Und Paris Saint-Germain wollte nicht auf sich sitzen lassen, lange das unterlegene Team im eigenen Stadion gewesen zu sein. Und so startete der Branchenprimus aus Frankreich doch noch einmal eine Schlussoffensive. Mit einem Messi, der die Bälle plötzlich besser verteilte, mit einem Mendes, der nach der Coman-Auswechslung endlich offensive Akzente setzten konnte und mit einem Mbappe, der einfach nicht greifbar war. Plötzlich schwamm Bayern, plötzlich herrschte auf den Rängen eine Energie, die vorher nicht vernommen werden konnte. Die Entlastung wurde schwieriger, die Rettungsaktionen immer knapper, Sommer musste seine ganze Klasse zeigen.

Zweimal landete der Ball noch im Netz des Tores hinter dem Schweizer, zweimal war es Abseits. Einmal deutlich, einmal knapp. Und einmal musste Pavard noch zu einer Notgrätsche gegen Messi greifen, die einen PSG-Angriff kurz vor dem Strafraum stoppte. Die gelb-rote Karte nahm der Franzose in Kauf, der Freistoß brachte nichts ein, das Spiel wurde gewonnen. Diese Schlusphase war aber nicht gut, sie war eine Warnung. Und möglicherweise war sie genau das, was dem FC Bayern passieren musste, um sich perfekt auf das Rückspiel vorbereiten zu können. Denn Paris Saint-Germain wird sich nicht noch einmal leisten können, derart lethargisch aufzutreten. Und sie haben die “großen drei” Offensivkräfte von Beginn an dabei.

(Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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