Champions League | Benfica gegen Inter: Der nächste Coup für Roger Schmidt?

11. April 2023 | Vorschau | BY Manuel Behlert

Im Viertelfinale der UEFA Champions League spielen SL Benfica und Inter im direkten Duell gegeneinander. Das Hinspiel am Dienstagabend (21 Uhr, live bei DAZN) findet im Estadio da Luz in Lissabon statt. Der Gastgeber mit dem deutschen Trainer Roger Schmidt hofft dabei auf den nächsten Coup. 

Angst vor großen Namen haben die Gastgeber auf jeden Fall nicht, das zeigt die bisherige Saison in der Königsklasse eindrucksvoll. Die Gäste aus Mailand sind aber ein schwer zu bespielender Gegner, der seinerseits viel Erfahrung mitbringt und trotz einer Saison, die nicht brillant verläuft, mit einem guten Gefühl nach Portugal fährt.

Benfica und Schmidt: Gesucht und gefunden

Im Sommer 2022 wurde Roger Schmidt (56) zum Cheftrainer von Benfica ernannt. In der jüngeren Geschichte des Klubs war das eine der wichtigsten Entscheidungen. Wie wichtig, das zeigte sich erst kürzlich, als Benfica das Arbeitspapier mit dem Coach vorzeitig bis 2027 ausdehnte. Dem Ex-Trainer von Bayer 04 Leverkusen wurde immer nachgesagt, er sei sehr aufbrausend und verfolge seinen Stil zu radikal. Auf Teilbereiche der Schmidt-Karriere trifft das sicher zu, doch schon bei der PSV in Eindhoven hat ein Wandel stattgefunden. Der Trainer hat es gelernt, eine klare Linie vorzugeben, der Mannschaft Pressing und Umschalten als Kernelemente seiner Philosophie beizubringen und trotzdem variabel zu bleiben. 



Und so wurde aus einem ohnehin schon technisch guten Benfica ein Team, das genügend Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat, um auch gegen nominell überlegene Gegner nicht vom eigenen Stil abzuweichen. Die Belohnung war eine Gruppenphase mit Platz eins vor Paris Saint-Germain und Juventus. Im Achtelfinale war der Club Brügge keine große Hürde (2:0, 5:1), auch in der heimischen Liga läuft alles nach Plan. Die Portugiesen sind Tabellenführer, haben sieben Punkte Vorsprung und nur zwei Spiele verloren. Eines davon war allerdings die Generalprobe gegen Porto am Freitag. 

Die Balance Benficas als großer Vorteil

Und noch etwas fällt bei der Betrachtung von Benfica unter Schmidt auf: Die Balance. Die Mannschaft weiß, wann sie das Risiko erhöhen kann und wann es gefordert ist, das Spiel zu beruhigen, den Ball laufen zu lassen. So wurde PSG zweimal ein Remis abgetrotzt, so wurde Juventus zweimal bezwungen. 66 Tore gab es in der Liga bisher, in der Königsklasse traf Benfica immer. Die Ausgewogenheit im Kader ist ebenfalls hervorzuheben, Goncalo Ramos (21) ist ein hervorragender und talentierter Stürmer, der alleine in der Liga 17-fach knipste, zudem stehen erfahrene Führungsspieler wie Nicolas Otamendi (35), Joao Mario (30) oder Rafa (29) im Kader, die die jungen Akteure führen können. So wuchs schnell ein homogenes Team zusammen. 

Benfica-Trainer Roger Schmidt

(Photo by CARLOS COSTA/AFP via Getty Images)

Benfica erntet also die Früchte für viele gute Entscheidungen und die Akribie, die in der täglichen Arbeit steckt. Beim System wagt Schmidt indes keine großen Experimente, spielt mit einer Viererkette, davor gerne mal mit zwei zentralen Mittelfeldspielern und einer hängenden Spitze hinter einer klassischen „9“, aber auch mal im 4-2-3-1. Eine simple Grundordnung in Kombination mit taktischen Feinheiten im Nuancenbereich machen dieses Team so stark. Auch gegen Inter wird sich der Tabellenführer in Portugal nicht verstecken und wer weiß, vielleicht gelingt ja die nächste Überraschung.

Welches Gesicht zeigt Inter bei Benfica?

Simone Inzaghi (47) sah sich am Freitagabend nach dem Schlusspfiff beim Spiel der Nerazzurri in Salerno fragend um, weil er nicht wirklich begriff, wie sein Team dieses Spiel am Ende nur mit einem Remis beenden konnte. Inter war nicht drückend überlegen, sondern vergaß plötzlich, weiter nach vorne zu spielen und machte den Gegner stark. Genau das lässt sich in dieser Saison zu häufig über die Inzaghi-Elf sagen. Und genau das darf auswärts beim Spiel gegen Benfica nicht passieren. Der Druck ist vorhanden, denn durch die letzen Ergebnisse hat Inter einen Platz in den Top-4 der Serie A eingebüßt, muss sogar um die Champions League bangen. 

Alles rund um den Europapokal findet ihr hier 

Ein Titelgewinn in eben jenem Wettbewerb würde den Startplatz zwar sichern, aber bis dahin muss noch viel passieren. Es ließe sich sogar darüber diskutieren, ob Inter derzeit überhaupt der Favorit im Duell mit Benfica ist. Essenziell für die Chancen der Italiener wird sein, welches Gesicht sie zeigen. An guten Tagen kann jeder Gegner vor große Probleme gestellt werden. Die Dreierkette ist gut eingespielt, der Aufbau über Alessandro Bastoni funktioniert in guten Phasen reibungslos. Das Mittelfeld verfügt über eine Mischung aus Arbeitern und Technikern und selbst bei ruhenden Bällen hat diese Mannschaft Potenzial.

Inter benötigt die Spielkontrolle

Der Schlüssel zu einem guten Ergebnis für Inter ist die Kombination aus defensiver Aufmerksamkeit und Spielkontrolle im Mittelfeld. Hakan Calhanoglu (29) fehlt, daher werden aller Voraussicht nach Marcelo Brozovic (30), Nicolo Barella (26) und Henrikh Mkhitaryan (34) im Zentrum spielen. Diese drei sollten für eine gute Balance sorgen können, wenn sie miteinander harmonieren. Gelingt es den Gästen, im Zentrum die wichtigen Zweikämpfe für sich zu entscheiden, dann würde das den Italienern erlauben, das Tempo zu diktieren. 

Das wiederum würde bedeuten, dass das Spiel eher ruhiger verläuft, wodurch Benfica den eigenen Stärken beraubt würde. Für die Inzaghi-Elf wäre das von enormer Bedeutung, weil Inter nicht immer sattelfest wirkte, obwohl die Defensiv eigentlich über viel Qualität verfügt. Eine wichtige Rolle dürfte auch Edin Dzeko (35) spielen, der mit seiner Physis mithelfen soll, die Bälle festzumachen. Außerdem ist er ein wichtiger Zielspieler für Flanken und ruhende Bälle. Romelu Lukaku (29) und Joaquin Correa (28) als Alternativen auf der Bank sitzen zu haben, dürfte auch kein Nachteil sein. 

Mögliche Aufstellungen

SL Benfica: Vlachodimos – Bah, Antonio Silva, Otamendi, Grimaldo – Florentino, Chiquinho, Joao Mario, Aursnes, Neres – Ramos

Inter: Onana – Bastoni, Acerbi, de Vrij – Dumfries, Barella, Brozovic, Mkhiaryan, Gosens – Lautaro, Dzeko 

Prognose

Dass Benfica eine sehr gute Mannschaft hat und trotz des Rückschlags gegen Porto weiter in einer guten Verfassung ist, dürfte klar sein. Was die Hausherren leisten können, steht außer Frage. Benfica wird den Gegner fordern, ihn mal mit mehr Tempo anlaufen, mal machen lassen, um defensive Kontrolle zu erhalten. Inter benötigt die Kontrolle über das Mittelfeld, um sich bei den Portugiesen eine gute Ausgangslage zu erspielen. Treten die Schwankungen bei den Italienern in diesem Spiel wie im gesamten Saisonverlauf auf, dann wird Benfica sehr gute Chancen haben, das Hinspiel zu gewinnen. 

(Photo by CARLOS COSTA/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel