Champions League | PSG, Milan & Newcastle als Gegner: Überlebt der BVB die Todesgruppe F?

15. September 2023 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Am kommenden Dienstag startet die Champions League in die neue Saison. Ein besonderer Fokus gilt der Gruppe F. Dort hat es der BVB mit PSG, Milan und Newcastle zu tun und damit die denkbar schwersten Lose erwischt. Das gilt aber auch für die anderen Gruppenkontrahenten, Prognosen lassen sich daher nur schwer treffen. Wir blicken auf die Ausgangslage.

Champions League: Spielplan der Gruppe F

Spieltag 1

Milan – Newcastle (Di., 19.09., 18.45 Uhr)

PSG – BVB (Mi, 20.9., 21:00 Uhr)

Spieltag 2

Newcastle – PSG (Mi., 04.10., 21:00 Uhr)

BVB – Milan (Mi., 04.10., 21:00 Uhr)

Spieltag 3

PSG – Milan (Mi., 25.10., 21:00 Uhr)

Newcastle -BVB (Mi., 25.10., 21:00)

Spieltag 4

BVB – Newcastle (Di., 07.11., 18:45 Uhr)

Milan – PSG (Di., 07.11., 21:00 Uhr)

Spieltag 5

Milan – BVB (Di., 28.11., 21:00 Uhr)

PSG – Newcastle (Di, 28.11., 21:00 Uhr)

Spieltag 6

Newcastle – Milan (Mi., 13.12., 21:00 Uhr)

BVB – PSG (Mi., 13.12., 21:00 Uhr)

PSG: Ein Neustart ohne zwei Topstars

Lionel Messi: weg. Neymar: weg. Was auf den ersten Blick nach einem kaum kompensierbaren sportlichen Verlust aussieht, ist eine große Chance für PSG. Neymar war gerade in seinen letzten Monaten in Paris immer wieder ein Störenfried, machte eine intakte Teamchemie phasenweise zum Ding der Unmöglichkeit, und auch mit Messi harmonierte es nicht immer. Zudem streicht der französische Meister zwei Großverdiener von der Gehaltsliste und hat nun die Chance, den sportlichen Fluch oder Segen auf mehrere Schultern umzuverteilen.



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Auch von Kylian Mbappe, dessen Querelen zumindest ein vorübergehendes Ende gefunden zu haben scheinen, ist der französische Meister insofern nicht mehr so stark abhängig, als dass man das Angriffszentrum mit Gonçalo Ramos und Randal Kolo Muani gleich doppelt hochwertig verstärken konnte. Beide Stürmer bringen eine Ausbaute von jeweils über 20 Saisontreffern mit in die französische Hauptstadt und stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung.

Überhaupt hat sich PSG in praktisch allen Mannschaftsteilen sinnvoll verstärkt. Während für die Offensive zusätzlich noch Ousmane Dembele aus Barcelona kam und der Transfer von Marco Asensio damit kaum noch erwähnenswert ist, hat sich der französische Meister für sein Mittelfeld in Portugal bedient und Manuel Ugarte von Sporting verpflichtet. Der 22-Jährige verleiht der Mannschaft auf der Sechs Stabilität und Passsicherheit und stellt damit eine sinnvolle Ergänzung zur bereits bestehenden Mittelfeldzentrale um Vitinha und Younster Warren Zaire-Emery dar. In der zweiten Reihe sorgen Fabian Ruiz, Carlos Soler oder auch der vielseitig einsetzbare Neuzugang Kang-in Lee für die nötige Kadertiefe. Die gibt mittlerweile auch die Hintermannschaft her, wo Milan Skriniar und Lucas Hernandez ein Upgrade darstellen und damit auch den Abgang von Sergio Ramos egalisieren.

Ist Enrique der langersehnte Mr. Right?

Der vielleicht wichtigste Neuzugang steht derweil an der Seitenlinie: Nachdem sich Mauricio Pochettino und Christophe Galtier mehr oder minder als Fehlverpflichtung entpuppt hatten, hofft man bei PSG nun, in Luis Enrique endlich den richtigen Trainer gefunden zu haben. In jedem Fall scheint der ehemalige Coach von Barca und der spanischen Nationalmannschaft der geeignete Mann zu sein, um aus vielvorhandener individueller Klasse eine Einheit zu formen.

Luis Enrique (Champions League)

Soll PSG den ersten Champions-League-Titel der Vereinsgeschichte bringen: Luis Enrique. (Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)

Was Thomas Tuchel zeitweise geschafft zu haben schien, verpassten seine Nachfolger. Seither sind Kaderchemie und -hierarchie Dauerthemen in Paris. Die Abgänge von Messi und Neymar dürften diese Aufgabe für Enrique jedenfalls leichter gemacht haben. Dazu findet der 53-Jährige einen Kader vor, der den richtigen Mix aus Talent und individueller Klasse mitbringt, dazu auch in der Tiefe gut besetzt ist. Das Rezept ist geschrieben, jetzt liegt es an Enrique und der Wahl der passenden Zutaten. Dass zu Beginn der Ofen vorheizen muss, zeigte der etwas holprige Saisonstart mit zwei Remis gegen Lorient und Toulouse. Mit dem furiosen 4:1-Sieg in Lyon aber haben die Fans schon mal einen Vorgeschmack dessen geliefert bekommen, was am Ende auf dem Tisch stehen könnte. Klar ist: Auch in dieser Saison zählen die Pariser zum engeren Favoritenkreis um den Champions-League-Titel. Ein erneutes frühes Aus  – zuletzt scheiterte man zweimal in Folge im Achtelfinale – gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.

Echte Liebe und echte Baustellen beim BVB

Die bitter verlorene Meisterschaft war ein tiefer Einschnitt in die Gefühlswelten der Dortmunder. Und doch schaffte es der BVB schnell, aus der Tragödie Zuversicht zu schöpfen. Zuversicht, dass man mit dem FC Bayern mithalten kann. Zuversicht, dass man in Edin Terzic endlich einen Trainer gefunden hat, durch dessen Adern schwarz-gelbes Blut fließt. Doch so hoch die Identifikation mit dem Beinahe-Meistercoach sein mag, von Kritik bleibt auch er nicht verschont. Insbesondere taktische Unzulänglichkeiten werden ihm immer wieder angekreidet. Die Siegesserie zu Beginn der Rückrunde und der Schlussspurt, in dem beim BVB vieles über das Momentum ging, kaschierten die Probleme, die nun zum Start in die neue Saison offensichtlicher denn je wurden: Dortmund findet kaum spielerische Lösungen gegen tief stehende Gegner.

Diese Baustelle allein Terzic zuzuschreiben, wäre aber zu einfach gedacht. Auf dem Transfermarkt hat es der BVB erneut verpasst, einen Spieler für das Mittelfeldzentrum zu holen, der das Spiel organisieren und seine Vorderleute mit klugen Pässen in die Zwischenräume bedienen kann. Dass mit Jude Bellingham der absolute Unterschiedsspieler Dortmund verlassen hat, macht die Sache natürlich nicht besser. Immerhin: Die Neuzugänge Felix Nmecha und Marcel Sabitzer sollten den Abgang des Youngsters im Spiel gegen den Ball einigermaßen auffangen können. Julian Brandt bringt ein kreatives Element mit und kann seine Mitspieler aus dem Zentrum heraus in Szene setzen. Damit ist er aber der einzige in einem Mittelfeld, das viel körperliche Präsenz, aber als Einheit doch große technische Defizite hat.

Kobel und der Angriff als Trumpf?

In den anderen Mannschaftsteilen ist der BVB gut bestückt, wobei insbesondere in der Abwehr die Personaldecke dünn ist. Fällt auch nur einer von Niklas Süle, Mats Hummels und Nico Schlotterbeck aus, droht ein Qualitätsdefizit. Während auf der Linksverteidiger-Position Neuzugang Ramy Bensebaini den abgewanderten Raphael Guerreito beerbt, fehlt es auf der anderen Seite an Qualität: Marius Wolf und Thomas Meunier bringen höchstens gehobenes Bundesliga-Niveau mit.

Prunkstück ist beim BVB die Angriffsreihe. Hier verfügt Terzic mit Karim Adeyemi und Donyell Malen über Tempo und Qualitäten im Eins-gegen-Eins, mit Sébastien Haller und Neuzugang Niclas Füllkrug über Physis und Treffsicherheit. Der vielleicht wichtigste Mann bei den Schwarzgelben steht aber zwischen den Pfosten: Torhüter Gregor Kobel ist einer der Besten seines Faches und hat dem BVB in der jüngeren Vergangenheit schon den ein oder anderen Punkt gerettet. In der Champions League könnte es bereits in der Gruppenphase mehr denn je auf ihn ankommen.

AC Milan: Frische Millionen für die Renaissance

In der vergangenen Saison erreichte die AC Milan das Halbfinale der Champions League. So überraschend der Sprung unter die besten Vier daherkam, so sinnbildlich stand er auch für die Wiederauferstehung der Rossoneri in den vergangenen Jahren. In Mailand hat man die Dekade der Tristesse hinter sich gelassen und konnte vorsichtig wieder an gute alte Zeiten anknüpfen. Der Halbfinaleinug in der vergangenen Saison hat also auch ein Stück weit Symbolcharakter.

Die AC Milan will auch 2023/24 wieder in der Champions League jubeln.

Die Rossoneri wollen auch 2023/24 wieder in der Champions League jubeln. (Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Nun ist im Sommer einiges passiert in Mailand. Nicht nur wurde der beliebte Sportdirektor und Klublegende Paulo Maldini etwas unvermittelt entlassen, kurze Zeit später verkaufte man Schlüsselspieler Sandro Tonali für 75 Millionen Euro nach Newcastle. Die Beziehung zwischen Klubbesitzer Gerry Cardinale und den Fans wurde gleich mehrfach auf eine harte Probe gestellt. Die Stimmung zwischendurch: kritisch, ja fast schon toxisch. Doch Cardinale öffnete seine Geldbörse und schloss damit zumindest mit Teilen der Milan-Anhänger wieder Frieden.

Über 100 Millionen Euro hat die AC im Sommer für Transfers ausgegeben. Im Zuge des Tonali-Abgangs musste natürlich vor allem im Mittelfeldzentrum Verstärkung her. Hier hat der italienische Meister von 2022 mit dem kreativen Tijjani Rijnders und dem dynamischen Ruben Loftus-Cheek zwei Spieler geholt, die sich hervorragend mit dem defensivstarken Rade Krunic ergänzen und schon in den ersten Spielen unter Beweis gestellt haben, dass sie ihre Ablöse von 19 beziehungsweise 15 Millionen Euro wert sind.

Guter Mix aus Erfahrung und Talent

Die ohnehin schon gut funktionierende Offensive um Topstar Rafael Leao und den trotz fortgeschrittenen Fußballeralters noch immer wichtigen Olivier Giroud wurde mit Christian Pulisic ergänzt, der in den ersten drei Ligaspielen gleich zwei Treffer beisteuern konnte. Dazu kam mit Samuel Chukwueze ein hochveranlagter Flügelspieler, der in Villarreal sein Können bereits unter Beweis stellte. 

Auch die Hintermannschaft hat mit Malick Thiaw, Fikayo Tomari, Pierre Kalulu und Simon Kjaer einen guten Mix aus internationaler Erfahrung und jungen, entwicklungsfähigen Spielern. Die Außenverteidiger ergänzen sich in ihren Rollen und sorgen so für eine gute Balance: Während sich Theo Hernandez häufig in Angriffe mit einschaltet, hält Kapitän Davide Calabria gerne auch mal seine Position und sorgt für die defensive Absicherung. Zwischen den Pfosten steht mit Mike Maignan ein Torhüter von gehobener internationaler Klasse, der in Neuzugang Marco Sportiello jetzt auch einen soliden Backup hinter sich hat.

Während das intakte Defensivkonstrukt gehalten werden konnte, haben die Verantwortlichen der AC Milan durch gezielte Transfers insbesondere in der Offensive die ein oder andere Baustelle schließen können und den Kader in der Spitze wie in der Breite verbessert. An Trainer Stefano Pioli, der großen Wert auf das Spiel gegen den Ball legt und seinen Spielern viel taktische Disziplin abverlangt, hat man trotz zwischenzeitlicher Krisen und einer drohenden Stagnation auch in der vergangenen Saison festgehalten. Der 57-Jährige zahlte das Vertrauen mit dem Halbfinaleinzug in der Champions League und saisonüberreifen mittlerweile sechs Ligasiegen am Stück zurück. Trotz des schmerzhaften Abgangs von Tonali, dessen strategischen Qualitäten zweifelsohne vermisst werden, ist 2023/24 auch in der Champions League wieder mit Milan zu rechnen.

Newcastle United: Aus viel mach viel

Des einen Leid ist des anderen Freud – dieses Sprichwort trifft es in Gruppe F der Champions League gut, denn Tonali hat die AC Milan – wie es der Zufall später so wollte – Richtung Gruppengegner Newcastle verlassen. Dort verleiht er dem Mittelfeldzentrum mehr Stabilität und Passsicherheit, ergänzt sich zudem gut mit seinen offensiver denkenden brasilianischen Nebenmännern Joelinton und Bruno Guimaraes. Damit ist das Mittelfeld mittlerweile das Prunkstück von Newcastle United, das sich erstmals seit 2002 für die Champions League qualifiziert hat.

Dem saudischen Geld sei Dank – aber auch einer hervorragenden Arbeit auf und neben dem Platz. Ende 2021 installierte Newcastle mit Eddie Howe einen Trainer, der binnen eines Jahres aus einem Dauerabstiegskandidaten eine der besten und taktisch diszipliniertesten Mannschaften Englands formte. Zudem reinvestierte der Klub aus dem Nordosten Englands die freigesetzten finanziellen Mittel auch gezielt in den Kader. Zu den Spielern, die unter saudischer Flagge an die Tyneside gelotst wurden, gehören neben Guimaraes unter anderem auch die Verteidiger Kieran Trippier und Sven Botman, die im Verbund mit Torhüter Nick Pope dafür sorgten, dass die Magpies in der vergangenen Premier-League-Saison zusammen mit Meister ManCity die wenigsten Gegentreffer kassierten, nämlich nur 33 an der Zahl. Mit Valentino Livramento kam im August ein talentierter Rechtsverteidiger aus Southampton dazu, der Trippier herausfordern soll.

Feiert sein Champions-League-Debüt als Trainer: Eddie Howe

Feiert sein Champions-League-Debüt als Trainer: Eddie Howe. (Photo by LINDSEY PARNABY/AFP via Getty Images)

Können die Magpies auch Champions League?

Vorne macht Mittelstürmer Alexander Isak die Tore, während auch Miguel Almiron über seinen rechten Flügel immer wieder den direkten Weg in den Strafraum sucht und so in der vergangenen Premier-League-Saison elf Treffer beisteuern konnte. Auch sein Pendant Anthony Gordon bringt seine Stärken immer besser zur Geltung. Gute Nachricht zudem für die Magpies: Die Mannschaft ist über den Sommer zusammengeblieben, einzig der Abgang von Allan Saint-Maximin dürfte zumindest den Fans wehgetan haben. Den Kaderplatz des Offensivmanns übernimmt Neuzugang Harvey Barnes.

Howe hat ein funktionierendes Konstrukt erschaffen, in dem die Rädchen mittlerweile nahezu perfekt ineinandergreifen. Sein Erfolgsrezept: Ein intensives Angriffspressing und Fokus auf Umschaltmomente. Damit ist Newcastle gerade auch für größere Gegner extrem schwer zu bespielen – in der Champions League kann das ein Trumpf sein. Was den Magpies jedoch fehlt, ist die Turnier-Erfahrung im Kader. Viele Spieler betreten erstmals in ihrer Karriere die internationale Bühne, entsprechend gilt es auch im Hinblick auf die zusätzliche Belastung abzuwarten, wie die Mannschaft das wegsteckt.

Prognose zur Gruppe F in der Champions League

PSG ist zweifelsohne der Gruppenfavorit. Auch wenn bei den Franzosen noch nicht alles rund läuft, stellt allein ihre individuelle Klasse die Konkurrenz in den Schatten. Dahinter wird es sehr spannend. Newcastle und Milan verfügen über individuelle Klasse und auch der BVB hat durchaus Spieler mit Namen in den eigenen Reihen. Allerdings fällt den Dortmundern der Bellingham-Abgang stark ins Gewicht. Zudem wirkt die Spielanlage Terzics nicht so gefestigt wie die eines Pioli oder Howe. Das sind aber lediglich Tendenzen in einer Gruppe, in der alles passieren kann und somit auch keine Tabellenkonstellation überraschen dürfte.

Text von Michael Bojkov

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 im Team. Hat unter anderem das Champions-League-Finale 2024 und die darauffolgende Europameisterschaft vor Ort für 90PLUS begleitet.


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