Champions League | Himmelblaues Gesamtkunstwerk und enttäuschende Eliten – Tops und Flops der Saison 2022/23

13. Juni 2023 | Trending | BY Michael Bojkov

Spotlight | Die Champions-League-Saison 2022/23 steht in den Büchern. Für uns die Gelegenheit, nochmal auf Höhepunkte, aber auch Enttäuschungen zurückzublicken. Unsere Tops und Flops.

Champions League 2022/23 – Die Tops

ManCitys lang ersehnter Triumph

Manchester City darf sich erstmals in der Vereinshistorie Champions-League-Sieger nennen. Betrachtet man die rein sportliche Komponente, ist dieser Titel mehr als verdient. Keine einzige Niederlage mussten die Skyblues in der Königsklasse hinnehmen. Die Gruppe überstand man problemlos und auch in der K.O.-Phase wurde man nur bedingt vor Herausforderungen gestellt. Beeindruckend ist vor allem die Art und Weise, wie sich City von Runde zu Runde bis ins Finale rang. Erst deklassierte man Leipzig im Achtelfinal-Rückspiel, ehe im späteren Turnierverlauf mit Bayern und Real Madrid zwei Größen des europäischen Fußballs deutlich geschlagen wurden.

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Auf dem Platz griff jedes Rädchen perfekt ins nächste. Ob ein Rodri mit Ruhe am Ball und Übersicht, Kevin De Bruyne mit seiner Eleganz, Naturgewalt und Rekordbrecher Erling Haaland oder auch ein John Stones, der seine neue Rolle als Innenverteidiger-/Sechser-Hybrid in Windeseile annahm und nahezu in Perfektion ausübte – jeder brillierte auf seine eigene Art und Weise. Auch Pep Guardiola, der diesmal nicht Opfer seines eigenen Perfektionismus wurde, sondern – ganz im Gegenteil – lernte, Dinge auch pragmatisch und erfolgsorientierter anzugehen.

So spielte City nicht in allen Spielen über 90 Minuten lang die Sterne vom Himmel, kontrollierte den Gegner dafür aber auch ohne Ball. Sie alle wussten zu jedem Zeitpunkt genau, was sie taten und tun mussten. Der lang ersehnte Pott ist folgerichtig und der verdiente Lohn für herausragende Arbeit auf und neben dem Platz.

Mailänder Halbfinale mit Symbolcharakter 

Vorweg: Dass sich in dieser Champions-League-Saison die AC Milan und Inter im Halbfinale gegenüberstanden, war auch durch Losglück bedingt. Und doch hat es einen gewissen Symbolcharakter, dass sich die Mailänder Stadtrivalen in der Königsklasse unter den besten Vier wähnen durften. Es ist das Zeugnis einer Wiederauferstehung zweier italienischer Fußballmächte.

Drei große Titel durfte Inter auf europäischer Ebene feiern (Champions League und Europapokal der Landesmeister zusammengerechnet), bei der AC sind es gar deren sieben. Mit Beginn der 2010er-Jahre endete nicht nur die Mailänder Vorherrschaft auf italienischem Boden, auch in Europa verloren beide Klubs an Prestige. Zwischen 2014 und 2018 war keine Mannschaft aus Mailand in der Champions League vertreten.

Doch ein Hauch von guten alten Zeiten kam zurück. Ein erster handfester Beweis für die Renaissance der Mailänder Riesen waren die nationalen Meistertitel in den vergangenen beiden Jahren. In der abgelaufenen Saison schafften es die AC und Inter mit dem Halbfinal-Einzug, sich auch auf internationaler Bühne den Respekt zurückzuholen. In Zeiten, in denen schwerreiche Scheichklubs die Champions League gewinnen, dürfte das für Fußball-Traditionalisten durchaus als positives Merkmal aus der Saison hervorgehen.

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(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Mission (im)possible: Benfica & Brügge

Zu Beginn der abgelaufenen Champions-League-Saison standen der FC Brügge und Benfica vor einer Mammutaufgabe. Beide hatten schwere Gruppengegner erwischt, ein winterliches Überleben in der Königsklasse schien fast unmöglich. Doch beide Vereine haben die K.o.-Phase erreicht und damit Zweifler Lügen gestraft.

Benfica musste es in der Gruppe mit PSG und Juventus aufnehmen und blieb gegen beide Topklubs ungeschlagen. Gegen die Italiener gab es sogar zwei Siege. Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen war am letzten Spieltag ein 6:1-Sieg gegen Maccabi Haifa, der die Mannschaft von Roger Schmidt an PSG vorbei zum Gruppensieg führte. Im Achtelfinale zeigten die Adler dem anderen Überflieger aus Brügge die Grenzen auf (2:0, 5:1). Schluss war erst im Viertelfinale gegen Inter (0:2, 3:3).

Nicht minder beeindruckend waren die Leistungen des FC Brügge – bis zum Achtelfinale. Doch dass die Belgier da überhaupt hinkamen, muss ihnen schon hoch angerechnet werden. In der Gruppe hielten sie den individuell eigentlich überlegenen Teams aus Leverkusen, Porto und auch Atletico stand. Die Gegner bissen sich an Brügge förmlich die Zähne aus. In sechs Spielen stand gleich fünfmal die Null, darunter ein 2:0-Sieg gegen Atleti. Der belgische Meister von 2022 wurde unverhofft zu einer Bereicherung für die Champions League.

Viel Drama hier …

Zu unseren Highlights der Champions-League-Saison 2022/23 gehört auch Gruppe D. Nicht etwa, weil Frankfurt, Tottenham, Marseille oder der Sporting CP Bäume ausgerissen hätten. Viel mehr sorgte die Tabellenkonstellation für die Spannung, die sich alle Fußballfans bis zum Schluss erhoffen. Vor dem letzten Spieltag standen sämtliche Entscheidungen noch aus. Die Eintracht konnte sich mit einem Sieg das Achtelfinal-Ticket sichern, drohte bei Niederlage und unglücklichem Ergebnis im Parallelspiel gleichzeitig aber als Tabellenvierter aus dem internationalen Geschäft auszuscheiden.

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(Photo by Gualter Fatia/Getty Images)

Am Ende wurde es Tabellenplatz zwei und das Achtelfinale. Dafür musste eine dramatische zweite Halbzeit herhalten, in der die SGE einem Rückstand hinterherrannte, das Spiel in Lissabon jedoch drehte. Um ein Haar wären die Adler sogar Gruppensieger geworden, doch ein Last-Minute-Siegtreffer der Spurs in Marseille verhinderte das. Kurz zuvor wären im Übrigen die Franzosen beinahe in Führung gegangen – und hätten so Tottenham raus- und sich selbst ins Achtelfinale gekegelt. Am Ende war das finale Drama in Gruppe D vor allem eines: Ein großer Gewinn für jeden, der diesen Sport liebt.

Champions League 2022/23 – Die Flops

… wenig Drama dort

Die Frankfurter Gruppe sorgte in Sachen Dramaturgie tatsächlich für den Höhepunkt der abgelaufenen Champions-League-Saison, denn die K.o.-Phase erzählte keine spannenden Krimis. Die „großen“ Partien waren allesamt spätestens im Verlauf des Rückspiels entschieden. Bayern schlug PSG 3:0 in der Gesamtwertung, ehe sie im Viertelfinale gegen City deutlich den kürzeren zogen (1:4). Daraufhin deklassierten die Citizens im Halbfinale Real Madrid (5:1), das seines Zeichens zuvor Liverpool (6:2) und Chelsea (4:0) keine Chance ließ.

Großes sportliches Drama brachte auch das Mailänder Derby im Halbfinale nicht (3:0 Inter). Knappe Paarungen gab es in der K.o.-Phase zwar durchaus, insgesamt hielt sich die Spannung aber in Grenzen. Ein statistischer Beleg dafür ist auch, dass für keine einzige Entscheidung eine Verlängerung herhalten musste. 2021/22 noch sah das ganz anders aus, als der spätere Sieger Real Madrid gleich zweimal auf dramatische Weise 120 Minuten für sich entschied.

Barca muss erneut mit der Europa League vorliebnehmen

Reals großer Rivale, der FC Barcelona, hat eine Champions-League-Saison hinter sich, die höchstens als Randnotiz in den Vereinsannalen Erwähnung finden wird. Wie schon in der Spielzeit zuvor mussten sich die Katalanen bereits im Winter verabschieden. Zugegeben: mit Inter und dem FC Bayern hatte man eine harte Gruppe erwischt. Dennoch hatte man sich deutlich mehr erwartet. Die Gründe, warum es am Ende wieder Platz drei und die Europa League wurde, sind verschieden.

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(Photo by Eric Alonso/Getty Images)

Gegen Bayern hatte man im Hinspiel (0:2) Pech mit einer Schiedsrichterentscheidung und vergab obendrein mehrere gute Tormöglichkeiten. Ineffizient war man auch im Rückspiel gegen Inter (3:3) und darüber hinaus patzte man doppelt in der Abwehr, was zur Folge hatte, dass gegen die Nerazzurri kein Sieg drin war. Das Hinspiel im San Siro hatte man 0:1 verloren, es trotz über 70 Prozent Ballbesitz nicht geschafft, sich aussichtsreiche Torchancen zu erspielen. Über Barcas Saison in der Champions League lässt sich konstatieren, dass deutlich mehr drin gewesen wäre. Denn die individuelle Klasse hat die Mannschaft von Xavi allemal.

Atletico: Als Gruppenfavorit aus Europa gekegelt

Unzufrieden sind auch die Fans von Atletico. Gegen Porto, Leverkusen und Brügge ist man eigentlich als klarer Favorit ins Rennen gegangen, doch die Colchoneros enttäuschten auf ganzer Ebene. Nur einen einzigen Dreier konnte man einfahren, und schon der kam am 1. Spieltag glücklich zustande (2:1 gegen Porto). Aus den fünf weiteren Gruppenspielen konnte man nur noch zwei Punkte mitnehmen. Vor allem in der Offensive hatte die Mannschaft von Diego Simeone mit Ladehemmungen zu kämpfen. Das Spiel nach vorne gestaltete sich zäh und ideenlos, die Gegner hatten selten große Schwierigkeiten, die Angriffsbemühungen der Spanier zu unterbinden. So erzielten die Rojiblancos insgesamt auch nur fünf Treffer.

Die Konsequenz: Platz vier in einer Gruppe, die sie qua eigenen Ansprüchen eigentlich hätten gewinnen müssen. Ohnehin war es eine sehr enttäuschende Champions-League-Saison aus spanischer Sicht. Neben Barca und Atleti war auch für den FC Sevilla nach der Gruppenphase Schluss. Immerhin: Real Madrid schaffte es bis ins Halbfinale, scheiterte dort im Rückspiel aber krachend am späteren Sieger.



Juventus: Raus aus der Elite

Die größte Enttäuschung in der Champions League war – und da werden sich wohl die allermeisten einig sein – Juventus. Fünf von sechs Spielen gingen in der Gruppenphase verloren. Neben je zwei Niederlagen gegen PSG und Benfica unterlagen die Bianconeri sogar dem krassen Underdog Maccabi Haifa (0:2). Am Ende rettete die gegenüber den Israeli bessere Tordifferenz den Italienern immerhin noch die Weiterfahrt in der Europa League.

An der Tatsache, dass die Mannschaft von Massimiliano Allegri auf dem Platz vieles vermissen ließ, ändert das aber nichts. Vor allem die Defensive – sonst ausgemachte Stärke der Turiner – verkam zur Problemzone. In keinem Spiel behielt man die Weiße Weste, kassierte in sechs Spielen 13 Tore. Spätestens mit der abgelaufenen Spielzeit hat sich Juventus aus dem Konzert der Großen verabschiedet. Nächste Saison steht ein Neustart in der Conference League an, wenn man ihn überhaupt als solchen betiteln kann. Denn nach dem Steuerskandal sind die Baustellen in den Geschäftsräumen noch weitaus größer als auf dem Platz. Die richtigen Probleme, sie könnten gerade erst begonnen haben.

Michael Bojkov

(Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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