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„Kai Havertz scores again“: Wie der Nationalspieler zur Schlüsselfigur bei Arsenal wurde

9. April 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Geht ein prominenter Transfer im Weltfußball über die Bühne, dann wimmelt es sogleich von Einschätzungen rund um den Deal. Der erste Impuls will erklärt, der Wechsel analysiert werden. Im Fall von Kai Havertz hatten viele Fans und Experten im Sommer 2023 den gleichen Impuls: Sie waren skeptisch, hatten Zweifel an den mehr als 70 Millionen Euro, die der FC Arsenal an den FC Chelsea überwies. Und sie machten einen großen Fehler, sie stempelten den Nationalspieler früh als Flop oder Fehleinkauf ab. 

19 Tore erzielte Havertz beim FC Chelsea in drei Jahren Premier League. Seine Zeit bei den Blues war nicht schlecht, aber auch nicht überragend, kaschiert wurde vieles von dem einen Tor, das für den Titel in der Champions League gegen Pep Guardiolas Manchester City entscheidend war. In den sozialen Medien waren die Chelsea-Fans sogar froh, eine solch hohe Summe für den Offensivspieler einstreichen zu können. Man bekam das Gefühl, dass Arsenal über den Tisch gezogen wurde.

Havertz mit Anpassungsproblemen bei Arsenal

Die Vorbereitung sowie die ersten Wochen der Saison 2023/24 waren wie Wasser auf die Mühlen der Kritiker. All jene, die den Havertz-Deal mit Skepsis beobachteten, fühlten sich bestätigt. Der Nationalspieler lief phasenweise wie ein Fremdkörper durch das offensive Mittelfeld von Arsenal. Pässe waren nicht ideal temperiert, Ballannahmen versprangen, er stand seinen Mitspielern phasenweise mehr im Weg als ihnen Räume zu öffnen. Torbeteiligungen fehlten, dafür wurden Großchancen leichtfertig vergeben, weil Havertz mitunter zu langsam war, ob im Kopf oder auf den Beinen. 



Sein Trainer, Mikel Arteta, warb um Geduld und Verständnis. Zwar wechselte Havertz nicht in ein neues Land, aber dennoch in ein neues Umfeld. Ein anderer Spielstil war angesagt, ein anderes System wurde gespielt, andere Anweisungen mussten umgesetzt werden. Und irgendwie war auch die Idee Artetas hinsichtlich der Integration des Neuzugangs logisch und nachvollziehbar. Was fehlte, war der „Aha-Moment“, der eine Schritt in die richtige Richtung, der dafür sorgt, dass langsam aber sicher immer mehr Rädchen ineinandergreifen können. Die Konsequenz: Der 24-Jährige rutschte zunehmend mehr aus der Startelf, musste sich über Jokereinsätze empfehlen, was ihm aber nur selten gelang.

Artetas Geduld zahlt sich aus

Es war nicht das erste Tor im Dress der Gunners im Spiel gegen Bournemouth, das für die Wende sorgte. Auch noch nicht die Partie gegen Manchester City, als Havertz nach seiner Einwechslung mit einer klugen Ablage den Siegtreffer auflegte. Nein, es war das zähe Spiel auswärts beim FC Brentford. Havertz wurde eingewechselt, vor allem aufgrund seiner Präsenz im gegnerischen Strafraum und seiner Körpergröße. In der 89. Minute erzielte er nach Saka-Flanke das 1:0, den Siegtreffer. Nicht voller Überzeugung, aber der Ball überquerte eben die Linie. Und das markierte den Wendepunkt. Einer wusste das: Sein Trainer. Denn er lief demonstrativ zu seinem Siegtorschützen, zeigte vor der Fankurve auf ihn und teilte den Fans damit mit: „Leute, glaubt mir. Das wird schon noch!“

Havertz Arsenal

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)

Es war nun nicht so, dass die Dinge plötzlich wie von alleine liefen. Havertz pendelte weiterhin zwischen der Ersatzbank und der Startelf hin und her, brachte sich aber immer besser in das Spiel ein. Ein großer Vorteil für ihn: Es ging nur um das Inhaltliche. Die physischen Voraussetzungen kannte er aus drei Jahren Chelsea, er wusste genau, was er von sich aus einbringen muss, um nicht von den Gegnern „aufgefressen“ zu werden. Der Wert des Offensivspielers für das gesamte Arsenal-Spiel nahm zu, weil Havertz Arteta verstand und umgekehrt die Mannschaft und der Trainer den Spieler verstanden. Und siehe da, die unglücklichen Momente wurden weniger und weniger.

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Laufwege, Tore, Pressing: So wurde Havertz zur Schlüsselfigur

Mittlerweile, noch einmal einige Monate später, ist Kai Havertz endgültig bei den Gunners angekommen. Er spielt wie zu seinen besten Zeiten. Nicht mehr verbissen, sondern entschlossen. Und ja, da gibt es einen Unterschied. Im Kalenderjahr 2024 ist nicht nur Arsenal per sé noch einmal zielstrebiger und reifer geworden, auch für den Nationalspieler gilt das. Seit einigen Wochen spielt er bedeutend häufiger auf der „9“ als tiefer hängend im offensiven Mittelfeld, auch das kommt ihm entgegen. Die Bilanz in der Liga: Fünf Tore und vier Vorlagen in den letzten sieben Spielen. Dazu ein sehr laufintensives Spiel mit vielen Pressingakzenten gegen Manchester City.

Der 24-Jährige wird immer wieder von seinen Mitspielern gesucht, kann den Ball mit dem Rücken zum Tor behaupten, nimmt aktiv am Kombinationsspiel teil. Seine Statistiken werden besser und besser, die Passquote liegt mittlerweile klar bei mehr als 80 %, er spielt für einen Stürmer viele raumgewinnende Bälle, weil er sich auch mal zurückfallen lässt. Seine Laufwege bringen ihn in gute Positionen, er hat ein Gespür dafür, beim Gegner Chaos in der Deckung heraufzubeschwören. Zudem ist sich Havertz nicht zu schade, Wege zu gehen, die ihm selbst nichts nutzen, weil er nie an den Ball kommen kann. Aber auch das gehört zum Spiel eines Allroundtalentes im Angriff dazu.

Havertz

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)

Kurzum: Der Sommerneuzugang vereint Kreativität, die von Arteta geforderte Technik und ein erhebliches räumliches Verständnis, paart dies seit einigen Monaten auch noch mit einer guten Form. Weil er selbst nicht ungeduldig wurde und sein Trainer nicht nur eine Vision mit ihm hatte, sondern auch die Werkzeugkiste, um diese in die Tat umzusetzen. Was lernen wir daraus? Manchmal ist es eben doch nicht sinnvoll, einen Transfer schon am Tag der Pressemitteilung zu beurteilen, auch wenn vieles für den eigenen Impuls spricht.

Achja: Zur englischen Fußball- und Fankultur gehört es, dass einige Spieler ihren eigenen Fangesang haben. Auch auf Kai Havertz trifft das zu. Zur Melodie von „Waka Waka“, einem Shakira-Song, heißt es: „..60 million (in dem Fall Pfund) down the drain, Kai Havertz scores again.“ Den Gesang gab es schon früh in der Saison, mittlerweile ist er ein Klassiker. Weil der 24-Jährige regelmäßig trifft und zu einem Publikumsliebling avancierte. Wenn es am Dienstagabend im Emirates Stadium ein typisches Arsenal-Spiel wird, dann dürfte dieser Song auch wieder durch das Stadion schallen.

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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