Über Celtic ins DFB-Team? Ex-Leipzig-Talent Kühn startet durch
5. November 2024 | Spotlight | BY Till Gabriel
Einst galt Nicolas Kühn als eines der hoffnungsvollsten Talente des deutschen Fußballs. Über Umwege ist der mittlerweile 24-Jährige in der Champions League angekommen – und will noch höher hinaus.
Ajax zahlte einst 2 Millionen für Kühn
Kevin-Prince Boateng, Antonio Rüdiger, Kai Havertz, Florian Wirtz – die Liste der Gewinner der U19-Fritz-Walter-Medaille in Gold ist mit großen Namen gespickt. Ein Jahr nach Nationalstürmer Havertz wurde Nicolas Kühn ausgezeichnet. Über Umwege schickt sich der mittlerweile 24-Jährige an, seinem großen Potenzial doch noch gerecht zu werden. Heute trifft er mit Celtic in der Champions League auf seinen Jugendklub RB Leipzig (21 Uhr, DAZN).
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Schon früh zeichnete sich ab, dass Kühn, 2000 in Wunstorf geboren, zu den größten Talenten seines Jahrgangs gehört. Mit neun Jahren wechselte er aus seinem Heimatort zum FC St. Pauli, ehe es ihn zwei Saisons später, im Alter von elf Jahren, bereits ins Nachwuchsleistungszentrum von Hannover 96 zog. Schon mit 15 kam er zu Einsätzen in der B-Jugend-Bundesliga und sammelte erste Erfahrungen mit dem Adler auf der Brust. Im Sommer 2015 sollte der nächste Schritt folgen. In stundenlangen Gesprächen überzeugte ihn Ralf Rangnick persönlich von einem Wechsel in die Jugend von RB Leipzig.
In der U17 der Sachsen trainierte Kühn unter einem gewissen Sebastian Hoeneß und wurde mit 18 Toren in 22 Spielen auf Anhieb zum Leistungsträger. Die Zeit beim aufstrebenden Neu-Bundesligisten habe ihn geprägt, erklärte Kühn gegenüber transfermarkt: „Das erste Mal von Zuhause weg zu sein und das mit 15 Jahren. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt und bin dankbar für die Erfahrungen.“
Bis Januar 2018 lief der Stürmer für RB auf, dann wagte er einen für deutsche Talente ungewöhnlichen Schritt. Mitten in seiner ersten A-Jugend-Spielzeit wechselte Kühn zu Ajax. Der niederländische Traditionsverein ließ sich die Dienste des 17-Jährigen zwei Millionen Euro kosten. Eine stolze Summe für einen Teenager, der noch keine Minute für eine Profimannschaft aufgelaufen war.
Achterbahnfahrt bei den Bayern-Amateuren
In Amsterdam lief der Deutsche für die zweite Mannschaft auf und unterstützte die U19 in der Youth League. Fünfmal kam der Linksfuß während des ersten halben Jahres in der zweiten niederländischen Liga zum Einsatz und gewann mit Jong Ajax gleich den Titel. Da Zweitvertretungen jedoch nicht in der Eredivisie antreten dürfen, lief Kühn auch in den darauffolgenden Saison in der Keuken Kampioen Divisie auf und wurde zur Stammkraft.
Insgesamt stand er für Jong Ajax 43-mal auf dem Platz und erzielte fünf Tore. Der große Durchbruch – und damit auch der Sprung in die erste Mannschaft des niederländischen Rekordmeisters – blieb jedoch aus. „Dort konnte ich prägende Erfahrungen sammeln, von denen ich im Nachhinein aber auf einige hätte verzichten können“, ordnete er seine Zeit im Nachbarland im Gespräch mit transfermarkt ein.
Doch der Junioren-Nationalspieler wurde in Fachkreisen weiterhin hoch gehandelt und kehrte 2020 nach Deutschland zurück. Bei der zweiten Mannschaft des FC Bayern traf er auf seinen einstigen Förderer Sebastian Hoeneß. Zwar kam Kühn meist nur als Joker zum Zug, steuerte jedoch zwei Tore und einen Assist zum Drittligatitel bei. Auch hier galt: Als zweite Mannschaft ist ein Aufstieg nicht möglich.
Die darauffolgende Saison wurde für den FCB-Nachwuchs zur Zerreißprobe. Nach dem überraschenden Titel verließen Leistungsträger wie Kwasi Wriedt und Derrick Köhn die Mannschaft, auch Trainer Hoeneß wagte den Schritt in die Bundesliga zur TSG Hoffenheim. Bayern II wurde 18. und stieg als Titelverteidiger ab. Kühn zählte dabei zunächst zum Stammpersonal, ehe ihn eine Wadenverletzung ausbremste. Auch beim Rekordmeister blieb der erhoffte Schritt in die Profimannschaft aus.
Sprungbrett Rapid, Durchbruch unter Brendan Rodgers
Dennoch gelang ihm ein persönlicher Aufstieg, die Spielzeit 2021/2022 verbrachte er auf Leihbasis bei Zweitligist Erzgebirge Aue. Ein Kapitel, das er gegenüber dem kicker als „echten Schnitt“ bezeichnete: „Es ging mir nie um Geld oder Bekanntheit. Da habe ich bewusst auf viel verzichtet, wollte vielleicht auch weg von diesen großen Namen.“ Auch mit den Veilchen stieg Kühn ab, empfahl sich aber für einen Transfer zum österreichischen Hauptstadtverein SK Rapid. Mit nunmehr 22 Jahren drohte der einstige Vorzeige-Youngster seines Jahrgangs zum „ewigen Talent“ zu werden.
Nach eineinhalb Jahren, 51 Pflichtspielen und sieben Tore endete auch das Kapitel Österreich für den vielseitigen Angreifer, der trotz Rückschlägen positiv auf seine Zeit in der Alpenrepublik zurückblickte: „Leider sind die großen sportlichen Erfolge für meine Mannschaftskollegen und mich in den eineinhalb Jahren ausgeblieben, trotzdem durfte ich beim SK Rapid eine schöne und wertvolle Zeit erleben.“ (Zitat via skrapid.at)
Bei Rapid war Kühn in der Hinserie der vergangenen Saison gesetzt und deutete an, dass es doch noch was werden könnte mit der prognostizierten großen Karriere. Der Durchbruch, der so lange auf sich warten ließ, sollte jedoch erst in Schottland folgen. Gerade einmal 3,5 Millionen Euro überwies Celtic nach Wien. Eine Investition, die sich schon nach wenigen Monaten voll ausgezahlt hat.
Unter Brendan Rodgers wurde Kühn schnell zum gefragten Mann und kam wahlweise als rechter oder linker Flügelspieler zu neun Einsätzen in der regulären Saison (zwei Tore) und lief in allen fünf Partien der Meisterrunde auf. Sein erstes Halbjahr krönte der frühere Leipziger mit dem Double.
In der aktuellen Saison hat der flinke Außenstürmer seinen Wert für das Team aus Glasgow noch einmal gesteigert. In der Vorbereitung traf er gegen Manchester City doppelt und knüpfte in den Pflichtspielen nahtlos daran an. 17 Scorerpunkte in 15 Partien sind ein eindrucksvolles Zeugnis. Mit den Japaner Daizen Maeda und Kyogo Furuhashi bildet er ein brandgefährliches Offensiv-Trio, das einen großen Teil dazu beiträgt, dass Celtic nach zehn Spielen punktgleich mit dem Aberdeen FC von der Tabellenspitze grüßt.
Neben seiner Torgefährlichkeit und einer herausragenden Übersicht, zeichnen den 24-Jährigen sein starker linker Fuß sowie sein überdurchschnittliches Durchsetzungsvermögen im offensiven Eins-gegen-eins aus. Eine Kostprobe vom Gesamtpaket Kühn sahen die Zuschauer am vergangenen Wochenende beim 6:0 im League Cup über Liga-Verfolger Aberdeen. Das 2:0 leitete er mit einem perfekt getimten Steilpass ein, das dritte Tor bereitete der Deutsche direkt vor. Das 5:0 erzielte er mit einem feinen Schlenzer selbst.
Nach der gelungenen Generalprobe will Kühn nun auch in der Champions League glänzen. Bisher zahlten „The Bhoys“ in der Königsklasse viel Lehrgeld, gerieten bei Borussia Dortmund sogar mit 1:7 unter die Räder. Zuletzt holte man jedoch immerhin einen Zähler gegen Atalanta. „Man darf nicht vergessen, dass es für viele Spieler in unserer Mannschaft die ersten Champions-League-Einsätze sind. Gegen den Vorjahresfinalisten zu verlieren, ist keine Schande, auch wenn das Ergebnis am Ende zu hoch ausfiel“, wollte Kühn die Demontage gegenüber transfermarkt nicht überbewerten: „Auswärts gegen den Europa-League-Sieger vom letzten Jahr einen Punkt mitzunehmen, ist ebenfalls in Ordnung.“
Hoffnung auf einen Anruf von Nagelsmann
Nun wartet mit RB Leipzig der zweite Gegner aus der Bundesliga. Die Roten Bullen sind in der Ligaphase der Königsklasse noch punktlos und mussten sich am Wochenende Borussia Dortmund geschlagen geben. Bei Weitem kein Grund für ihren ehemaligen Jugendspieler, das Team von Marco Rose zu unterschätzen: „Leipzig ist eine gute Mannschaft, aber man sollte nicht den Fehler machen, irgendein Team in der Champions League zu unterschätzen. Mit unseren Fans im Rücken ist vieles möglich.“ (Zitat via transfermarkt)
Was in seiner Karriere noch möglich sein soll, hat Nicolas Kühn derweil klar vor Augen (Zitat via transfermarkt): „Im Abstiegskampf mit Aue habe ich damals schon gesagt, dass meine Ziele die Champions League und die Nationalmannschaft sind. Einen dieser Träume habe ich mir vor kurzem erfüllt und an dem anderen werde ich weiterarbeiten.“ Julian Nagelsmann wird am Dienstagabend sicherlich den Fernseher einschalten.
(Photo by Grant Halverson/Getty Images)