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Adrian Fein: Entwicklung in Hamburg, Perspektiven beim FC Bayern

20. April 2020 | Spotlight | BY Steffen Gronwald

Adrian Fein gilt derzeit als eines der größten deutschen Talente auf seiner Position. In Hamburg hat man ihn mehr als lieb gewonnen, in München freut man sich auf seine Rückkehr. Doch was macht den 21-jährigen besonders, wie verhilft er dem HSV zum Erfolg und wie könnte seine Rolle beim Rekordmeister aussehen?

Unangefochtener Stammspieler beim HSV

Adrian Fein kam im vergangenen Sommer als Leihgabe zum HSV und sollte nach dem verpassten Aufstieg die Rolle des Orel Mangala – der als Mittelfeldmotor kaum zu ersetzen schien – übernehmen. Die Anforderungen, mit denen sich Fein direkt zu Beginn auseinandergesetzt sah, waren dementsprechend hoch. Doch der Youngster ließ bereits in seinen ersten Auftritten sämtliche Kritiker verstummen und Orel Mangala vergessen. Zwar spielt Fein eine andere, ruhigere Art des Fußballs als sein Vorgänger, doch tut gerade diese dem HSV immens gut.

So ist der U21-Nationalspieler schon nach wenigen Wochen nicht mehr aus der Startformation wegzudenken und verpasste an den ersten 15 Spieltagen nicht eine einzige Minute. Doch so langsam merkte man auch ihm an, dass die Belastung in der zweiten Liga enorm ist, er seine Pausen braucht, welche er auch bekam. Allerdings zeigte sich schnell, dass ohne Fein etwas im HSV-Aufbauspiel fehlt. Umso bitterer war der verletzungsbedingte Ausfalls Feins (Jochbein-OP) Mitte Februar. Ausgerechnet gegen den Stadtrivalen St. Pauli musste der Mittelfeldregisseur zuschauen und konnte die schmerzhafte Niederlage nicht verhindern.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Dass Adrian Fein aber nicht nur ein sehr guter Fußballer ist, sondern auch eine Kämpfernatur in sich trägt, zeigte der Mittelfeldmann bei seinem Startelf-Comeback gegen seine ehemaligen Kollegen aus Regensburg. Fein lief mit einer speziell angefertigten Gesichtsmaske auf, um nach seinem Jochbeinbruch geschützt zu sein. Doch diese schien ihm eher Probleme zu machen, dementsprechend warf der Youngster die Maske kurz nach der Halbzeit neben das eigene Gehäuse und spielte fortan ohne den Schutz weiter – dabei warf er sich weiter in Zweikämpfe und Kopfballduelle. Fein geht voran und zeigt was es heißt ein Führungsspieler zu sein. Sowohl fußballerisch als auch mental.

Insgesamt kommt der 21-jährige auf 23 Einsätze in der zweiten Bundesliga, dabei erzielte er einen Treffer und gab drei Torvorlagen.

Adrian Fein: Ruhe und Übersicht stechen hervor

Doch was macht Adrian Fein aus? Es ist seine Ruhe am Ball, seine Übersicht und seine Passgenauigkeit mit und ohne Gegnerdruck. Er hilft der Innenverteidigung beim Aufbauspiel, sorgt dafür, dass er als Anspielstation fungiert und ist auch bei gegnerischem Pressing in der Lage den Ball gewinnbringend zu verteilen. Fein denkt oftmals einen Schritt voraus und verschafft sich so ausreichend Platz. Ohne große Tricks kommt er dabei an seinen Gegenspielern vorbei, in der Regel sind es Körpertäuschungen, die bei ihm von Erfolg gekrönt sind. So schaltet sich der zentrale Mittelfeldspieler auch immer wieder in die Offensive ein und versucht im Angriffsdrittel den entscheidenden Pass zu spielen.

Doch hier muss auch eine vorsichtige Kritik geäußert werden. Denn Fein agiert in der Regel zu uneigennützig und sucht zu selten den Abschluss. In vielversprechenden Situationen legt er den Ball noch mal zu vermeintlich torgefährlicheren Spielern ab, anstatt das Spielgerät selber aufs Tor zu bringen. Wenn der Mittelfeldmann in solchen Aktionen vereinzelnd egoistischer agiert, könnte das seinem Team noch mehr bringen.

(Photo by Aitor Alcalde/Getty Images for DFB)

Doch genau dies bestätigt auch, was Adrian Fein ausmacht. Er ist keiner, der auffallen und das Spiel entscheiden muss. Der 21-Jährige agiert als absoluter Teamplayer, möchte mit seinem Mitspielern erfolgreich sein und steht selbst meist an hinterer Stelle. Dennoch schafft er es Spiel für Spiel seinen Stempel aufzudrücken und das Spielgeschehen zu lenken. Er ist und bleibt derzeit ein unersetzbarer Faktor in der Mannschaft des HSV, mit Fähigkeiten, die nur ganz wenige im aktuellen Kader haben.

HSV: Chance auf einen Verbleib?

Doch wie stehen die Chancen auf einen Verbleib von der Leihgabe des FC Bayern München? Erst in der Winterpause verlängerte der Youngster seinen Vertrag beim Rekordmeister und gab damit ein deutliches Zeichen in Richtung München. Er möchte versuchen in den Kader zu rücken und seinen Traum zu verwirklichen. Doch kommt der Schritt von einem Aufstiegsaspiranten hin zum Rekordmeister nicht etwas zu früh? Genau das ist die Hoffnung, die sich die Fans in der Hansestadt machen. Sollte der Aufstieg ins Oberhaus gelingen, wäre man in der Lage mit den Münchnern zu verhandeln und eine erneute Leihe auszumachen, in der Fein dann sein Können in Deutschlands höchster Spielklasse zeigen kann – um anschließend den Sprung in den Kader den Münchner zu wagen.

Steffen Gronwald

FC Bayern: Leihmodell als voller Erfolg

Aus Sicht des FC Bayern München, der Adrian Fein bereits seit geraumer Zeit als großes Talent sieht und den Mittelfeldspieler entsprechend fördert, war die Leihe des Spielers zum Hamburger SV ein logischer Schritt. Logische Schritte bedeuten aber nicht automatisch, dass sie erfolgreich sind. Im Fall von Adrian Fein, der wie erwähnt bereits in Regensburg als Leihspieler Spielpraxis sammeln konnte, war dieser Schritt aber erfolgreich. In Hamburg reifte der Mittelfeldspieler nicht nur auf dem Platz, sondern auch persönlich. Dort lernte Fein, mit einem großen Erfolgsdruck umzugehen.

Zudem ist die mediale Komponente in Hamburg natürlich ein ganz anderes Thema als rund um den beschaulichen SSV Jahn in Regensburg. Schlechte Resultate und schwankende Leistungen sind ein Dauerthema, bis das Gegenteil eintrifft, der Medienzirkus rund um den HSV ist eine gute Vorbereitung auf den permanenten Erfolgsdruck beim Branchenprimus in München.

(Photo by Thomas Eisenhuth/Bongarts/Getty Images)

Darüber hinaus sorgt die Leihe dafür, dass Fein als Stammspieler mit großem Selbstvertrauen nach München zurückkehren wird. Der Respekt vor den Mitspielern wird aufgrund dieses zweifelsohne großen Schrittes weiterhin vorhanden sein, allerdings kann Fein als Spieler, der sich bereits einen Namen gemacht hat, ganz anders auftreten als ein Emporkömmling aus der eigenen Jugend oder der zweiten Mannschaft. Dieser elementare Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung eines jungen Spielers darf nicht unterschätzt werden.

Adrian Fein: Große Konkurrenz vs. gute Anlagen

Betrachtet man – nach jetzigem Stand – die Situation im Mittelfeld des FC Bayern, so stellt man fest, dass Adrian Fein auf viel Konkurrenz trifft. Joshua Kimmich, Thiago Alcantara, Corentin Tolisso, Leon Goretzka, Mickael Cuisance, Javi Martinez: All diese Spieler stehen im Mittelfeld des Rekordmeisters im Aufgebot. Nun muss man, um die Chancen auf Einsätze für Adrian Fein zu bestimmen, aber erst einmal differenzieren.

Mittelfeldspieler sind nicht gleich Mittelfeldspieler. Fein ist mit seinen Qualitäten im Aufbau nicht mit allen Spielern im Kader des FC Bayern zu vergleichen und steht somit auch nicht in direkter Konkurrenz mit einem Tolisso oder Goretzka. Auch die Qualitäten des zweikampfstarken Javi Martinez sind nicht mit denen von Adrian Fein zu vergleichen, vor einem Spieler wie Cuisance, der technisch versiert ist, aber in München mit Anlaufproblemen zu kämpfen hatte, muss sich der Rückkehrer keinesfalls verstecken.

Das bedeutet, dass Adrian Fein trotz großer Namen und einer Vielzahl an anderen Mittelfeldspielern die Chance besitzt, beim FC Bayern eine Rolle zu spielen. Als Rotationsspieler könnte er den genialen Thiago Alcantara entlasten, zudem würde er von den etablierten Spielern lernen. Nach gut 1 1/2 Jahren auf diesem Profiniveau befindet sich Fein erst am Anfang seiner Entwicklung, kann sich in nahezu allen Teilbereichen verbessern und zu einem sehr guten Spieler reifen, der auch im Kader des Rekordmeisters Ansprüche stellen kann.

Dass das nicht über Nacht geschieht, wissen sowohl die Verantwortlichen des FC Bayern, als auch der Spieler selbst. Gegenwärtig ist es schwer Prognosen zu treffen, weil viele Fragen offen sind. Wie handlungsfähig ist der Klub? Wird der Kader im Mittelfeld möglicherweise ausgedünnt? Und wird überhaupt eine Vorbereitung auf die neue Saison, in der sich Fein ausgiebig empfehlen kann, stattfinden? Bisher haben der Klub und der junge Mittelfeldspieler die richtigen Entscheidungen für die Karriere von Adrian Fein getroffen. Es ist anzunehmen, dass dies – unabhängig davon, ob das Ergebnis eine weitere Leihe oder ein Verbleib sein wird – auch in diesem Sommer gelingen wird.

Manuel Behlert

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(Photo by Thomas Eisenhuth/Bongarts/Getty Images)

Steffen Gronwald

Steffen verfolgt primär den Vereinsfußball, fühlt sich im deutschen Ober- und Unterhaus zu Hause - verfolgt zugleich aber auch La Liga und die Premier League intensiv. Ob Offensivspektakel oder "park the Bus", fesseln tut ihn beides, zudem steht bei ihm auch der Schiedsrichter im Fokus. Seit 2016 bei 90PLUS.


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