EM 2021 | Der 2. Spieltag: Die Europameisterschaft überrascht weiter

20. Juni 2021 | Global News | BY Victor Catalina

Spotlight | Auch der 2. Spieltag der Europameisterschaft kann inzwischen in die Geschichtsbücher. Während große Namen wie England, Spanien oder Kroatien straucheln, wissen andere weiterhin zu überraschen. Das Roundup zum 2. Spieltag

Gruppen A-C: Italien, Belgien und Niederlande qualifiziert – vollendet Finnland sein Märchen?

Eine der positiven Überraschungen dieser Europameisterschaft ist Italien. Durch 3:0-Siege gegen die Türkei sowie die Schweiz konnten sie das Achtelfinale bereits am 2. Spieltag buchen. Dabei wussten die Azzurri vor allem offensiv zu überzeugen, zeigten extrem viel Spielwitz, was vor allem beim Führungstreffer gegen die Schweiz deutlich wurde. Zuerst spielte Manuel Locatelli (23) eine direkte Verlagerung auf die rechte Seite und lief dann noch in den Strafraum durch, sodass er nur noch einschieben musste.

Dazu kommt, dass Roberto Mancinis (56) offensiver Spieltstil keineswegs zulasten der eigenen Defensive geht. Wettbewerbsübergreifend kassierte Italien sein letztes Gegentor am 14. Oktober 2020, bei einem 1:1 gegen die Niederlande in der Nations League. Seitdem stehen zehn Spiele, zehn Siege sowie 31 eigene Treffer in der Statistik. Im bisherigen Turnier lieferte Italien den wohl komplettesten Auftritt aller Mannschaften ab und darf sich am 3. Spieltag anschauen, was die Konkurrenz treibt.

 



 

Hinter ihnen überrascht einmal mehr Wales. 2016 gewannen sie ihre Gruppe mit England, der Slowakei und Russland noch, diesmal steht die Mannschaft von Rob Page (46) mit vier Punkten aus den ersten beiden Spielen auf Platz 2. Sollten sie im letzten Spiel gegen Italien nicht komplett untergehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie diesen auch behalten. Der direkte Vergleich mit der Schweiz ist ausgeglichen (1:1), sodass die Tordifferenz den Unterschied ausmachen würde. Und dort hat Wales die Nase klar vorn, steht bei +2, während die Schweiz eine Hypothek von -3 wettmachen muss.

Belgien wird der Favoritenrolle gerecht – Vollendet Finnland sein Märchen?

Belgien tat sich in Kopenhagen lange Zeit schwer, lag zur Pause verdient 0:1 zurück. Doch mit der Einwechslung von Kevin De Bruyne (29) kippte die Partie zu ihren Gunsten. Zuerst legte er mustergültig für den Dortmunder Thorgan Hazard (28) auf, das 2:1 besorgte De Bruyne mit einem gekonnten Direktschuss ins kurze Eck höchstselbst. In Tateinheit mit dem 3:0 vom ersten Spieltag gegen Russland ergibt das einen sicheren Platz im Achtelfinale. Damit kann Roberto Martínez (47) im Duell mit Finnland bereits Ressourcen schonen.

Für die Finnen, die ihr erstes Spiel in Kopenhagen gewinnen konnten und das zweite in St. Petersburg verloren, ist das Achtelfinale ebenfalls noch möglich. Das große Pfand, mit dem sie wuchern können, ist ihre Tordifferenz. Während für Dänemark und Russland je ein 1:3 zu Buche steht, ist bei ihnen alles ausgeglichen – 1:1.

Besonders bitter könnte es für die Dänen laufen. Dass sie trotz den Geschehnissen um Christian Eriksen (29) weiterspielten, ist ihnen hoch anzurechnen. Punkte bekamen sie dafür allerdings genauso wenig, wie für ihren starken Auftritt gegen Belgien. Im Duell mit Russland stehen sie damit unter Siegzwang, wenn diese Europameisterschaft für sie nicht schon nach der Vorrunde zu Ende sein soll.

Niederlande erstmals seit 2008 wieder in der K.O.-Runde, Showdown zwischen Österreich und der Ukraine

2018 sorgten Italien und die Niederlande noch für Schlagzeilen, indem sie es verpassten, sich für die WM in Russland zu qualifizieren. Drei Jahre später sind sie die ersten Mannschaften, die das Ticket unter die letzten 16 lösen. Das spektakuläre 3:2 gegen die Ukraine und das souveräne 2:0 gegen Österreich besiegelten Oranjes erstmalige Qualifikation für die K.O.-Phase der Europameisterschaft seit 2008. In einer EM mit damals nur 16 Mannschaften scheiterte die Niederlande in der Verlängerung des Viertelfinales 1:3 an Russland.

ANP PIETER STAM DE YOUNG/imago

Wer ihnen ins Achtelfinale folgen wird, entscheidet sich mutmaßlich im Parallelspiel zwischen der Ukraine und Österreich. Für beide steht bisher ein Sieg und eine Niederlage in der Statistik. Auch in der Tordifferenz nehmen sich beide Mannschaften nichts, 4:4 für die Ukraine, 3:3 für Österreich. Nordmazedonien könnte zwar auch noch auf drei Punkte kommen. Aber ein Erfolg in Amsterdam ist nicht nur äußerst unwahrscheinlich, auch das Torverhältnis von 2:5 spricht gegen sie.

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Gruppen D-F: Spanien unter Zugzwang, Gruppensieg für Deutschland?

Tschechien zählt bisher zu den größten Gewinnern dieser Europameisterschaft. Dem 2:0 gegen Schottland ließen sie ein 1:1 gegen Kroatien folgen, stehen dank dreier Treffer des Leverkuseners Patrik Schick (25) somit bei vier Punkten aus zwei Spielen und an der Spitze von Gruppe D. Das nicht zuletzt, weil sich hinter ihnen England als bisher äußerst bieder erwies. In 180 Minuten erzielten sie lediglich einen einzigen Treffer. Gegen Schottland kamen die Three Lions – trotz eines hochtalentierten Kaders – nicht über ein 0:0 hinaus. Besonders an der Auftstellung von Gareth Southgate (50) gab es erneut viel Kritik, da er Jack Grealish (25) nur einwechselte und auch im zweiten Spiel bei dieser EM gänzlich auf Jadon Sancho (21) verzichtete. So wird das Aufeinandertreffen mit Tschechien am Dienstag zum Duell um den Gruppensieg. Parallel hoffen Kroatien und Schottland noch auf Platz 3. Anders als Tschechien und England haben sie jedoch noch ein Defizit im Torverhältnis gutzumachen.

Polen zurück im Rennen, Spanien gegen die Slowakei unter Zugzwang

Das 1:1 in Sevilla war für die Polen ein gefühlter Sieg. Sie haben nicht nur dem nominell stärksten Gruppengegner ein Bein gestellt und sich selbst für das 1:2 gegen die Slowakei rehabilitiert, sondern sind auch noch im Rennen um das Achtelfinale. Dazu gilt es gegen Schweden nachzulegen.

Von der Spielanlage her erwartet sie ein ähnlicher Gegner wie die Slowakei: Defensiv extrem kompakt und nach vorne mit etwas mehr individueller Qualität ausgestattet, in Person von Emil Forsberg (29) und dem Ex-Dortmunder Alexander Isak (21), der die EM-Bühne nutzt, um Werbung in eigener Sache zu betreiben. Daher gilt es, die Fehler aus dem Slowakei-Spiel abzustellen. Trainer Paulo Sousa (50) hat es gegen Spanien schon vorgemacht, indem er Robert Lewandowski (32) mit Karol Świderski (24) einen weiteren Stürmer an die Seite stellte, sodass sie sich die Arbeit im Angriff aufteilen können. Die Umstellung wirkte: Lewandowski traf kurz nach der Pause per Kopf zum 1:1.

Aus Sicht der Spanier ist dieses Ergebnis viel zu wenig. Zwei Spiele, zwei Punkte, 1:1 Tore. So liest sich die magere Bilanz der einstigen Übermacht. Seit der Europameisterschaft 2012 ist die Furia Roja bei keinem großen Turnier mehr über das Achtelfinale hinausgekommen. Als aktueller Gruppendritter müssten sie momentan selbst um dieses zittern. Ein Sieg gegen die Slowakei ist absolute Pflicht. Individuell wäre es der Mannschaft mehr als zuzutrauen. Doch bot sie sowohl gegen Schweden, als auch gegen Polen spielerische Magerkost. Es ging viel um den gegnerischen Strafraum herum mit wenig Tempo, dafür aber vielen unpräzisen Flanken. Und wenn sich den Spaniern mal die Gelegenheit bot, wurde sie teilweise kläglich liegengelassen. Das alles gegen – bei allem Respekt – limitierte Gegner. Und genau dieser Fakt wird auch den Slowaken Auftrieb geben.

Schon im Vorfeld des Turniers gab es viel Kritik am Kader von Luis Enrique (51), da er unter anderem gänzlich auf Real-Spieler verzichtete. Sollte Spanien in dieser Gruppe und mit diesem Turniermodus tatsächlich scheitern, dürfte Luis Enrique wohl nur schwer als Nationaltrainer weiterhin zu vertreten sein.

Deutschland mit der Chance auf den Gruppensieg – Portugal unter Druck

Unverhofft kommt oft. So in etwa lässt sich der Samstag aus deutscher Sicht zusammenfassen. Zuerst ließ Frankreich in Budapest die sichere Qualifikation für das Achtelfinale der Europameisterschaft liegen, kam nicht über ein 1:1 hinaus. Und als Portugal in Führung ging, waren es zwei Eigentore, die die Pausenführung besiegelten. Das gab der DFB-Elf sichtlich Auftrieb. Die Treffer zum 3:1 und 4:1 waren mustergültig herauskombiniert, das 4:2 lediglich Kosmetik.

Bildquelle: imago

Man sah, dass auf dem Platz wieder eine Mannschaft zusammenwächst und diese – entgegen der Auftritte der letzten Jahre – sehr wohl noch auf höchstem Niveau konkurrenzfähig ist. Deutschland erzwang vor der Pause sein Glück, und nutzte danach die Gunst der Stunde. Vor allem Robin Gosens (26) lieferte mit zwei Assists, dem Treffer zum 4:1 sowie eines artistischen frühen Abseitstores ein Länderspiel für die Galerie ab und dürfte spätestens jetzt von der linken Seite kaum noch wegzudenken sein.

Dadurch ergibt sich in der Tabelle die perfekte Konstellation für Deutschland. Schon mit einem Unentschieden gegen Ungarn wäre man sicher unter den besten Gruppendritten. Mit einem eigenen Sieg und Schützenhilfe der Portugiesen könnte man sogar noch Gruppensieger werden und im Achtelfinale auf den Dritten der Gruppe A, B oder C treffen.

 

Deutschland gewinnt

Remis

Ungarn gewinnt

Portugal gewinnt

1

3

4

Remis

1

2

4

Frankreich gewinnt

2

2

3

Die Portugiesen sind durch die 2:4-Niederlage von Platz 1 auf 3 abgerutscht und müssen daher gegen Frankreich punkten. Zudem haben sie ihre Tordifferenz, die nach einer Viertelstunde bei 4:0 stand, nahezu gänzlich eingebüßt. Allein der Treffer von Diogo Jota (24) hält sie über dem Strich. Zu oft standen Portugals Außenverteidiger Raphael Guerreiro (27) und Nélson Semedo (27) zu hoch, was Joshua Kimmich (26) und eben Gosens nahezu perfekt ausnutzten.

Aber auch Frankreich steht unter Zugzwang. Bei einer Niederlage droht Platz 3 und das Torverhältnis von 2:1 wird dem Weltmeister auch nur bedingt weiterhelfen. In Budapest lieferten sie einen spielerisch äußerst limitierten Auftritt. Die beiden besten Chancen, durch Ousmane Dembélé (24) und der Ausgleich von Antoine Griezmann (30) entstanden jeweils, als Ungarns Abwehr Frankreich Räume gewährte.

Fazit

Die Europameisterschaft bleibt weiterhin unberechenbar. Mit Kroatien, Spanien und Portugal starten gleich drei große Namen vom dritten Platz ins Gruppenfinale, während Tschechien, Schweden oder Polen genau das für sich ausnutzen könnten. Auf der anderen Seite werden Italien, Belgien und die Niederlande ihrer Favoritenrolle gerecht und sind bereits für das Achtelfinale qualifiziert. Man darf sich also auf ein hochspannenden und hochunterhaltsamen 3. Spieltag freuen!

Bildquelle: imago

Victor Catalina

 

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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