EM 2021: Der Bösewicht steht zurecht im Finale

8. Juli 2021 | Trending | BY Chris McCarthy

Mit Hilfe einer kontroversen Schiedsrichterentscheidung bezwang England im Halbfinale der EM 2021 Dänemark. Freuen können sich die meisten darüber nicht. Der Underdog ist raus. Der Bösewicht ist weiter? Ein Kommentar.

Am Mittwochabend gewann im Wembley Stadium der Bösewicht. Diesen Eindruck hatte man zumindest, wenn man das Spiel zwischen England und Dänemark auf Twitter und Co verfolgte. Die favorisierten Three Lions setzten sich mit Hilfe eines überaus strittigen Elfmeters mit 2:1 in der Verlängerung durch.

Es herrschte Frust in den Sozialen Netzwerken. Immerhin wurde „Everybody’s Darling“ Unrecht getan. Manch einer fühlte sich davon sogar persönlich angegriffen. Denn spätestens nach den dramatischen Szenen um Christian Eriksen hatte sich die tapfere Mannschaft um ihren sympathischen Trainer Kasper Hjulmand in die Herzen der Fußballfans gespielt. Ein Team, das keiner auf der Rechnung hatte. Ein Team, das aufgrund eines traumatischen Erlebnisses zusammen- und über sich hinaus wuchs. Die klassische Cinderella-Story eben. Es ist leicht, dieser dänischen Auswahl die Daumen zu drücken.

 

Vor allem gegen England. Die Politik, die dem Druck der UEFA nicht standhielt und trotz Delta-Variante 60.000 Zuschauer ins Stadion ließ, rüpelhaftes, ja respektloses und inakzeptables Verhalten einzelner Anhänger. All das hat hierzulande das Bild dieser Fußballnation geprägt. Die Nationalhymnen der Gegner wurden zuweilen von einigen Halbstarken ausgepfiffen. Ein weinendes deutsches Mädchen in den sozialen Medien auf ekelhafte Art und Weise beleidigt. Kasper Schmeichel vor dem Elfmeter am Mittwoch von einem Laserpointer abgelenkt. Dass die Mehrheit der Briten diese Aktionen ebenfalls nicht gutheißt, einige für das Mädchen beispielsweise sogar eine Spendenaktion ins Leben riefen, interessierte jedoch kaum einen mehr.

Zu laut waren die euphorisierten Fans von der Insel. Zu sensibel die deutschen Ohren nach der Pleite der DFB-Elf. Auch für die ein oder andere verbalen Übertreibung, die oftmals auch vom britischen Humor geprägt ist. Nach 55 Jahren „of hurt“ – solange liegt der letzte Titel zurück – ist die Sehnsucht in England nunmal groß. „Football’s coming home.“ Bloß nicht! Das Feindbild war geschaffen.

EM 2021: England hat sich das Endspiel verdient

Als Raheem Sterling dann also in der Verlängerung durch den dänischen Strafraum tänzelte und nach leichter Berührung zu Boden ging, sorgte der Elfmeterpfiff bei nahezu allen, die es nicht mit England halten, für Empörung. Ein Pfiff, den der Schiedsrichter sich hätte sparen können, so gering war der Kontakt selbst bei hohem Tempo.

Dass der Videoassistent-Referee die Entscheidung allerdings nicht umkehrte, war legitim. Zu gering war gemäß Regelauslegung der Beweis, um von einer glasklaren Fehlentscheidung zu sprechen. Dass Sterling in der Verlängerung eines EM-Halbfinales im Strafraum den Kontakt suchte, ist menschlich. Das macht ihn nicht zu einem Schwalbenkönig. Dass die englische Nationalmannschaft – alleine 16:0 Schüsse innerhalb des Strafraums – als verdienter Sieger vom Platz ging, ist nicht zu leugnen. Ebenso wie die Tatsache, dass diese talentierte aber pragmatische englische Mannschaft bei nur einem Gegentor in sechs Spielen verdient im Finale steht. Ganz egal, wie „leicht“ ihre Seite des Turnierbaums war oder wie unterstützend der Heimvorteil auch ist.

All das wird der Fußballromantiker natürlich nur ungerne hören. Für ihn blieb die Underdogstory am Mittwoch ohne Happy End. Wenn am Sonntag im Wembley Stadium also Italien auf England trifft, dann ist es vielleicht nicht das Finale, das sich jeder wünschte. Nichtsdestotrotz ist es das Finale der zwei besten und konstantesten Mannschaften dieses Turniers. Bösewicht hin oder her.

Von Chris McCarthy

Photo:Imago

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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