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DFB-Team nach dem Aus gegen Spanien: Das Ende als Anfang begreifen

6. Juli 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Es hat nicht sollen sein. Die DFB-Elf kämpfte aufopferungsvoll im Viertelfinale der EM 2024. Gegen Spanien, die bis dato wohl beste Mannschaft des Turniers, war man über weite Strecken überlegen. Doch unterlag trotzdem, mit 1:2 nach Verlängerung. 

Und das denkbar bitter. Das entscheidende Tor fiel kurz vor dem Ende, einige Chancen wurden vergeben, der Pfosten getroffen. Einen Handelfmeter hätte es auch noch geben müssen, als Marc Cucurella seinen Arm nicht rechtzeitig wegbewegen konnte. Statt Partystimmung herrschte Leere nach dem Spiel. In den Gesichtern der Fans, in der Kabine und auch in den Köpfen der Protagonisten. Es wird dauern, dieses Turnier und dieses Spiel in seiner Gesamtheit zu begreifen.

DFB-Team unterliegt Spanien: Die Enttäuschung überwiegt

Doch alles zu seiner Zeit. Dass nach dem Spiel erst einmal Ernüchterung vorherrschend war, liegt in der Natur der Sache. „Es ist heute natürlich traurig. Man hatte eine Euphorie, ein Gemeinschaftsgefühl. Es war lange nicht mehr so. Deswegen ist das jetzt schwierig. Es wird von Sekunde zu Sekunde härter, das zu realisieren. In der Kabine ist Stille“, erklärte ein sichtlich angeschlagener Niclas Füllkrug nach dem Spiel die Stimmung. Klar, Enttäuschung ist die logischste Reaktion nach einem Ausscheiden bei einem Heimturnier. Nach dem Zerplatzen eines Traums, der sich nach den drei Siegen aus vier Spielen und einem Länderspieljahr ohne Niederlage nicht mehr nur wie ein Traum angefühlt hat.



Das ganze Turnier war schließlich ein Schritt nach vorne. Noch vor Monaten stand – berechtigterweise – die Frage im Raum, ob die deutsche Mannschaft auf höchstem Niveau überhaupt konkurrenzfähig ist. Die Testspiele gegen die Niederlande und Frankreich waren ein Hoffnungsschimmer, aber nicht mehr. Im Turnierverlauf ist eine Art Euphorie entstanden, auf die im Vorfeld gehofft wurde, mit der aber nicht zu planen war. Gerade deswegen konnten die eigenen Ambitionen immer mutiger formuliert werden. Und gerade deswegen ist das Ausscheiden gegen die Iberer, völlig unabhängig davon, dass sie das bisher beste Team im Turnier waren, bitter wie enttäuschend.

Gefehlt hat nun wirklich nicht viel. In der ersten Halbzeit waren es die Ungenauigkeiten im eigenen Spiel. Später war es dann die mangelnde Effizienz vor dem Tor. Zwischendurch auch Pech wie beim Pfostenschuss von Füllkrug oder dem nicht gegebenen Elfmeter. Es war ein Spiel, das man wohl in sechs, vielleicht sieben von zehn versuchen gewonnen hätte. Aber heute war nicht so ein Tag. Sondern einer, an dem man am Ende zwar alles in die Waagschale geworfen hat, aber doch als Verlierer vom Platz ging. So bitter das auch ist.

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Das Ende, das sich wie ein Anfang anfühlen wird

Fußball ist ein Sport der Zyklen. Das gilt für den Vereinsfußball wie für den der Nationalmannschaften. Ein Zyklus entspricht oft der Zeit von einem großen Turnier zum nächsten. Zwei Jahre sind es in der Regel, die zwischen diesen Großereignissen liegen. Zwei Jahre, in denen sukzessive am Kader gebastelt, die Ausrichtung überarbeitet und eine Hierarchie entwickelt wird. Die Vorbereitungszeit dauert also lange an. Mit dem Ziel, am Ende die bestmögliche Mischung zu finden. Diese zwei Jahre hatte Julian Nagelsmann nicht. Im Gegenteil: Seine Vorbereitung auf die EM 2024, ein Turnier im eigenen Land, war eher ein Crashkurs.

DFB-Team Spanien

(Photo by THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images)

Doch auch ein Crashkurs kann für Erkenntnisse sorgen. Nagelsmann trat an, um in für Nationalmannschaften kürzester Zeit ein Team zu formen, das einerseits seinen Ansprüchen genügt, andererseits das Gefühl vermittelt, aus einem guten Grund ausgewählt worden zu sein. Und das hat der Bundestrainer weitgehend geschafft. Das 5:1 gegen Schottland direkt zum Auftakt half natürlich dabei, keine Frage. Aber insgesamt hat das DFB-Team dafür gesorgt, dass die Fans wieder bedeutend mehr hinter der Mannschaft stehen.

Das Turnier mag nach dem Spanien-Spiel zwar zu Ende sein, aber es ist kein Ende im herkömmlichen Sinne. Denkt man weiterhin in Zyklen, dann hat der Zyklus unter Trainer Nagelsmann gerade erst begonnen. Die EM im eigenen Land war der erste Stresstest. Einer, der mit viel Druck verbunden war, das steht außer Frage. Aber einer, der, wenn alle Beteiligten dieses Turnier Revue passieren lassen und auf die Ausgangslage blicken, positiv konnotiert sein wird.

Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem die Enttäuschung verfliegt. Bei dem einen Spieler ist das früher, bei dem anderen Spieler etwas später der Fall. Und genau dann folgt die Analyse des Erlebten, aber auch eine Analyse dessen, was in den letzten Monaten passiert ist. Die DFB-Elf kann wieder im Konzert der Großen mitspielen, wenngleich dieses noch nicht dirigieren. Nach der EM wird das nächste Kapitel geschrieben, dann möglicherweise ohne Spieler wie Thomas Müller und Manuel Neuer, dafür mit jungen, hungrigen Shootingstars des Kalibers Aleksandar Pavlovic.

Veränderungen gibt es auf Nationalmannschaftsebene nach Turnieren immer. Der nächste Zyklus steht auf dem Programm, der erste, den Julian Nagelsmann vollumfänglich begleitet. Unter den gegebenen Umständen und gemessen daran, was für junge Talente im Pool des DFB derzeit schwimmen, bleibt zu konstatieren: Das Ende der Träume bei der EM 2024 ist als Anfang zu begreifen. Als Startschuss für eine neue Ära bei der deutschen Nationalmannschaft. Je eher das die Köpfe der Spieler erreicht, desto einfacher wird es, dieses Turnier zu den Akten zu legen. Ohne dabei das zu vergessen, was man gelernt hat.

(Photo by Carl Recine/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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