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EM 2024 | Ausgelassene Fan-Partys und Distanztore – Fünf Beobachtungen zum 1. Spieltag

19. Juni 2024 | Spotlight | BY Till Gabriel

Die EM 2024 ist in vollem Gange, jede Nation hat ihr Auftaktspiel bereits bestritten. Hier sind fünf Beobachtungen des 1. Spieltags.

EM 2024: Fanfeste ein voller Erfolg

Die Fans der niederländischen Nationalmannschaft färben Hamburg orange, ein Österreicher zerbricht vor einem französischen Anhänger ein Baguette, ehe sich beide lachend in den Armen liegen. Die EM 2024 lieferte bereits nach fünf Tagen tolle Bilder einer großen gemeinsamen Party.



Die Sorge, dass, überstrahlt von der weltpolitischen Lage und Sicherheitsbedenken, keine EM-Stimmung aufkommen würde, hat sich bisher als unbegründet erwiesen. Dazu leistete auch die DFB-Elf ihren Beitrag, die mit dem begeisternden 5:1 über Schottland einen optimalen Start erwischte und so die Euphorie, die nach den Testspielen im März aufloderte, zu einem großen Feuer entfachte.

Das Wetter will dagegen noch nicht überall mitspielen. Am Dienstag mussten in Nordrhein-Westfalen die Fanfeste wegen Unwettergefahr abgesagt werden. Dazu trüben einige Probleme mit der Deutschen Bahn das insgesamt sehr positive Zwischenfazit nach den ersten Spielen.

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Wie einst Lahm und Frings: Die Rückkehr der Weitschüsse

Schaut man sich Wiederholungen älterer Turniere wie der WM 2006 an, sieht man jede Menge Traumtore aus der zweiten Reihe. Unvergessen ist das Auftaktspiel gegen Costa Rica vor 18 Jahren, als Philipp Lahm und Torsten Frings mit ihren herrlichen Treffern aus der Distanz das Sommermärchen fulminant eröffneten.

In den letzten Jahren wurden Fernschüsse dagegen immer seltener, da risikobehaftete Abschlüsse aus der zweiten Reihe in den minutiös ausgeklügelten Matchplänen der Guardiola-Ära so gut wie keinen Platz mehr fanden.

Die EM in Deutschland bricht bisher mit diesem Trend. Für das DFB-Team trafen Florian Wirtz und Emre Can von außerhalb des Strafraums, Rumänien überwand Ukraine-Torhüter Andrij Lunin gleich zweimal aus großer Entfernung. Erik Janza sorgte mit seinem späten Ausgleich aus 20 Metern für Ekstase bei den slowenischen Anhängern.

Zum Abschluss des ersten Spieltags setzte die Türkei der Rückkehr der Weitschüsse die Krone auf. Erst brachte Mert Müldür die XXXXXX mit einem perfekten Volley in den Winkel in Führung, ehe Real-Juwel Arda Güler im zweiten Durchgang mit einem Schlenzer ins lange Eck das bisher schönste Tor des Turniers erzielte.

Nicolae Stanciu zieht aus der zweiten Reihe ab und bringt Rumänien in Führung. (Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Biedere Three Lions: Southgate bestätigt seine Kritiker

Blickt man auf die jüngsten Turnierresultate der englischen Auswahl, mag es verwundern, dass Trainer Gareth Southgate stets ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik gerät. Bei der WM 2018 ging es bis ins Halbfinale, bei der Euro 2021 kam man sogar ins Endspiel und scheiterte erst im Elfmeterschießen an Italien. Auch der Start in die EM 2024 ist auf dem Papier gelungen.

Doch das 1:0 gegen Serbien bestätigte die Southgate-Kritiker. Die englische Nationalmannschaft ist individuell herausragend besetzt, stellt nach Marktwerten sogar den wertvollsten Kader im gesamten Teilnehmerfeld. Doch der Fußball, den die Three Lions anbieten, ist meist weit von dem entfernt, was Namen wie Declan Rice, Jude Bellingham, Phil Foden oder Harry Kane vermuten lassen.

Auch gegen Serbien enttäuschten die Turnierfavoriten bis auf wenige Ausnahmen (Bellingham, Rice, Bukayo Saka). Der Fußball ist wenig spektakulär, gegen tief stehende Abwehrketten fehlen zu oft die Lösungen. Im zweiten Durchgang entwickelte sich ein sehr biederes Spiel auf schwachem Niveau. Während man dem Außenseiter aus Serbien keinen Vorwurf machen kann, muss sich England im Turnierverlauf deutlich steigern. Die individuelle Klasse mag in den meisten Partien ausreichen, doch die Kritik an Southgate wird mit weiteren destruktiven Auftritten nur lauter.

Pflicht erfüllt, mehr nicht: Gareth Southgate und Jude Bellingham. (Photo by ALBERTO PIZZOLI/AFP via Getty Images)

„Wusiala“, Yamal und Co. – Die nächste Generation zaubert bereits

Während sich Altmeister wie Toni Kroos, Luka Modric oder Cristiano Ronaldo von der EM-Bühne verabschieden werden, stehen einige Riesentalente noch ganz am Anfang ihrer internationalen Karriere. Von fehlender Erfahrung ist jedoch nichts zu spüren. Jamal Musiala und Florian Wirtz rechtfertigen die Vorschusslorbeeren mit einem tollen Auftritt gegen Schottland, den beide mit jeweils einem Tor krönten.

Auch andere Nationen können sich auf ihre neue Generation verlassen. Für die Türkei wirbelten Güler und Kenan Yildiz, Jude Bellingham erwies sich bei 1:0 gegen Serbien bereits als englische Lebensversicherung und wurde in den heimischen Medien entsprechend gefeiert. Spaniens 16-jähriger Flügelstürmer Lamine Yamal bereitete beim überzeugenden Auftritt gegen Kroatien das entscheidende 3:0 durch Dani Carvajal mustergültig vor.

Neue Regeln und Hilfsmittel zeigen Wirkung

Bei der EM 2024 finden einige neue Regeln und technische Hilfsmittel Anwendung. Wenngleich der Chip im Ball bisher noch nicht zur Aufklärung strittiger Situationen beitragen konnte und überdies Daten liefert, zu deren Bedeutung einige Fragen aufkommen, hat die halbautomatisierte Abseitserkennung schon so manche knappe Aktion schnell und zuverlässig aufgelöst.

Nach den ersten zwölf Spielen lässt sich zudem konstatieren: Die neue Kapitäns-Regel wirkt. Vor dem Turnier wurde angekündigt, dass nur noch der Spielführer mit dem Schiedsrichter über dessen Entscheidungen sprechen darf, allen anderen droht deutlich schneller als zuvor eine gelbe Karte.

Die Spieler haben sich der Änderungen offenbar schnell angenommen. Das Beschweren gegenüber den Unparteiischen hat merklich nachgelassen. Immer wieder sieht man, wie sich die Stars nach dem ersten „Mecker-Impuls“ selbst bremsen, um unnötige Verwarnungen zu vermeiden.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)


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