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EM 2024 | Dänemark & die Fragezeichen: Neuer Hype oder weiter Tristesse?

8. Juni 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Zum zehnten Mal nimmt die dänische Nationalmannschaft bei der EM 2024 an einer Endrunde in diesem Wettbewerb teil. 1992 konnte das Turnier sensationell gewonnen werden, 1984 und 2021 bei der paneuropäischen Europameisterschaft reichte es für das Halbfinale. 

Trainer beim Turnier vor drei Jahren war der Ex-Mainzer Kasper Hjulmand, der auch weiterhin an der Seitenlinie steht. Allerdings: Zwischen den beiden EM-Endrunden fand die Weltmeisterschaft in Katar statt. Und die lief alles andere als gut, das Gruppenaus als Tabellenletzter war so nicht einkalkuliert. Wie sind die Dänen für das kommende Turnier gerüstet? 

Dänemark vor der EM 2024: Sie wissen es selbst nicht

Die letzten beiden Turniere der dänischen Nationalmannschaft hätten unterschiedlicher kaum ausfallen können. 2021, bei der Europameisterschaft, die in ganz Europa ausgetragen wurde, begann alles mit dem Eriksen-Schock, als der Mittelfeldspieler einen Herzstillstand erlitt, sich nach dramatischen Szenen und Wiederbelebung aber schnell wieder erholte. Das sorgte für einen ganz besonderen Zusammenhalt in der dänischen Auswahl. Erst im Halbfinale gegen England war Schluss, die Dänen spielten teilweise sehr furios, waren aggressiv gegen den Ball unterwegs, setzten die Gegner unter Druck und überzeugten mit modernem Fußball.



Es folgte eine Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2022, die mit neun Siegen aus zehn Spielen abgeschlossen wurde. Dänemark ließ unter anderem Schottland, Österreich und Island hinter sich, ging guter Dinge in das Turnier. Doch es folgte eine Enttäuschung. Tunesien, Frankreich und Australien hießen die Gegner, mit nur einem Punkt aus drei Spielen landete die Hjulmand-Elf auf dem letzten Platz. Das hinterließ Spuren. Denn die Qualifikationsphase für die nun stattfindende EM 2024 war alles andere als ideal.

Als großer Favorit gingen die Dänen in eine Gruppe mit Slowenien, Finnland, Kasachstan, Nordirland und San Marino. Aber gleich am zweiten Spieltag gegen Kasachstan gab es eine 2:3-Pleite nach 2:0-Führung, punktgleich mit Slowenien sicherte man sich am Ende das Ticket. 19 Tore in zehn Spielen gegen individuell teils unterlegene Gegner, eine Niederlage in Nordirland: Die Identität der Dänen ging ein wenig verloren. Wo das Team aktuell direkt vor dem Turnier steht, scheint es selbst nicht so richtig zu wissen. 

Ergebnisse überdecken die Probleme

Schaut man sich die Statistiken der dänischen Auswahl an, dann könnte man meinen, alles sei soweit in Ordnung. Sieben der letzten neun Länderspiele wurden gewonnen, der Start in die EM-Vorbereitung gelang mit einem 2:1-Sieg gegen Schweden ebenfalls. Bei genauerer Betrachtung muss aber relativiert werden, findet auch Experte Jonas Dalgard, der für B.T. Sport in Dänemark tätig ist: „Dänemark hatte seine Erfolge, aber der Hype um die Mannschaft hat seit der Weltmeisterschaft und während der gesamten Qualifikation rapide abgenommen. Der Favoritenrolle in der Quali-Gruppe wurde man nicht gerecht. Die dänische Mannschaft hat im letzten Jahr weit unter den Erwartungen gespielt, es gibt also noch viel zu verbessern. Das Problem war vor allem die schlechte Offensive, in der sie gegen schlechte Gegner viel zu wenige Chancen kreierten und die Phasen mit tollem und beeindruckendem Fußball fehlten.“

Dänemark EM 2024

(Photo by LISELOTTE SABROE/Ritzau Scanpix/AFP via Getty Images)

Die Resultate der dänischen Mannschaft kaschieren derzeit also die fundamentalen Probleme, die es im Spiel gibt. 2021, mit einem inversen Außenverteidiger Joakim Maehle, viel Flexibilität auf dem Platz und sehr viel Tempo in vielen Phasen des Spiels, gab es sogar einen kleinen Hype um diese Mannschaft, sicher auch von der Eriksen-Geschichte und der daraus resultierenden Sentimentalität befeuert, aber im Kern war das nicht ganz falsch. Es wurden zuletzt zwar einige Spiele gewonnen, aber Ergebnisse wie ein 2:0 gegen Färöer, ein 2:1 gegen San Marino oder ein 1:0 gegen Finnland überzeugen niemanden so wirklich. Fußball ist zwar ein Ergebnissport, aber geht es nicht auch darum, spielerisch das Optimum aus sich herauszuholen? Davon sind die Dänen aktuell ein Stück entfernt. 

EM 2024: Der dänische Kader böte Möglichkeiten

Wichtig wird die Vorbereitung sein. Das 2:1 im Test gegen Schweden war mit einigen positiven Ansätzen verbunden und der Kader kann sich auch durchaus sehen lassen. Andreas Christensen (Barcelona), Joachim Andersen (Crystal Palace) und Victor Nelsson (Galatasaray) sind stabile Verteidiger, die eine gute Mischung mitbringen. Victor Kristiansen ist ein Shootingstar bei Bologna und könnte, ähnlich wie Maehle 2021, als Wingback-Option eine interessante Rolle im Turnier spielen. 

Alles rund um die EM 2024 

Pierre-Emile Højbjerg, Schlüsselspieler Christian Eriksen und Arbeiter wie Morten Hjulmand und Mathias Jensen sollen das Mittelfeldzentrum schließen und für Kompaktheit sorgen. Und zumindest rein personell liest sich eine Offensive um Rasmus Höjlund (Manchester United), Jonas Wind (VfL Wolfsburg) und Yussuf Poulsen (RB Leipzig) nun auch nicht so schlecht. Der Kern des Teams befindet sich im besten Alter, die Mischung scheint zu stimmen und Trainer Hjulmand hat schon einmal bewiesen, das Team bei einem Turnier auf den Punkt in Form zu bekommen. 

Gesucht: Offensive Geistesblitze

Das wird die Hoffnung der dänischen Fans sein. Nun ist Fußball weder ein Spiel von Voraussetzungen, noch eines von Hoffnungen. Die Erwartungshaltung ist gesunken, nach der schwachen WM 2022 und nach der Qualifikation mit vielen zähen Spielen sowieso. Die Gruppe mit Slowenien, Serbien und England klingt nicht unlösbar, aber hier taucht wieder ein Problem auf, nämlich die Harmlosigkeit im Spiel nach vorne.

EM 2024 Dänemark

(Photo by LISELOTTE SABROE/Ritzau Scanpix/AFP via Getty Images)

„Die Qualifikation hat uns gezeigt, dass Dänemark große Schwierigkeiten hat, wenn es darum geht, das Spiel zu dominieren und zu gestalten. Das Spiel gegen England ist also – in Kasper Hjulmands Worten – ein Spiel, das für die Nationalmannschaft ‚leichter‘ zu spielen ist. Sie können in ihrem tiefen Block auflaufen und bei ihren Kontern und Vorstößen gefährlich sein, wie sie in der Nations League gegen Frankreich und Kroatien gezeigt haben“, so Experte Dalgard. In besagter Nations League wurde Frankreich übrigens zweimal bezwungen, was aber keine Hilfe und erst recht keine Garantie für die EM 2024 darstellt.

Hjulmand muss dem Team einen klaren Plan vorlegen, wie es gegen tiefere Gegner zum Torerfolg kommen will. In vielen Partien war Dänemark zu statisch, kam nicht in den Kombinationsfluss, weil auch ohne Ball zu wenig Bewegung herrschte. Die Lösung? Der Ball wurde zu Eriksen gespielt. Das wissen die Gegner aber, stellten den Spieler von Manchester United weitgehend zu, sodass dieser nicht wirklich zur Entfaltung kam. Und trotzdem ist er der Schlüssel, weil er alle um sich herum besser macht. Dafür muss aber der Grundstein gelegt werden, alles alleine erledigen kann auch er nicht.

Es muss also vieles passieren, damit rund um die dänische Mannschaft wieder so etwas wie ein Hype entsteht. Die ersten Schritte nach vorne würden auch noch nicht für einen solchen sorgen, sondern vielmehr wieder eine gesunde Vorfreude schaffen. Aber wer weiß, was passiert, sollte Norwegen im zweiten Test geschlagen werden und zum Auftakt gegen Slowenien ein Sieg eingefahren werden. Dass sich die Dinge bei der dänischen Elf schnell in eine bestimmte Richtung entwickeln können, haben wir ja schon einmal gesehen.

(Photo by BO AMSTRUP/Ritzau Scanpix/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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