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Enges Rennen an der Spitze, Deutschland im Aufwind: Das Powerranking zur EM 2024

9. Juni 2024 | Spotlight | BY Philipp Overhoff

In fünf Tagen startet die Europameisterschaft 2024 mit dem Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Schottland. Aber wie sind die Favoritenrollen vor dem Auftakt eigentlich verteilt? Das Powerranking zum Turnierbeginn. 

EM 2024: Ein Turnier ohne klaren Favoriten?

Ein Großteil der Testspiele sind absolviert, die Vorbereitungen so gut wie abgeschlossen. In gerade einmal fünf Tagen steht mit der Europameisterschaft 2024 das große Highlight des Fußball-Jahres an. Es beginnt also die Phase, in der ein letztes Mal über die Verfassungen der Mannschaften gerätselt wird, ehe wir am kommenden Wochenende endlich Gewissheit bekommen.



Daher stellen wir uns nun folgende Fragen: Wer ist eigentlich Titelfavorit? Wie sind die Topnationen kurz vor Turnierbeginn in Form? Und welche Teams könnten uns in den kommenden vier Wochen vielleicht sogar überraschen? Vorneweg: Die Ausgangslage könnte nicht spannender sein, eine klare Übermannschaft gibt es auf dem europäischen Kontinent derzeit nicht. Hier kommt unser großes EM-Powerranking.

8. Italien

Der aktuelle Europameister nur auf Platz acht? Das mutet erstmal komisch an. Doch hinter der “Squadra Azurra” liegen wahrlich keine einfachen Jahre. Infolge des EM-Titels 2021 fiel die italienische Nationalmannschaft in ein Leistungsloch und verpasste nach einer blamablen Niederlage gegen Nordmazedonien sogar die Qualifikation für die WM 2022. Auch der Weg zur Endrunde in Deutschland war ein steiniger, letztlich sicherte sich der Titelverteidiger nur aufgrund der besseren Tordifferenz den zweiten Gruppenplatz. Im Vergleich zum Kader von 2021 fehlen diverse Schlüsselspieler, unter anderem die Abwehrrecken Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci.

Doch abschreiben sollte man die Squadra Azzura keineswegs. Mit Napolis Meistercoach Luciano Spalletti verfügt Italien über einen der profiliertesten Trainer des Turniers, der insbesondere in K.O.-Duellen gegen andere Topmannschaften einen großen Unterschied machen könnte. Auch haftet dem viermaligen Weltmeister nach wie vor das Label “Turniermannschaft” an. Hat sich die italienische Mannschaft gefunden und steht defensiv kompakt, wird sie auch in diesem Jahr nur schwer zu bezwingen sein. Die biederen Testspiele der letzten Monate und der vergleichsweise geringe Offensiv-Punch lassen zu diesem Zeitpunkt jedoch keine höhere Platzierung zu.

7. Belgien

Die belgische Mannschaft befindet sich derzeit in einer äußerst spannenden Phase. Die viel zitierte goldene Generation hat sich zu einem großen Teil aus dem Kreis der Nationalelf verabschiedet, doch Weltklasse-Spieler wie Kevin de Bruyne, Thibaut Courtois und Romelu Lukaku schnüren weiterhin ihre Schuhe für die “Roten Teufel”. Ergänzt wird dieser erfahrene Kern von hochtalentierten Kickern wie Amadou Onana, Johan Bakayoko, Arthur Vermeeren, Jeremy Doku oder Lois Openda. Leandro Trossard vom FC Arsenal hat sich zudem zu einem der besseren Offensivspieler in der Premier League entwickelt.

(Photo by VIRGINIE LEFOUR/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Während sich Belgien um das Toreschießen wohl keine Sorgen machen muss, klafft in der Hintermannschaft ein riesiges Qualitätsloch. Zeno Debast von RSC Anderlecht ist ein großes Talent und hat insbesondere mit Ball am Fuß unglaubliche Fähigkeiten, doch der Rolle des Abwehrchef ist der 20-Jährige noch nicht gewachsen. Neben ihm verteidigte im kürzlichen Testpiel gegen Montenegro Wout Faes von Premier-League-Aufsteiger Leicester City. Auch die Außenverteidigerpositionen genügen beileibe keinem internationalen Topniveau. Die Vorrundengruppe mit der Slowakei, Rumänien und der Ukraine wird Belgien problemlos meistern, doch die Unausgewogenheit des Kaders könnte im weiteren Turnierverlauf zum Problem werden.

6. Niederlande

Ein defensives Qualitätsproblem kann man den Niederlanden dagegen kaum attestieren. In der Abwehr der “Elftal” tummeln sich unter anderem Virgil van Dijk, Matthijs de Ligt, Nathan Aké und Micky van de Ven. Insgesamt verfügt Ronald Koeman über hochklassiges Spielermaterial in fast allen Mannschaftsteilen. Lediglich die Torhüterposition fällt etwas ab, da weder Top-Talent Bart Verbruggen noch Mark Flekken und Justin Bijlow über Erfahrung auf allerhöchstem internationalen Niveau verfügen.

Auch in puncto Trainer gibt es Fragezeichen, so wird Bondscoach Ronald Koeman im westlichen Nachbarland enorm kritisch betrachtet. Das hängt auch mit der letzten Länderspielpause im März zusammen, als die Elftal gegen Schottland ein lange Zeit sehr biederes Heimspiel absolvierte und anschließend mit 1:2 in Deutschland unterlag. Die Stimmung in den Niederlanden ist daher insgesamt schlechter, als es die Klasse des Kaders eigentlich vermuten lassen würde. Auch wenn der Europameister von 1988 nicht zu den absoluten Topfavoriten zählt – mit van Dijk und Co. ist bei der EM auf jeden Fall zu rechnen.

5. Portugal

Die vergangenen Turniere verliefen aus portugiesischer Sicht nicht besonders zufriedenstellend. Stets reiste die “Selecao” mit einer hochtalentierten Mannschaft an, um die Erwartungen im Endeffekt nicht zu erfüllen. Auch in diesem Jahr strotzt der Europameister von 2016 nur so vor Qualität. Der Kader verfügt über eine hochinteressante Mischung aus Top-Legionären und talentierten Youngsters aus der heimischen Liga. Und dann gibt es da immer noch einen gewissen Cristiano Ronaldo.

(Photo by Jurij Kodrun/Getty Images)

Ob der mittlerweile 39 Jahre alte Stürmer von Al-Nassr die erste Wahl im Angriff sein sollte, sei mal dahingestellt, aber der Erfolg der Portugiesen steht und fällt beileibe nicht mehr mit der Personalie CR7. Die Fragezeichen: Durchwachsene Testspielleistungen in den letzten Monaten, inklusive der kürzlichen Pleite gegen Kroatien, und eine gewisse defensive Anfälligkeit. Bekommt die Selecao diese in den Griff und schöpft endlich mal ihr volles Talent aus, ist ein Halbfinaleinzug auf jeden Fall drin.

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4. Deutschland

Wer hätte noch vor wenigen Monaten gedacht, dass die deutsche Nationalmannschaft in einem Powerranking kurz vor Turnierstart auf dem vierten Platz stehen würde? Die Länderspielpause im März hat in dieser Hinsicht einiges verändert, die überzeugenden Testspielsiege gegen Frankreich und die Niederlande brachten der DFB-Elf im eigenen Land und in ganz Europa ein hohes Maß an Anerkennung ein. Bundestrainer Julian Nagelsmann scheint eine vielversprechende Mischung unterschiedlicher Spielertypen gefunden zu haben, die viel besser zueinander passen als noch in der Vergangenheit.

Fragezeichen bestehen derzeit noch im Bereich der Chancenverwertung. Schon in den letzten Turnieren ließ der diesjährige Gastgeber Möglichkeit um Möglichkeit aus, auch das eigentlich überzeugende Testspiel gegen die Ukraine gab in dieser Hinsicht Grund zur Sorge. Insbesondere die Qualität im Mittelfeld ist aber herausragend, weshalb die deutsche Mannschaft zu vielen Gelegenheiten kommen sollte. Wenn darüber hinaus auch der Heimvorteil zu den eigenen Gunsten genutzt werden kann, steht einem Sommermärchen 2.0 nicht viel im Weg. Im Vergleich zum letzten Test gegen Griechenland bedarf es allerdings einer klaren Leistungssteigerung.

3. England

Ist 2024 das Jahr, in dem der Fußball endlich wieder nach Hause kommt? Nichts würden sich die viel gescholtenen Anhänger der “Three Lions” sehnlicher wünschen. Und ihre Mannschaft lädt rein kadertechnisch definitiv zum Träumen ein. Harry Kane, Jude Bellingham, Phil Foden – und da haben wir noch nicht annähernd alle Namen genannt. Die Offensive der englischen Nationalmannschaft ist schlicht und ergreifend beängstigend. Nach dem zweiten Platz bei der Europameisterschaft 2021 ist in diesem Sommer der ganz große Wurf möglich.

(Photo by Alex Pantling/Getty Images)

Dafür muss das Mutterland des Fußballs allerdings die Angst vor dem Gewinnen ablegen und auch in den großen Spielern liefern. Ein Spieler wie Jude Bellingham dürfte in dieser Hinsicht goldwert sein. Sollte es bei diesem Turnier nicht für den Titel reichen, steht dem Vernehmen nach auch der hochumstrittene Trainer Gareth Southgate vor dem Aus. Der frühere Nationalspieler muss in Deutschland beweisen, dass er einen absoluten Elite-Kader bis an die Spitze führen kann. Die Testspielpleite gegen Island ließ die Alarmglocken auf der Insel laut und deutlich erklingen und sorgte für einen echten Stimmungsdämpfer, welcher der englischen Mannschaft auch in diesem Ranking einen Platz kostete.

2. Spanien

Nach zwölf Jahren ohne großen Titel dürstet auch das erfolgsverwöhnte Spanien nach einem Pokal. Die Grundzutaten dafür sind auf jeden Fall gegeben, die “Seleccion” ist im spielerischen Bereich fast jeder anderen europäischen Mannschaft überlegen. Die enorme Ballsicherheit des Kaders ist dabei fast schon beängstigend. Im zugegebenermaßen wenig aussagekräftigen Test gegen Andorra siegte die “Furia Roja” mit 5:0. Der Ballbesitzanteil? 84 Prozent! Auch beim gestrigen 5:1-Erfolg über Nordirland dominierte der Weltmeister von 2010.

Auf der Innenverteidigerposition ist Spanien im Vergleich zu anderen Spitzenmannschaften vergleichsweise schwächer besetzt, allerdings ist auf Routiniers wie Nacho Fernandez in großen Spielen zumeist Verlass. Auch im Angriff kommt es auf erfahrene Akteure an. Können Kapitän Alvaro Morata und Real Madris Joselu die spielerische Qualität ihrer Hintermänner häufig genug in eigene Treffer ummünzen? Gelingt dies, ist der Mannschaft von Luis de la Fuente fast alles zuzutrauen.

1. Frankreich

Wenig überraschend steht die “Equipe Tricolore” auf Platz eins unseres Rankings. Das Maß an Weltklasse-Spielern im französischen Aufgebot ist beeindruckend und wurde in der Geschichte des Weltfußballs noch nicht allzu oft gesehen. Didier Deschamps hätte ohne größere Probleme einen zweiten Kader nominieren können, der sich ebenfalls im Kreis der Titelfavoriten wiedergefunden hätte. Frankreich besitzt ohne Frage die nominell beste Mannschaft des Turniers und hat mit Kylian Mbappé darüber hinaus DEN Unterschiedsspieler schlechthin in seinen Reihen.

(Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)

Der eindeutige Turnierfavorit ist der Weltmeister von 2018 jedoch nur auf dem Papier. Zu oft verlassen sich “Les Bleus” auf ihre individuelle Klasse. Dass die französische Mannschaft schlagbar ist, bewies die DFB-Elf im vergangenen Jahr sogar zweimal. Dennoch lässt der zweifache Europameister die wenigsten Fragen offen und ist beim bevorstehenden Turnier das Team-to-beat. Können die hochbegabten Kicker der “Grande Nation” den enormen Erwartungen gerecht werden?

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

 


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