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EM 2024 | Turniere in Deutschland: Ein Sommermärchen und ganz viel Kaiser Franz

1. Juni 2024 | Spotlight | BY Till Gabriel

Mit der EM 2024 findet zum zweiten Mal eine Europameisterschaft auf deutschem Boden statt. Wir blicken zurück auf die Heim-Premiere 1988 und schwelgen in Erinnerungen an die Weltmeisterschaften 1974 und 2006.

Zwei Wochen bis zur EM 2024: Ein Blick in den Rückspiegel

Die EM 2024 rückt immer näher, schon in weniger als zwei Wochen wird das Fußballfest mit der Partie zwischen der deutschen Nationalmannschaft und der schottischen Auswahl in der Münchener Allianz Arena eröffnet. Höchste Zeit also, mal einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Drei Fußball-Großereignisse richtete Deutschland bereits auf. Eine Legende hatte dabei stets ihre Finger im Spiel.



EM 1988: Party in Oranje und ein Tor für die Ewigkeit

Lässt man die einzelnen Spiele außen vor, die bei der in ganz Europa ausgetragenen Jubiläums-Euro 2021 in Deutschland absolviert wurden, fand zuletzt vor 36 Jahren ein Kontinentalturnier hierzulande statt. Das Eröffnungsspiel bestritt die DFB-Auswahl gegen Italien, vor 62.522 Zuschauern trennte man sich in Düsseldorf 1:1.

Neben der Hauptstadt Nordrhein-Westfalens standen Hannover, Gelsenkirchen, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Stuttgart als Austragungsorte im Spielplan. Auf West-Berlin verzichtete man seinerzeit, um bei der EM-Vergabe leichter an Stimmen aus den Ostblock-Staaten zu gelangen.

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Der Verzicht auf das Berliner Olympiastadion schlug hohe Wellen, Kanzler Helmut Kohl war ein prominenter Gegner dieser Entscheidung. Sportlich kam die DFB-Elf, trainiert von einem gewissen Franz Beckenbauer, nach dem Remis gegen Italien in Fahrt und gewann ihre Gruppe nach Siegen gegen Spanien und Dänemark.

Damals nahmen nur acht Verbände an der Europameisterschaft teil, mittlerweile hat sich das Teilnehmerfeld verdreifacht. So stand nach der Gruppenphase gleich das Halbfinale auf dem Programm. Auf die Auswahl des Gastgebers warteten die Nachbarn aus den Niederlanden.

Die Elftal war in den späten 1980er-Jahren eine wahre Weltauswahl. Ikonen wie Ruud Gullit, Frank Rijkaard oder Marco van Basten prägten das Spiel von Oranje. Zwar ging die Bundesrepublik zu Beginn des zweiten Durchgangs durch einen Elfmeter von Kapitän Lothar Matthäus in Führung, doch eine Viertelstunde vor dem Ende glich Koeman, ebenfalls per Strafstoß, aus.

In der Schlussphase stocherte van Basten den Ball an Eike Immel vorbei ins deutsche Tor. Die Gastgeber waren raus, während die Niederlande 14 Jahre nach dem verlorenen WM-Finale endlich Rache nehmen konnten. Im Finale traf das Team von Rinus Michels auf die Sowjetunion.

Marco van Basten jubelt: Die Niederlande werden in München Europameister. (Photo by Bongarts/Getty Images)

Beim Endspiel in München wurde einmal mehr der damals 24-jährige van Basten zum entscheidenden Mann. Der Stürmer der AC Milan erzielte in der 54. Minute eines der legendärsten Tore der Fußballgeschichte, als er den sowjetischen Keeper per Volley aus spitzem Winkel überwand. Zuvor hatte Gullit die Elftal in Führung gebracht, van Bastens Wundertor machte den Deckel drauf und sicherte Oranje den ersten, und bis heute einzigen, großen Titel.

Der spätere Bondscoach (2004 bis 2008) wurde im Anschluss zum Spieler des Turniers gekrönt und mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet. Den goldenen Ball erhielt der schussgewaltige Stürmer noch zwei weitere Male in seiner Laufbahn, die durch schwere Verletzungsprobleme mit 31 Jahren ein viel zu frühes Ende fand.

WM in Deutschland: Kaiserkrönung und Sommermärchen

Schon 1974 hatten die Niederlande im Münchener Olympiastadion nach den Sternen gegriffen, zogen im WM-Finale gegen die Bundesrepublik jedoch den Kürzeren. Das 2:1, bei dem Paul Breitner und Gerd Müller für Deutschland trafen, markierte das denkwürdige Ende eines denkwürdigen Turniers.

Die DFB-Auswahl ging als großer Favorit in das erste Turnier auf heimischem Boden. Zwei Jahre zuvor hatte sich die Mannschaft von Helmut Schön erstmals zum Europameister gekrönt und war gespickt mit Legenden wie Sepp Maier, Müller, Breitner, Günther Netzer, Uli Hoeneß und, natürlich, Beckenbauer.

Der Kaiser führte die Elf als Kapitän auf dem Platz und wollte sich bei seiner dritten WM-Endrunde endlich die Krone aufsetzen. Mit zwei Siegen gegen Chile und Australien startete man stark ins Turnier, ehe es im dritten Gruppenspiel zum deutsch-deutschen Duell zwischen BRD und DDR kam.

1974 wird die Nationalelf im eigenen Land Weltmeister. (Photo by Bongarts/Getty Images)

Die Favoritenrolle war vor Anpfiff klar verteilt, am Ende jubelte jedoch der Außenseiter. Durch ein Tor von Jürgen Sparwasser gewann die DDR nicht nur das einzige A-Länderspiel jemals zwischen den beiden deutschen Staaten, sondern wurde darüber hinaus auch Gruppensieger. In der Zwischenrunde war jedoch Endstation.

Nicht so für die BRD, die ihre Zwischengruppe gewann und so in beschriebenes Finale gegen die Niederlande einzog – und Müller und Breitner dem Kaiser die Krone aufsetzten.

32 Jahre später war die Welt erneut zu Gast bei Freuden – so lautete das Motto für die WM 2006. Erneut war Beckenbauer maßgeblich beteiligt. Als Chef des Organisationskomitees war der frühere Weltklassespieler die treibende Kraft hinter der deutschen WM-Bewerbung. Das Turnier sollte zu einem vollen Erfolg werden. Deutschland präsentierte sich als weltoffener Gastgeber, das Wetter tat sein übrigens.

Dazu kam, dass die zuvor strauchelnde DFB-Elf vom Trainerduo aus Jürgen Klinsmann und Joachim Löw wachgeküsst wurde. Wenige Monate vor dem Turnier war die Stimmung nach einem 1:4 gegen Italien am Gefrierpunkt, doch pünktlich zum Start kam die Auswahl in Schwung. Philipp Lahm eröffnete die zweite Heim-WM mit seinem Traumtor gegen Costa Rica, es folgten die legendäre Odonkor/Neuville-Koproduktion gegen Polen und ein Sieg gegen Ecuador.

Trauriger Abgang eines Superstars: Zinedine Zidane. (ROBERTO SCHMIDT/AFP via Getty Images)

Im Achtelfinale schoss Kölns Supertalent Lukas Podolski Schweden mit einem Doppelpack aus dem Turnier, ehe Jens Lehmann im Viertelfinale die Argentinier im Elfmeterschießen zur Verzweiflung brachte. In der Runde der letzten Vier war zwar gegen Italien Endstation, doch die deutsche Mannschaft, die sich gegen Portugal noch Rang drei sicherte, hatte die Herzen der Nation erobert und für eine vierwöchige Party gesorgt – der Begriff „Sommermärchen“ war geboren.

Im Finale setzte sich Italien gegen die spielstarken Franzosen nach Elfmeterschießen durch. Das Endspiel in Berlin – diesmal natürlich als Spielort dabei – ist jedoch vor allem für einen der berühmtesten Platzverweise jemals in Erinnerung. Durch Provokationen von Marco Materazzi ließ sich Zinedine Zidane zu einem Kopfstoß gegen den Verteidiger hinreißen.

Einer der besten Fußballspieler aller Zeiten flog in seinem letzten Spiel überhaupt mit Rot vom Platz. Dass die beiden Streithähne Zidane und Materazzi gleichzeitig die einzigen Torschützen in der regulären Spielzeit waren, war nur eine der vielen Geschichten, die die WM 2006 schrieb.

Die internationale Party bei bestem Wetter, die Degradierung von Oliver Kahn, Lehmanns Spickzettel gegen Argentinien, Zidanes Abgang – das Turnier in Deutschland war eine wahre Geschichten-Maschine und wird immer gerade hierzulande immer wieder als Maßstab für ein gelungenes Fußball-Großereignis herangezogen, selbst wenn sich Jahre später durch die WM-Affäre ein Schatten aufs Sommermärchen legte.

Erleben wir bei der EM 2024 auch ein Fußballfest wie vor 18 Jahren? Hat die DFB-Elf wie 1974 Grund zum Feiern? Oder verewigt sich ein Spieler in der Fußball-Historie wie einst van Basten? In zwei Wochen wissen wir mehr, dann rollt endlich der Ball.

(Photo by ROBERTO SCHMIDT/AFP via Getty Images)


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