EM 2024 | Warum Frankreichs Halbfinal-Aus mehr als folgerichtig ist
10. Juli 2024 | Spotlight | BY Michael Bojkov
Für Frankreich ist im Halbfinale Endstation. Eine 1:2-Niederlage gegen Spanien besiegelte am Dienstagabend das EM-Aus, das die logische Folge eines spielerischen Armutszeugnisses ist. Eine kommentierende Analyse.
Aus der Münchner Arena berichtet 90PLUS-Reporter Michael Bojkov.
Frankreich blieb deutlich unter seinen Möglichkeiten
„Spanien war die bessere Mannschaft“, musste auch Didier Deschamps nach Abpfiff neidlos anerkennen. „Sie waren besser mit dem Ball, und das bis zum Ende.“ Der französische Nationaltrainer bemängelte, dass seine Mannschaft sich „einfach nicht genug nach vorne orientiert“ habe. Der Équipe Tricolore habe es an Tiefe im Spiel gemangelt. Aber nicht nur am Dienstagabend in der Münchner Allianz Arena. Die Fehleranalyse Deschamps lässt sich auf das gesamte Turnier der Franzosen übertragen.
Aktuelle News und Storys rund um die EM 2024
Im eigenen Ballbesitz ließ man die Entschlossenheit beziehungsweise auch schlichtweg die Ideen vermissen. Les Bleus suchten häufig den Weg über die Flügel, um die Kugel von dort ins Zentrum zu geben, wo aber die entscheidenden Laufwege der Mitspieler und ein passender Abnehmer fehlten, der Bälle annehmen und verwerten kann. Oder auch die Präzision: Ein hierfür exemplarisches Beispiel ist Ousmane Dembélé, der gegen Spanien von 16 Flanken gerade einmal drei an den eigenen Mitspieler brachte. Es kommt fast etwas zynisch daher, dass die Franzosen ausgerechnet bei ihrer – das muss man ihnen lassen – einzigen Niederlage des Turniers auch ihr einziges Tor aus dem Spiel heraus erzielten: Fünf Minuten waren in der Allianz Arena von der Uhr, als Randal Kolo Muani Frankreich in Führung köpfte. Die Vorlage hatte Kylian Mbappé mit einer präzisen und gut getimten Flanke geliefert.
Wenn in diesem Turnier offensiv etwas für Frankreich ging, war es in der Regel auch der Kapitän und Superstar der Mannschaft, der seine Füße im Spiel hatte. Allerdings gelang auch dem Real-Neuzugang in Summe wenig. Wahrscheinlich auch ein Stück weit seiner Verletzung und der Gesichtsmaske geschuldet, die er im Halbfinale erstmals absetzen durfte, fehlte dem 24-Jährigen in vielen Situationen die nötige Spritzigkeit. So konnte Mbappé nur selten die entscheidenden Akzente setzen. Auch ein Antoine Griezmann blieb im gesamten Turnier deutlich unter seinen Möglichkeiten. Was uns das einmal mehr lehrt? Dass individuelle Klasse ein Trumpf sein kann, man aber nicht mit ihr als einzige Waffe in den Krieg ziehen sollte. Sich ausschließlich auf die großartige Qualität Einzelner zu verlassen, ist gewissermaßen ein kalkuliertes Risiko.
Michael Bojkov
Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 im Team. Hat unter anderem das Champions-League-Finale 2024 und die darauffolgende Europameisterschaft vor Ort für 90PLUS begleitet.