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EM 2024 | Ukraine: Große Hoffnung in schweren Zeiten

17. Juni 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Zum vierten Mal spielt die Ukraine bei einer EM-Endrunde, einmal überstand dieses Team bisher die Gruppenphase. Das will die Mannschaft 2024 in Deutschland wiederholen und in schweren Zeiten für Zusammenhalt und Hoffnung sorgen. 

Denn der russische Angriffskrieg tobt noch immer. Die Menschen sehnen sich nach Frieden, aber auch nach Ablenkung. Den kann der Sport ihnen bieten. Und die ukrainische Mannschaft kann sich der Unterstützung der Menschen sicher sein. Ganz abgesehen davon hat sie auch noch einige sehr gute Fußballer in den eigenen Reihen. 

Ukraine mit Qualifikation im Playoff 

Die ukrainische Auswahl hat sich erst als einer der Nachzügler für die EM 2024 qualifiziert. Das ist aber nicht einmal negativ gemeint, denn die Quali-Gruppe des Teams hatte es in sich. Die Gegner hießen Italien, England, Nordmazedonien und Malta. Gegen die Italiener und die Engländer konnte immerhin jeweils ein Remis geholt werden, die anderen Partien wurden knapp (0:2, 1:2) verloren. Die Pflichtaufgaben gegen die anderen Gegner wurden allesamt gewonnen. 



Im Playoff-Endspiel reichte dann ein 2:1-Sieg gegen Island, um den Traum von der Europameisterschaft zum vierten Mal in Folge wahr werden zu lassen. Auch die Ergebnisse drumherum waren alles andere als schlecht. 2023 gab es ein 3:3 im Test gegen Deutschland, 2024 dann ein 0:0 gegen den gleichen Gegner. Moldawien wurde mit 4:0 abgefertigt, gegen Polen gab es eine 1:3-Pleite. Das zeigt zwar, dass die Mannschaft nicht konstant auf höchstem Niveau spielt, aber alles andere als leicht zu schlagen ist. Nur eine Niederlage in acht Partien untermauert das noch einmal deutlich. 

Ein Kader mit vielen Facetten 

Der Kader der ukrainischen Auswahl besticht durch eine sehr gute Mischung. Es gibt junge Talente, die Druck auf die etablierten Spieler machen, den ein oder anderen potenziellen Topstar sowie auch noch Führungsspieler, die bei großen Klubs unter Vertrag stehen. Trainer Sergiy Rebrov hatte vor dem Turnier die Qual der Wahl, was während der Endrunde sicherlich nicht anders aussehen wird. Das fängt schon im Tor an! Denn sowohl Andriy Lunin von Real Madrid, der Thibaut Courtois während dessen Kreuzbandriss mehrfach brillant vertrat, als auch Anatoliy Trubin von Benfica haben sehr viel Qualität. 

Auch die Defensive muss sich nicht verstecken. Ilya Zabarnyi (21) vom AFC Bournemouth ist ein großes Talent, Shakhtar Mykola Matvienko ein erfahrener Mann, Vitaliy Mykolenko von Everton ein mehr als nur grundsolider Außenverteidiger. Oleksandr Zinchenko von Arsenal kommt im Mittelfeld zum Einsatz, glänzt dort meist mit seiner sehr starken Technik und Übersicht. Mykola Shaparenko von Dynamo Kiew kann als Bindeglied fungieren und Georgiy Sudakov, der ein Spielmachertyp ist, gilt als technisch absolut hochwertiger Freigeist. 

Ukraine

(Photo by Rafal Oleksiewicz/Getty Images)

Mykhaylo Mudryk (Chelsea), Viktor Tsygankov (Girona) und Andriy Yarmolenko (Kiew), der auch noch Kapitän des Teams ist, sind gute Optionen für den Flügel und bringen allesamt unterschiedliche Elemente ein. Und dann wäre da noch Mittelstürmer Artem Dovbyk, der mal eben Torschützenkönig in La Liga wurde und wie Tsygankov ebenfalls bei Girona spielt. Und selbst für ihn gibt es noch eine gute, physisch gute Alternative, nämlich Roman Yaremchuk vom FC Valencia. 

Der Start der Ukraine wird vorentscheidend sein 

Eine gute Basis im Kader ist also vorhanden. Und Trainer Rebrov lässt seine Mannschaft so spielen, wie es seiner Meinung nach zum Gegner passt. Das kann im 4-3-3-System sein, aber auch mal mit einer Fünferkette, wie im Test gegen Deutschland. Wichtig sind immer gewisse Grundprinzipien, die zu den oft eher konservativeren Ansätzen von Nationalteams passen. Kompaktheit ist wichtig, gegenseitiges Unterstützen in der Defensive ebenso. Mit einer guten Balance als Basis soll dann nach vorne gespielt werden. Die Offensive versteht es, vor allem Räume zum Umschalten zu nutzen. Mudryk und Tsygankov sind schnell, Dovbyk ist ein Abschlussspieler, der nicht lange fackelt. 

Das sind gute Voraussetzungen. Zumal Spieler wie Zinchenko und Sudakov auch eine tiefstehende Kette knacken und Überraschungsmomente herbeiführen können. Das bedeutet, dass die Ukrainer mehrere Lösungsmöglichkeiten für die Offensive haben. Und steht man selbst in einer tiefen Formation, dann ist die Abstimmung positiv hervorzuheben. Die Gruppenphase zu überstehen ist das große Ziel der Ukrainer und eine Gruppe mit Rumänien, der Slowakei und Belgien scheint alles andere als übermächtig zu sein. 

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Gleich der Auftakt gegen Rumänien ist wichtig. Für das eigene Selbstvertrauen, für den Kopf, aber auch – und das kann nicht oft genug betont werden – für die ganze Nation, die in schweren Zeiten hinter dem Team steht. Diese besondere Situation kann den Kader noch mehr als ohnehin schon als Einheit zusammenschweißen. Gleichzeitig kann ein Fehlstart natürlich auch lähmen. Im Vorfeld des Turniers wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass der Auftakt sehr wichtig ist. Bei vielen Teams, unter anderem auch bei Gastgeber Deutschland.

Die Ukraine hat, schaut man sich alle relevanten Komponenten an, die Qualität, um sich durchzusetzen und mindestens das Achtelfinale zu erreichen. Mit ihrer taktischen Flexibilität und den vielen interessanten Spielertypen muss das auch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Gerade gegen individuell bessere Teams besteht die Chance, mit einer klugen Ausrichtung für Furore zu sorgen. In jedem Fall werden die Spieler ihr Herz auf dem Platz lassen und leidenschaftlich auftreten. Auch für die Ukrainer, die durch schwere Zeiten gehen.

(Photo by WOJTEK RADWANSKI/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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